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Das teuerste Medikament der Welt steht vor der Zulassung in Europa

In den USA ist Zolgensma schon länger verfügbar, nun will Novartis die Gentherapie auch nach Europa bringen. Doch es wird wohl einen Unterschied zum US-Markt geben.

Der einjährige Michael schläft, während er eine Injektion mit dem Genpräparat Zolgensma gegen spinale Muskelatrophie bekommt. Foto: dpa
Der einjährige Michael schläft, während er eine Injektion mit dem Genpräparat Zolgensma gegen spinale Muskelatrophie bekommt. Foto: dpa

Die viel diskutierte Gentherapie Zolgensma vom Pharmakonzern Novartis wird voraussichtlich noch in diesem Monat in Europa zugelassen werden. Die einmalige Spritze für Babys und Kleinkinder wird gegen die Erbkrankheit Spinale Muskelatrophie (SMA) eingesetzt, eine Muskelschwäche, die in ihrer schlimmsten Form zum Tode führen kann.

Zolgensma ist in der Lage, das fehlende Gen zu ersetzen, damit das lebensnotwendige SMN-Protein, das für den Muskelaufbau im gesamten Körper notwendig ist, wieder produziert werden kann. Zolgensma hat als das bisher teuerste zugelassene Medikament weltweit für Aufsehen gesorgt. Die Injektion wird in den USA für 2,1 Millionen Dollar verkauft, umgerechnet 1,9 Millionen Euro. Dort ist Zolgensma bereits seit Mai 2019 zugelassen.

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Bei der Anwendung der Therapie in Europa gibt es allerdings einen wichtigen Unterschied zu den USA: Zolgensma darf in den Vereinigten Staaten laut Zulassungsbehörde FDA nur Kindern bis zum Alter von zwei Jahren gegeben werden.

In Europa hat das Komitee der Europäischen Arzneimittelagentur, das Ende März die Empfehlung zur Zulassung gab, keine explizite Altersbegrenzung gemacht, sondern spricht nur von der Abgabe an Babys und Kleinkinder. Normalerweise wird der Empfehlung dieses Komitees innerhalb von rund zwei Monaten gefolgt.

Novartis wird in seiner Fachinformation für die Ärzte einen Einsatz bei Kindern bis zu einem Gewicht von 21 Kilogramm angeben. Das sagte Dave Lennon, Präsident der Novartis-Tochter Avexis, die das Mittel entwickelt hat, dem Handelsblatt.

„Die zugelassenen Packungsgrößen bei unserer Produkteinführung sehen gemäß Fachinformation einen Gewichtsbereich von 2,6 bis 21 Kilogramm vor“, so Lennon. Das schließt Kinder bis zu einem Alter von etwa fünf Jahren und vielleicht auch noch etwas ältere ein.

Dabei gibt es bisher noch keine Erhebungen über den Einsatz von Zolgensma bei älteren und schwereren Kindern. „Es gibt zu Zolgensma bisher nur Studien über den Einsatz bei Patienten bis zum Alter von sechs Monaten. Und seit der Zulassung in den USA noch Erfahrungen mit bis zu zweijährigen Kindern“, sagt Janbernd Kirschner, Leiter der Neuropädiatrie am Universitätsklinikum Bonn.

„Da es bei älteren Patienten nur sehr begrenzte oder gar keine Erfahrungen gibt, sollte der Einsatz von Zolgensma in dieser Gruppe, wenn überhaupt, nur nach individueller Nutzen-Risiko Abwägung unter sehr kontrollierten Bedingungen geschehen“, sagt der Mediziner.

Dabei müsste auch berücksichtigt werden, dass es für SMA-Patienten mit Spinraza eine zugelassene Therapiealternative gibt, mit der man bereits mehr Erfahrungen sammeln konnte, so Kirschner weiter. Spinraza von der US-Firma Biogen ist seit 2017 für die Behandlung der Spinalen Muskelatrophie zugelassen, muss den Patienten allerdings lebenslang alle paar Monate ins Rückenmark injiziert werden.

500 Kinder behandelt

Als einmalig zu verabreichende intravenöse Spritze ist Zolgensma einfacher zu verabreichen. Allerdings müsse man bei der Gabe des Mittels auch bedenken, dass die Therapie nach bisherigem Kenntnistand auch nur einmalig möglich sei, so Mediziner Kirschner. Denn der Patient entwickelt Antikörper gegen das Virus, das die Therapie transportiert.

Novartis hat bislang rund 500 Kinder weltweit mit der Therapie behandelt – die klinischen Studien miteingerechnet. Nach Angaben von Avexis-Chef Lennon sei aus der Perspektive der Patienten und auch der Ärzte die Erfahrung mit Zolgensma überwältigend positiv.

Welche Umsatzerwartungen der Konzern mit dem Mittel hat, gibt Novartis nicht bekannt. Allerdings dürfte ein Milliardenumsatz schnell erreicht werden: Seit der Einführung in den USA im vergangenen Juni hat Novartis bis Ende März dort rund 531 Millionen Dollar Umsatz mit der Therapie erzielt.

Spinale Muskelatrophie ist die häufigste genetisch bedingte Todesursache bei Kleinkindern. Jedes Jahr werden in den USA, Europa und Japan geschätzt rund 1 100 Säuglinge mit SMA geboren.

60 Prozent davon mit der schwersten Form SMA 1, die unbehandelt innerhalb der ersten zwei Lebensjahre in mehr als 90 Prozent der Fälle zum Tod oder zur Notwendigkeit einer dauerhaften Beatmung führt. In Deutschland wird die Zahl der Neugeborenen mit SMA 1 pro Jahr auf etwa 50 geschätzt.

Seit die Therapie in den USA zugelassen war, hatten verschiedene Eltern von Kindern mit SMA 1 in Deutschland versucht, das Mittel über eine Ausnahmegenehmigung zu importieren und von der Krankenkasse erstatten zu lassen. Entsprechende Medienkampagnen hatten ein bundesweites Echo erzielt.

Mit Blick auf die Zulassung in Deutschland hat die Novartis-Tochter Avexis bereits mit ersten Krankenkassen Erstattungsverträge geschlossen: mit der GWQ ServicePlus AG, ein Dienstleistungsunternehmen der Betriebskrankenkassen und dem Verband der Privaten Krankenversicherung.

Bei diesem erfolgsorientieren Erstattungsmodell werden verschiedene patientenrelevante Parameter festgelegt, die mit der Behandlung erreicht werden sollen. Geschieht das nicht, muss Avexis gestaffelt Teile der Arzneimittelkosten zurückzahlen. Im Todesfall des Patienten auch die ganze Summe.

„Neuartige Therapien erfordern neue Erstattungsmodelle. Sogenannte outcome-basierte Verträge, die sich am Behandlungserfolg orientieren, können ein Beispiel dafür sein“, sagt Avexis-Deutschlandchefin Andrea Hofmaier.

Die Kritik an den hohen Kosten der Therapie bleibt dennoch bestehen. „Es ist problematisch, dass sich der Preis der Therapie eher danach richtet, was der Markt hergibt als an den Entwicklungskosten“, sagt Klaus Schwersenz, Gründer der deutschen SMA Initiative.

Bei dem europäischen Pendant, der SMA Europa wiederum ist man besorgt, dass die Preiserwartung des Herstellers einen breiten Einsatz dieser bahnbrechenden Therapie in Europa und darüber hinaus verhindern könnte.

SMA Europa hatte übrigens grundlegende Forschungen der Wissenschaftlerin Martine Barkats zur einer injizierbaren SMA-Gentherapie finanziert, Avexis sicherte sich dann die Nutzung der patentierten Vektortherapie. Novartis wiederum kaufte die Firma Avexis 2018 für 8,7 Milliarden Dollar. Zolgensma, das damals noch unter dem Namen AVXS-101 firmierte, war der am weitesten entwickelte Medikamentenkandidat.

Hohe Behandlungskosten

Novartis verweist beim Thema Kosten drauf, dass ein Gesundheitssystem bisher die Kosten für ein an SMA erkranktes Kind zwischen 2,5 und vier Millionen Euro in den ersten zehn Lebensjahren beziffert.

„Wir können eine Einmaltherapie nicht mit kontinuierlich zu gebenden Medikamenten vergleichen“, sagt Avexis-Deutschlandchefin Andrea Hofmaier. „Wenn wir beispielsweise die Behandlungskosten einer SMA-Therapie über fünf, zehn oder 15 Jahre betrachten, können wir mittel- und langfristig Kosteneinsparungen im Vergleich zu vorhandenen Therapien zeigen.“ Auch die Behandlung mit Spinraza summiert sich auf mehrere Hunderttausend Euro pro Jahr und Patient.

Novartis erwartet nach der Zulassung in Europa in den nächsten Monaten weitere in Ländern wie der Schweiz, Kanada, Australien, Argentinien, Südkorea und Brasilien. In Japan wurde das Mittel bereits im März zugelassen. „Wir wollen die Therapie weltweit möglichst breit anbieten“, sagt Avexis-Chef Lennon: „Wir hoffen, dass Zolgensma die weltweit führende SMA-Therapie wird.“

Dafür soll auch die Produktion weiter ausgebaut werden: Zum aktuellen Zeitpunkt ist nur ein Werk in der Nähe von Chicago für die Produktion von Zolgensma lizenziert. Zwei weitere Anlagen in Colorado und North Carolina sollen noch in diesem Jahr aufgebaut werden und in den Testbetrieb gehen.

Im nächsten Jahr sollen sie dann in Betrieb genommen werden. Zudem hat Avexis eine langfristige Produktionsvereinbarung mit einer externen Firma, Catalent Biologics in New Jersey, geschlossen.