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Wettbewerbshüter nehmen Globuli-Branche unter Beschuss

Wie ein unscheinbarer Rechtsstreit um ein Nahrungsergänzungsmittel sich zu einer Gefahr für das Geschäftsmodell homöopathischer Arzneimittelhersteller entwickelte.

Immerwährender Streit über Wirksamkeit der homöopathischen Mittel. Foto: dpa
Immerwährender Streit über Wirksamkeit der homöopathischen Mittel. Foto: dpa

Es fing unspektakulär an. Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (Wettbewerbszentrale) mahnte eine Apotheke ab, weil diese ein Präparat auf Basis des Schwangerschaftshormons HCG für die – als windig geltende – Hollywood-Diät herstellte. Das Produkt vertrieb sie auch im Internet, unter anderem bei Amazon. Dabei seien die Regeln über die Auflistung der Bestandteile von Nahrungsergänzungsmitteln nicht eingehalten worden. Die Apotheke unterschrieb eine Unterlassungserklärung.

Das Produkt vertrieb sie aber weiterhin, nun aber als homöopathisches Arzneimittel, ohne Nennung eines Anwendungsgebiets. Die Wettbewerbszentrale klagte auf Unterlassung.
Der raffinierte Trick der Apotheke hatte einen unerwarteten Nebeneffekt. Nun saßen indirekt alle Hersteller hochverdünnter homöopathischer Medikamente mit auf der Beklagtenbank.

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Denn die Wettbewerbszentrale argumentierte, aufgrund der extremen Verdünnung des Wirkstoffs sei in dem Produkt „HCG C 30 Globuli“ kein HCG enthalten. Das Produkt bestehe nur aus Zucker. Der Name sei daher irreführend und wettbewerbswidrig. Es bestünde die Gefahr, so die Wettbewerbszentrale, dass Verbraucher sich mit den Produkten selbst medikamentieren und deshalb auf einen notwendigen Arztbesuch verzichten.

„Soweit man der Auffassung des Klägers folgen würde, würde dies dazu führen, dass eine Vielzahl im Verkehr befindlicher homöopathischer Arzneimittel nicht mehr in der bisherigen Form vertrieben werden dürfte“, machte das Landgericht Darmstadt die möglichen Konsequenzen der Klage deutlich.

Denn die extreme Verdünnung der Wirkstoffe bis dahin, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Molekül davon mehr im Endprodukt enthalten ist, ist typisch für homöopathische Arzneimittel. Ein Verbot, in solchen Fällen den Wirkstoff im Namen des Produkts zu nennen, würde der ohnehin unter sinkenden Umsätzen leidenden Branche einen schweren Schlag versetzen.

Denn ihnen ist es bereits verboten, die möglichen Anwendungsgebiete in den Produktinformationen oder der Werbung zu nennen. Das ist Ärzten und Apothekern vorbehalten. Die beklagte Apotheke schreibt etwa zu „HCG C30 Globuli“ im Internet: „Wir sind an gesetzliche Bestimmungen gebunden, die uns untersagen, Angaben zu Anwendungsgebieten zu machen.“

Doch das Landgericht hatte ein Einsehen mit der Globuli-Branche. In der Begründung des Urteils vom 30.1. heißt es, ein faktisches Verbot homöopathischer Arzneimittel könne nicht im Sinne derjenigen Verbraucher sein, die von einer gewissen Möglichkeit der Wirksamkeit hochverdünnter homöopathischer Arzneimittel ausgehen. Die Richter machten einen Unterschied zwischen „nicht nachweisbar“ und „nicht vorhanden“.

Seitenhieb auf schulmedizinische Pharmabranche

In der Urteilsbegründung heißt es, „dass ein Ausgangsstoff aufgrund der extremen Verdünnung mit den bisher bekannten wissenschaftlichen Methoden nicht mehr nachweisbar ist, führt nicht dazu, dass angenommen werden kann, dass der Stoff tatsächlich nicht enthalten ist.“ Den Nutzern von homöopathischen Arzneimitteln sei auch in der Regel bekannt, dass die Wirkstoffe so verdünnt sind, dass sie kaum nachweisbar sind. Und die Anhänger der klassischen Schulmedizin würden von der Werbung für das Produkt nicht angesprochen, da es klar als homöopathisches Produkt erkennbar sei. Die Gefahr einer Irreführung sei daher nicht gegeben.

Die Richter erlauben sich dabei einen Seitenhieb auf die schulmedizinische Pharmabranche: „Viele Verbraucher greifen auch aufgrund dieser hohen Verdünnung zu homöopathischen Arzneimitteln, weil sie bei diesen auf weniger Nebenwirkungen hoffen, als andere (oftmals ebenfalls freiverkäufliche) Pharmapräparate aufweisen können (beispielsweise Leber- und Nierenschädigungen aufgrund der Einnahme von Aspirin- oder Paracetamolpräparaten).“

Auch mit dem Argument einer Gefährdung von Verbrauchern drang die Wettbewerbszentrale nicht durch. Vielmehr befand das Gericht: „Die Gefahr, dass ein Verbraucher bei Beschwerden keinen Arzt aufsucht, besteht auch bei allen anderen rezeptfrei erhältlichen Medikamenten.“ Sie sei bei homöopathischen Produkten sogar geringer. Denn aufgrund des Verbots, Anwendungsgebiete und Beschwerden zu nennen, sei „ein Fachwissen notwendig, welche Wirkstoffe bei welchen Erkrankungsbildern eingesetzt werden können, die einen Verbraucher viel eher dazu nötigen, einen Arzt oder Heilpraktiker aufzusuchen“.

Offiziell wollte sich die Wettbewerbsbehörde nicht zu dem Verfahren äußern. Inoffiziell war zu hören, dass sie gegen das Urteil in Berufung gehen werde. Die Globuli-Hersteller sind also noch nicht aus dem Schneider. Wenn sie Pech haben, geraten sie in der nächsten Instanz an weniger wohlgesinnte Richterinnen und Richter, die den Kenntnisstand der Globuli-Käufer skeptischer einschätzen oder die chemische Nichtnachweisbarkeit des Wirkstoffs anders bewerten.

Unklar ist, wer sich durch das HCG-Präparat in seiner Wettbewerbsposition gestört fühlte und die Wettbewerbszentrale in Gang setzte. Aus der dieser hieß es inoffiziell, die großen Pharmahersteller seien es nicht gewesen.

Wenn die Konkurrenz durch homöopathische Arzneimittel ein Problem für die schulmedizinische Pharmabranche sein sollte, dann ein kleines und noch dazu schwindendes. Der Anteil am Arzneimittelumsatz in Deutschland lag 2018 bei 0,8 Prozent. Während der Gesamtumsatz von 2015 bis 2018 um rund zehn Prozent stieg, ging der von homöopathischen Arzneimitteln um fünf Prozent zurück.