Werbung
Deutsche Märkte schließen in 1 Stunde 28 Minute
  • DAX

    18.125,17
    +207,89 (+1,16%)
     
  • Euro Stoxx 50

    5.000,87
    +61,86 (+1,25%)
     
  • Dow Jones 30

    38.255,96
    +170,16 (+0,45%)
     
  • Gold

    2.351,30
    +8,80 (+0,38%)
     
  • EUR/USD

    1,0712
    -0,0021 (-0,19%)
     
  • Bitcoin EUR

    60.240,16
    +999,38 (+1,69%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.331,48
    -65,06 (-4,66%)
     
  • Öl (Brent)

    83,98
    +0,41 (+0,49%)
     
  • MDAX

    26.168,81
    +125,63 (+0,48%)
     
  • TecDAX

    3.312,63
    +45,87 (+1,40%)
     
  • SDAX

    14.264,33
    +268,56 (+1,92%)
     
  • Nikkei 225

    37.934,76
    +306,28 (+0,81%)
     
  • FTSE 100

    8.131,41
    +52,55 (+0,65%)
     
  • CAC 40

    8.091,33
    +74,68 (+0,93%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.880,75
    +268,99 (+1,72%)
     

Streit um Ladesäulen: Pläne der Bundesregierung stoßen auf Kritik

Die Große Koalition fordert eine Million Ladepunkte bis 2030. Die Anbieter der Ladeinfrastruktur halten das für unrealistisch – und verlangen mehr Förderung.

Ladesäulenanbieter sehen in dem Plan der Bundesregierung den falschen Anreiz.  Foto: dpa
Ladesäulenanbieter sehen in dem Plan der Bundesregierung den falschen Anreiz. Foto: dpa

Für ihr Klimapaket musste die Bundesregierung viel Kritik einstecken. Die Maßnahmen seien viel zu zögerlich, schimpften Klimaschützer. In einem Punkt setzte die Große Koalition aber ein ambitioniertes Ziel: Bis 2030 sollen für Elektroautos in Deutschland eine Million öffentlich zugängliche Ladepunkte zur Verfügung stehen. Das soll der Elektromobilität endlich zum Durchbruch verhelfen.

Bei Autokonzernen gibt es dafür Beifall. Bei den Unternehmen, die die Ladesäulen bauen sollen, stößt aber auch dieser Plan auf heftige Kritik: „Das ist unrealistisch und unnötig“, hält Eon-Chef Johannes Teyssen fest – und trifft damit auf breite Unterstützung. Die Energiebranche hält das Ziel für überzogen und fordert massive Förderung, um überhaupt im nennenswerten Umfang Ladesäulen zu installieren. Der Grund ist simpel: Das Geschäft lohnt sich für die Betreiber aktuell nur an ganz wenigen Standorten.

WERBUNG

„Wir gehen davon aus, dass 80 Prozent der Ladevorgänge zu Hause und am Arbeitsplatz passieren“, sagt Christopher Burghardt, Europachef des amerikanischen Ladesäulenanbieters Chargepoint. Die von der Regierung vorgegebene Zahl von einer Million hält er für viel zu hoch. „Öffentliche Ladesäulen sind für uns eher psychologisch, als dass wir glauben, dass dort der größte Teil des Stroms fließen wird“, ist der Manager überzeugt.

Tatsächlich ist das Ziel der Bundesregierung mehr als anspruchsvoll: Derzeit gibt es laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in ganz Deutschland kaum mehr als 20.700 öffentliche Ladepunkte. Das sind zwar gut 50 Prozent mehr als noch vor einem Jahr, aber das ist weit von einer flächendeckenden Versorgung entfernt.

Allerdings sehen Experten die öffentliche Ladestruktur dabei in einem Tempo mit dem aktuellen Markthochlauf der Elektroautos. Die Zahl der reinen E-Autos wuchs laut Kraftfahrtbundesamt im ersten Halbjahr 2019 zwar um 80 Prozent, damit rollen insgesamt trotzdem gerade einmal 31.000 Stromer auf deutschen Straßen.

In zehn Jahren soll die Zahl der strombetriebenen Fahrzeuge laut den Plänen der Bundesregierung auf bis zu zehn Millionen ansteigen. Das bezweifeln aber die Ladeanbieter – und auch wenn das gelingen sollte, halten sie das Ziel von einer Million Ladesäulen für übertrieben.

„Technisch gesehen ist das machbar. Wirtschaftlich ist das aber nicht“, sagt Mathias Wiecher, der bei Eon das Geschäft mit der Elektromobilität leitet: „Das ist eine leicht einprägsame Zahl, die aber unrealistisch ist.“

Eine Ladesäule müsse mindestens zwei bis vier Stunden unter Volllast genutzt werden, um überhaupt die Betriebskosten und eine angemessene Verzinsung einzuspielen, erläutert der Eon-Manager. Aktuell sei das nur an einzelnen Standorten entlang der Autobahnen, in der Nähe von Berlin und München der Fall. In der Regel werden die öffentlichen Ladesäulen aber kaum genutzt. „Selbst wenn es dann - wie erhofft - zehn Millionen Elektrofahrzeuge geben sollte, lassen sich eine Million Ladesäulen nicht wirtschaftlich betreiben“, glaubt Wiecher.

Die Kosten stehen schlicht in keinem Verhältnis zur erwarteten Nutzung. Für eine normale Ladesäule mit 20 Kilowatt (kW) Leistung beginnen die Kosten – inklusive Installation und Netzanschluss – bei rund 5.000 Euro. Bei einer Schnellladesäule mit 50 kW sind es schon 40.000 Euro. Bei einer Ultraschnellladesäule mit 150 bis 175 kW liegen die Kosten bei 100.000 bis 120.000 Euro.

Die Krux beim Aufbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur: Es ist eine so flächendeckende Infrastruktur gewünscht, dass Elektroautofahrer immer Zugang zu einem freien Ladepunkt haben. Wenn das gewährleistet ist, sind die Ladesäulen aber zu schlecht ausgelastet, als dass sie sich rechnen können. Hochgerechnet müssten bei einer Million öffentlicher Ladesäulen wohl 30 Millionen Elektroautos auf der Straße sein.

„Von sich aus werden die Marktteilnehmer das nicht machen können“, sagt Wiecher: „Das ist nur mit einer attraktiven Förderung möglich.“

Alle Tankstellen sollen auch Ladepunkte anbieten

Das sieht zwar auch die Bundesregierung so. Im Klimapaket ist ausdrücklich eine Förderung mit „entsprechenden Programmen bis 2025“ vorgesehen.

Die Bundesregierung kündigt aber auch „ordnungsrechtliche Maßnahmen“ an. Unter anderem plant sie „eine Versorgungsauflage“, „dass an allen Tankstellen in Deutschland auch Ladepunkte angeboten werden“. Es werde geprüft, „ob die Errichtung von Schnellladesäulen als Dekarbonisierungsmaßnahme der Mineralölwirtschaft behandelt werden kann“.

Die Branche sieht aber einfach auch nicht die Notwendigkeit für das „Eine-Million-Ladesäulenprogramm“. „Wer nach dem Motto ,viel hilft viel' eine Millionen Ladepunkte und mehr fordert, verkennt die Realität“, monierte BDEW-Chef Stefan Kapferer. 75 Prozent der öffentlichen Ladepunkte werden aktuell durch die Energiewirtschaft betrieben.

Der BDEW geht davon aus, dass 350.000 öffentliche Ladepunkte ausreichen, um die bis 2030 angepeilten zehn Millionen E-Autos in Deutschland zu versorgen. Auch der Verband unterstellt dabei, dass nur 20 Prozent der Ladevorgänge an öffentlichen Ladepunkten stattfinden, 80 Prozent dagegen am Arbeitsplatz oder in der heimischen Garage.

Viel wichtiger sei es, die Infrastruktur dort aufzubauen, wo die Autos am Ende auch geparkt werden, sagt Chargepoint-Manager Burghardt, also in Parkhäusern, Tiefgaragen unter Mietshäusern oder Eigenheimen. „Hier sollte die Regierung einen schnelleren Ausbau ermöglichen, nicht im öffentlichen Bereich“, fordert Burghardt.

Vor allem braucht es nach seinen Worten jetzt eine schnellere Änderung im Miet- und Wohnungsrecht. Bisher kann in einer Wohnungseigentümergemeinschaft ein Eigentümer nur dann eine Ladesäule aufstellen, wenn alle anderen Eigentümer dieser Gemeinschaft einwilligen. Zudem kann in einer Mietimmobilie der Vermieter den Bau einer Ladesäule verweigern. „Es muss das Recht auf einen Ladepunkt geben“, sagt der Chargepoint-Manager.

Zwar sieht die Regierung in ihrem Klimapaket vor, dass Vermieter durch das Mehrheitsprinzip dazu verpflichtet werden sollen, die Installation von Ladesäulen zu dulden, außerdem soll das Aufladen von E-Autos beim Arbeitnehmer steuerlich begünstigt werden. „Aber die entsprechenden Gesetze müssen jetzt auch zügig umgesetzt werden“, merkt Burghardt an.

Eon-Manager Wiecher sieht aber auch beim öffentlichen Netz den Bund in der Pflicht, den Ausbau zu koordinieren. „Es geht auch darum, das Netz intelligent aufzubauen“, sagt Wiecher. Natürlich müsse erstmal ein Grundnetz geschaffen werden an den Autobahnen, den Bundesstraßen und den Speckgürteln.

Mit steigender Zahl an Elektroautos müsse dass dann ausgebaut werden, vor allem auch kostensparend mit zusätzlichen Anschlüssen an den gleichen Standorten. „Sinnvoll wären zum Beispiel Charging Hubs, zentrale Punkte mit vielen Ladepunkten. Dadurch lassen sich die Kosten drücken.“

Bis zum Jahresende will die Regierung einen Masterplan zur Ladeinfrastruktur vorlegen. Eigentlich sollten 2020 schon eine Million Elektroautos über deutsche Straßen rollen. Bis dahin ist es allerdings ein weiter Weg. Noch sind viele Verbraucher skeptisch. 40 Prozent glauben laut einer BDEW-Umfrage, dass es länger als zehn Jahre dauern wird, bis Elektroautos in Deutschland zum ganz normalen Straßenbild gehören.