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„Wirtschaftlich extrem teuer“ – Die Furcht vor dem zweiten Lockdown

Die Corona-Infektionszahlen steigen. Und die beschlossenen Maßnahmen reichen wohl nicht für eine Trendumkehr. Ökonomen warnen vor schwerwiegenden Folgen.

Angesichts drastisch steigender Corona-Infektionszahlen wächst in der deutschen Wirtschaft die Angst vor einem erneuten Herunterfahren des öffentlichen Lebens. „Es ist in der Tat schwer vorstellbar, dass wir einen zweiten Lockdown wie in den Monaten März bis Mai ohne schwere, nachhaltige Wohlstandseinbußen verkraften könnten“, sagte der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther.

Am Mittwochabend hatten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten bei einem Krisentreffen in Berlin neue Beschränkungen beschlossen, um die Infektionszahlen wieder unter Kontrolle zu bekommen. Merkel zeigte sich bei Verkündung der Beschlüsse allerdings skeptisch, ob diese ausreichen.

Wie zur Bestätigung meldete das Robert Koch-Institut (RKI) am Donnerstagmorgen einen neuen Negativrekord: Danach zählten die Gesundheitsämter 6638 neue Corona-Fälle in 24 Stunden.

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„Ich befürchte, dass die Bundesregierung zu zögerlich gehandelt hat und sehr bald weitere Restriktionen beschließen muss“, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. Die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) kritisierte, dass die Beschlüsse von Bund und Ländern „in vielen Teilen unklar und unpräzise“ seien. Als Beispiel nennt die BDA das Beherbergungsverbot, das zwar Einschränkungen mit sich bringt, aber nach Ansicht von Experten kaum geeignet ist, die Infektionen einzudämmen.

Die Kanzlerin wollte ihre Unzufriedenheit nicht verbergen. Für Verärgerung sorgte bei Merkel nicht nur, dass keine Einigung bei den Beherbergungsverboten gelungen war. In der Runde mit den Regierungschefs der Länder hatte sie auch gewarnt, dass die Maßnahmen nicht ausreichten, um „Unheil abzuwenden“. Dann, so die Kanzlerin, sitze man in zwei Wochen wieder zusammen und müsse härtere Beschränkungen beschließen.

Wiederholung des Lockdowns „auf jeden Fall verhindern“

Eindringlich warnte die Kanzlerin, dass man den Kampf gegen die steigenden Infektionszahlen nicht verschleppen dürfe. „Auch unsere wirtschaftliche Entwicklung hängt davon ab, dass wir durch die Pandemie nicht zu schwer beeinträchtigt werden“, sagte Merkel. „Was der Gesundheit dient, dient also auch dem wirtschaftlichen Ablauf.“

Deutschland habe in diesem Jahr bereits mehr als 200 Milliarden Euro neue Schulden gemacht, um die Coronakrise zu bekämpfen. „Deshalb können wir uns auch ökonomisch eine zweite Welle mit den Folgen, wie es sie im Frühjahr gab, nicht leisten“, sagte Merkel.

Das sehen Ökonomen ähnlich. Es sei absolut klar, dass eine Wiederholung des „wirtschaftlich extrem teuren“ flächendeckenden Lockdowns „auf jeden Fall verhindert werden“ müsse, sagte der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Gabriel Felbermayr. „Dazu gehört, jetzt die Eindämmungsmaßnahmen zu verschärfen, um härtere Eingriffe in zwei Wochen zu verhindern.“ Die ökonomischen Nebenwirkungen der Maßnahmen müssten aber immer mit im Blick sein.

Auch DIW-Präsident Fratzscher warnte: „Eine zweite Infektionswelle, die nochmals so umfangreiche Restriktionen erfordern und Verwerfungen verursachen würde wie die erste, dürfte die deutsche Wirtschaft härter treffen.“ Viele Unternehmen hätten ihre Rücklagen aufgebraucht und seien stark verschuldet. „Das Resultat von umfangreichen Restriktionen in der gegenwärtigen Situation dürfte eine massive Zunahme von Unternehmensinsolvenzen sein, die auch die Arbeitslosigkeit in die Höhe treiben und das Finanzsystem schwächen dürfte“, sagte Fratzscher.

Allerdings gibt es unter Ökonomen auch die Diskussion, ob die derzeitigen Infektionszahlen mit denen aus dem Frühjahr vergleichbar sind. „Die Dunkelziffer war damals sehr viel höher“, sagte Felbermayr. Die offiziellen RKI-Zahlen seien wegen ganz anderer Testvolumen anders zu interpretieren.

Auch IW-Chef Hüther gab zu bedenken, dass die Corona-Lage mit der im Frühjahr schon allein wegen der viel größeren Anzahl von Tests nicht zu vergleichen sei. Die Politik solle daher „auf pädagogisch motivierte Dramatisierungen und schlecht begründete Maßnahmen wie das Beherbergungsverbot verzichten“.

Söder mahnt: „Lage ist ernst“

Eine Analyse des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der wirtschaftliche Schaden geringer ausfällt, wenn ein Land schnell mit konsequenten Maßnahmen gegensteuert. Staaten, die auf Einschränkungen verzichten, geht es demnach konjunkturell nicht besser. Denn wegen der anhaltend hohen Infektionszahlen würden sich die Bürger beim Konsum auch ohne staatliche Restriktionen zurückhalten, so der IWF.

Insofern kann frühzeitiges und konsequentes Handeln helfen. „Die Eindämmung der Corona-Neuinfektionen ist nicht nur gesundheitspolitisch, sondern auch wirtschaftlich von großer Bedeutung“, sagte der Präsident des Münchener Ifo-Instituts, Clemens Fuest. „Untersuchungen vergangener Epidemien und erste Erkenntnisse aus der Corona-Pandemie zeigen, dass der wirtschaftliche Schaden besonders groß ist, wenn Maßnahmen zur Eindämmung der Infektionen zu spät getroffen werden, weil sie dann drastisch ausfallen müssen.“

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Davor hat neben Kanzlerin Merkel auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gewarnt. Angesichts des starken Anstiegs von Corona-Fällen auch in Bayern gebe es eine täglich wachsende Gefahr für einen erneuten Lockdown. „Die Lage ist leider ernst, und sie wird jeden Tag ernster“, sagte Söder am Donnerstag.

Das umstrittene Beherbergungsverbot für Reisende aus Corona-Hotspots will der Freistaat bis auf Weiteres in Kraft lassen. Sachsen hat die Regelung hingegen aufgehoben. Und in Baden-Württemberg hat der Verwaltungsgerichtshof das Beherbergungsverbot des Landes für Gäste aus deutschen Risikogebieten mit sofortiger Wirkung gekippt. Auch das niedersächsische Oberverwaltungsgericht erklärte die entsprechende Regelung Landes für Reisende aus deutschen Corona-Hotspots in einem Eilverfahren für rechtswidrig.

An dem Beherbergungsverbot stören sich nicht nur Urlauber, sondern auch die Wirtschaft. „Insbesondere verweisen wir Arbeitgeber darauf, dass Dienstreisen weiterhin auch möglich sein müssen und es kein generelles Beherbergungsverbot geben darf“, heißt es in der Stellungnahme der BDA.

Keine Entschädigungen bei unnötigen Reisen in Risikogebiete

„Unnötige Verbote sollten vermieden werden.“ Das sieht auch Ifo-Präsident Fuest so: „Ökonomisch sind Beschränkungen vorzuziehen, die wirtschaftliches und gesellschaftliches Leben ermöglichen, wie Maskenpflicht und mehr Tests inklusive Schnelltests“, sagte Fuest. Maßnahmen wie Beherbergungsverbote seien schädlicher.

In einem Punkt hat die Politik mittlerweile auf Forderungen der Wirtschaft reagiert. Wer bewusst eine vermeidbare Reise in ein Risikogebiet unternimmt, tut dies auf eigenes Risiko und hat damit auch mögliche finanzielle Folgen selbst zu tragen.

Eine Entschädigung wegen Verdienstausfall nach dem Infektionsschutzgesetz „soll auch dann ausgeschlossen sein, wenn der Quarantäne eine vermeidbare Reise in ein 48 Stunden vor Reiseantritt ausgewiesenes Risikogebiet zugrunde liegt“, heißt es im Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums für das Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite. Der Entwurf liegt dem Handelsblatt vor.

Bereits am 27. August hatten die Regierungschefs von Bund und Ländern eine Klarstellung zugesagt, wie die Lohnfortzahlung bei vermeidbaren Reisen in ein Risikogebiet zu handhaben ist. Jetzt hat das Ressort von Gesundheitsminister Jens Spahn geliefert.

„Besser spät als nie“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Oliver Zander. „Insbesondere in Zeiten schnell steigender Infektionszahlen war und ist diese Regelung ein wichtiges Signal“, so Zander. Der Verband bedauert allerdings, dass die Regelung erst nach der Verkündung, voraussichtlich Ende November, in Kraft treten soll – und damit erst nach den Herbstferien in Deutschland.