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Wer jetzt wechseln will, hat's schwer: Weil der Gaspreis explodiert, nehmen Anbieter kaum noch Kunden auf

Die Preise explodieren beim Gas – und die Anbieter nehmen kaum noch Neukunden auf. - Copyright: Getty Images / alexsl / picture alliance / Stephan Schulz / Collage: Dominik Schmitt
Die Preise explodieren beim Gas – und die Anbieter nehmen kaum noch Neukunden auf. - Copyright: Getty Images / alexsl / picture alliance / Stephan Schulz / Collage: Dominik Schmitt


Am 26. August hat sich der Gasanbieter meines Vaters „für Ihr entgegengebrachtes Vertrauen bedankt“. Was bekanntlich nichts Gutes vermuten lässt. Und weiter oben steht in Fettschrift und weniger blumig: „Beendigung der Energiebelieferung zum Vertragsende“.

Wie ihm geht es aktuell wohl Hunderttausenden Haushalten in Deutschland. Und ein Problem haben sie jetzt alle gemeinsam: wie sie aktuell einen neuen Anbieter finden sollen.

Auf Vergleichsportalen wie Verivox oder Check24 herrscht mittlerweile im Bereich Gas eine nie zuvor gesehene Übersicht. Dort, wo noch vor einem Jahr der Wettbewerb getobt hat und die Anbieter mit wilden Bonuszahlungen und Preisgarantien um sich geworfen haben, ist es still geworden. Viele Gasversorger haben sich offenbar vorsorglich aus den Datenbanken auslisten lassen. Um am Ende nicht auch noch Neukunden versorgen zu müssen, was bekanntlich schnell zu finanziellen Engpässen führen kann.

Erdgas-Odyssee
Erdgas-Odyssee

Und dort, wo man als Endkunde noch Gas bestellen kann, ist der Preis in teilweise astronomische Höhen geklettert. Preise ab 30 Cent pro Kilowattstunde sind längst keine Seltenheit mehr. Zur Erinnerung: Vor Beginn der Energiekrise waren es oftmals fünf bis sechs Cent. Die Folge: Monatliche Abschlagszahlungen, die so hoch sind wie zwölf Abschläge vor der Krise.

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Check24 berichtet auf Anfrage von Business Insider, dass aktuell nur noch 41 Anbieter ihre Tarife über das Vergleichsportal anbieten. Gibt man jedoch eine konkrete Postleitzahl ein, kann diese Zahl nochmal erheblich schrumpfen. „Was wir sagen können, ist, dass derzeit deutlich weniger Versorger mit Neukundentarifen werben als noch vor einem Jahr“, sagt auch die Konkurrenz von Verivox. Durch die mangelnde Planungssicherheit stünden Versorger bei Tarifkalkulationen und Kundenplanung vor enormen Herausforderungen, was den Wettbewerb „aktuell ausbremst“, sagt Pressesprecher Marcus Drost zu Business Insider.

Das sagen die Energielieferanten

Und was sagen die Energielieferanten selbst, wenn man sie fragt? Octopus Energy, ein relativ junges Energie-Unternehmen mit britischen Wurzeln, kann „aktuell keine Neuabschlüsse anbieten“, wie es auf der Website heißt. Auf Anfrage von Business Insider schreibt das Unternehmen allerdings, dass bisher keine bestehenden Verträge mit Kunden gekündigt worden seien: „Und wir können uns auch keine Situation vorstellen, in der dies notwendig wäre.“ Die Erklärung liefert man gleich mit: „Wir verfolgen einen sehr konservativen Ansatz beim Hedging, indem wir im Voraus Energie kaufen, die dem erwarteten Verbrauch unserer Kunden während der gesamten Festpreisperiode entspricht.“

Auch Vattenfall äußert sich zur angespannten Lage auf dem Energiemarkt: Es gebe aktuell „wenig Unternehmen, die wie wir überhaupt noch Neukundinnen und Neukunden für Strom und Gas aufnehmen“, heißt es von dort. Zudem habe es „bislang“ keine Kündigung bestehender Lieferverträge mit Bestandskundinnen und -kunden gegeben. Tarife für Neukunden würden „tagesaktuell aufgrund der Marktsituation und der regionalen Situation“ kalkuliert, wobei die Höhe der Netzentgelte vom Postleitzahlgebiet abhänge.

Gaspreise „auf absehbare Zeit auf hohem Niveau“

Ähnlich wie Octopus Energy ist Vattenfall offenbar stolz auf „unsere genaue Vertriebsmengenplanung“ und die „jahrelange Erfahrung bei den Beschaffungsprozessen“. Beide sollen auch künftig „faire Preise“ ermöglichen, wie es heißt. Allerdings müsse man „ohne eine Lösung für den Krieg in der Ukraine davon ausgehen, dass die Gaspreise auf absehbare Zeit auf einem hohen Niveau bleiben werden“.

Auch Eprimo, seit vielen Jahren einer der bekanntesten Discounter für Strom und Gas, hat „weder für Gas- noch für Stromkunden Aufnahmestopps verhängt“, wie das Unternehmen auf Anfrage von Business Insider mitteilt. Bestandsverträge seien bisher noch nicht gekündigt worden. „Läuft ein Vertrag aus, bieten wir eine Verlängerung an, oder der Vertrag verlängert sich auf der Grundlage der Vertragsbedingungen automatisch um einen vertraglich vereinbarten Zeitraum, immer mit den entsprechenden gesetzlichen Kündigungsrechten“, heißt es vom Unternehmen. Im Gegensatz zu vielen anderen Anbietern nutze Eprimo weiterhin die Vergleichsportale als Vertriebskanäle. Aktuell erlebe man an den Beschaffungsmärkten „ein nochmals höheres Niveau als ohnehin schon im Jahresverlauf zu sehen war“.

Und dann wären da noch Grundversorger, in deren Obhut ihr gelangt, wenn ihr partout keinen anderen Anbieter findet, der euch aufnehmen will. Interessanterweise sind die hier angebotenen Tarife aktuell oftmals die günstigsten, die man finden kann. Eine total verkehrte Welt. Denn seit der Liberalisierung des Gasmarkts hat es die Empfehlung an uns Verbraucherinnen und Verbraucher gegeben: Bloß weg vom Grundversorger, um Geld zu sparen!

Die Stadtwerke München (SWM) sagen Business Insider auf Nachfrage, dass sie weiterhin Neukundinnen und Kunden aufnähmen, allerdings nur in grundversorgten Gebieten. Bei Grundversorgungstarifen mache man keinen Unterschied zwischen Neu- und Bestandskunden. Allerdings würden Produktangebote, also etwa Laufzeitverträge, „laufend den Preisentwicklungen angepasst“, was aktuell in vielen Fällen einer Erhöhung gleichkommen dürfte. Bestandsverträge habe man bisher keine kündigen müssen, und aus den Vergleichsportalen habe man sich „aufgrund der aktuellen Marktsituation“ auslisten lassen. Die SWM geht zudem davon aus, dass die Endkundenpreise für Energie „weiter steigen werden“. Bis auf Weiteres sei keine Entspannung auf den Energiemärkten zu erwarten, heißt es. Konkrete Aussagen zur Preisentwicklung und zu Erhöhungszeitpunkten könne man allerdings nicht machen.

„Wir werden auch in Zukunft nicht kündigen“

Auch in Berlin gibt es mittlerweile wieder die gleichen Tarifkonditionen für private Verbraucherinnen und Verbraucher. „Die Preisspaltung zwischen Neu- und Bestandskunden im Grundversorgungstarif galt nur zwischen Dezember 2021 und April 2022“, sagt das Unternehmen Gasag auf Nachfrage. Diese war seinerzeit öffentlich kritisiert worden, „weil wir Zehntausende Verbraucher in die Grundversorgung aufnehmen mussten“, heißt es von der Gasag. Bisher seien zudem keine Verträge mit Haushaltskunden gekündigt worden. „Und wir werden das auch in Zukunft nicht.“ Allerdings habe man sich, wie viele andere Anbieter auch, aus den Datenbanken der Vergleichsportale auslisten lassen. Die Planung der Energiebeschaffung sei zur Zeit „deutlich risikobehafteter“. Hier versuche man, „mit unserer soliden und langfristig geplanten Einkaufsstrategie entgegenzuwirken“. Eine Entwarnung möchte man auch hier nicht geben: „Wir gehen aber davon aus, dass uns die volatilen Preise auf sehr hohem Niveau den Winter über begleiten werden.“

Wie lange kann das ganze Chaos noch dauern? Zumindest einen kleinen Lichtblick gewährt Marcus Drost von Verivox: „Die aktuelle Situation sehen wir als temporären, externen Schock“, sagt er: „Wenn die akute Krise vorbei ist, wird der Wettbewerb zurückkommen, und es wird wieder mehr und bessere Gas- und Stromangebote für Verbraucherinnen und Verbraucher geben – wenngleich das Preisniveau für Energie unserer Einschätzung nach höher ausfallen wird als vor der Krise.“