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Social Startup Share: So wollen die Gründer endlich profitabel werden

Ben Unterkofler hat 2017 das Impact-Startup Share mitgegründet. Im Handel haben sich ihre Snacks und Pflegeprodukte, die an Hilfsprojekte spenden, fest etabliert.  - Copyright: Share, Collage: Dominik Schmitt
Ben Unterkofler hat 2017 das Impact-Startup Share mitgegründet. Im Handel haben sich ihre Snacks und Pflegeprodukte, die an Hilfsprojekte spenden, fest etabliert. - Copyright: Share, Collage: Dominik Schmitt

Spenden ist egoistisch, findet Ben Unterkofler. „Man tut das, um sich besser zu fühlen.“ Trotzdem ist er überzeugt, dass Egoismus nicht unbedingt schlecht sein muss. Vor rund sieben Jahren hat der 33-Jährige mit Sebastian Stricker das Startup Share in Berlin gegründet, das genau diese menschliche „Schwäche“ nutzt, um Gutes zu bewirken. Das Prinzip ist simpel: Kunden kaufen ein Share-Produkt, sei es ein Müsliriegel oder ein Duschgel, und spenden dadurch etwa eine Mahlzeit oder ein Hygieneprodukt an Menschen in Armut. „1+1“, nennt sich das. Pro verkauftem Artikel gibt das Startup einen Anteil zwischen acht und zehn Cent an soziale Projekt ab. Ein QR-Code offenbart, an welches Projekt das Geld fließt – quasi in Echtzeit. Einfacher kann man es den Menschen kaum machen.

Und das ist wichtig: „Der Langzeittrend zeigt, dass immer weniger Menschen bereit sind, Geld zu spenden“, sagt der Gründer. Laut „Bilanz des Helfens“, die der Deutsche Spendenrat herausgibt, haben im vergangenen Jahr rund 17 Millionen Deutsche mindestens einmal gespendet – etwa 1,7 Millionen weniger als 2022. Zuvor hatten die Flutkatastrophe im Ahrtal und der Beginn des Ukraine-Kriegs dazu geführt, dass die Spenden-Bereitschaft gestiegen war. Dabei fällt auf, dass in der Gesamt-Statistik nach der Ukraine-Nothilfe (rund eine Milliarde Euro) das meiste Geld für Opfer des Tsunamis in Südostasien im Jahr 2004 gespendet wurde (670 Millionen Euro). Damals spendete noch jeder vierte Deutsche.

Gleichzeitig beobachtet Unterkofler Unterschiede zwischen den Generationen. Generell würden mehr ältere Menschen Geld spenden. Zudem gebe die Generation Z weniger an Bedürftige ab als es in ihrem Alter die Millennials getan hätten, so der Gründer. Er vermutet: „Es ist eine Kombination aus Überforderung, großen Problemen in der Welt und eigenen Sorgen, sodass Leute eher Ich-fokussiert sind.“ Wenn Hilfsorganisationen dann noch versuchten, im TV mit schockierenden Bildern von unterernährten Kindern Leute zum Spenden zu ermuntern, wirke das nicht nur aus der Zeit gefallen: „Durch die sozialen Medien bist du so überdrüssig von den ganzen Bildern, die Leid zeigen“, meint Unterkofler.

Share verkaufte zeitweise mehr als 140 verschiedene Artikel

Share wählt deswegen einen anderen Ansatz: Statt auf drastische Weise Mitleid zu erzeugen, spielt das Startup mit bunten Farben, cleanen Verpackungen und verbindet Konsum mit sozialem Engagement. Inzwischen erstreckt sich das Produkt-Sortiment der Marke von Snack-Artikeln wie Studentenfutter, Faitrade-Schokolade und Mineralwasser über Seifen und Shampoos bis hin zu Textmarkern und Notizblöcken. Zeitweise hat das Startup über 140 verschiedene Artikel verkauft. Der Gründer spricht davon, durch Share eine neue Gattungsmarke für „Sozial“ schaffen zu wollen. „So wie Alnatura für Bio“. Deswegen bietet das Startup seine Produkte seit Beginn über den Einzelhandel an, vor allem in Filialen von Rewe und der Drogeriemarktkette dm. An insgesamt 5.000 Verkaufsstellen startete die Marke 2018 mit Müsliriegeln, Wasserflaschen und Seifen.

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„Das war eine Hausnummer. Wir sind von Null auf 100 gegangen“, betont Unterkofler. Für das Unternehmen sei das ein notweniger Schritt gewesen, um die Bekanntheit der Marke zu steigern. „Wir haben unfassbar viel Rewe und dm zu verdanken“, sagt der Gründer. Ihnen blieben damals genau 45 Minuten, um Rewe-Chef Lionel Souque und Sebastian Bayer von dm zu überzeugen. „Hätten beide nicht sofort ‚Ja‘ gesagt, dann hätten wir das so nicht geschafft,“ sagt Unterkofler.

Gerade im Food-Bereich ist die Konkurrenz angesichts starker, günstiger Handelsmarken hoch – viel Marge bleibt da nicht, zumal, wenn ein Centbetrag gespendet wird. Dass sich Share dennoch mit wettbewerbsfähigen Preisen etablieren konnte – ein Nussriegel kostet etwa 1,55 Euro – führt der Gründer auf einen „Baby-Bonus“ zurück. Ihnen sei Zeit gewährt worden, Dinge auszuprobieren und zu wachsen. Laut Unterkofler besitzt Share heute eine Markenbekanntheit von über 55 Prozent. Grund dafür seien ihm zufolge nicht große Marketingbudgets, sondern eine große Distribution. Im Handel ist das Startup mittlerweile auch bei Rossmann, Müller, Kaufland und Ikea vertreten. Zudem bestehen Kooperationen mit der Deutschen Bahn und Lufthansa. Insgesamt hat Share eigenen Angaben zufolge bisher 186 Millionen Produkte verkauft.

Statt nur Food und Pflege: Share will in andere Industrien expandieren

Nicht alle davon waren allerdings ein Erfolg. Im vergangenen Jahr hat das Startup sein Sortiment daher stark ausgedünnt und etwa auf die Hälfte, rund 70 Artikel, komprimiert. Lebensmittel wie Mehl, Nudeln, Reis, Brot und Haferdrinkpulver zum Anmischen flogen raus. Die Begründung: „Die Produkte sind zu weit weg von einem emotionalen Kauf, deswegen funktionieren sie nicht.“ Gleichzeitig geht Share dazu über, bestimmte Kategorien zu „auslizenzieren“. Zum Beispiel übernimmt der deutsche Stiftehersteller Edding fortan die Produktion und Entwicklung der Schreibwaren für Share. „Es ist illusorisch, Experte in vielen Dingen zu sein“, sagt Unterkofler. Einen Teil der Produkte lässt das Startup trotzdem weiterhin inhouse bei Lohnherstellern produzieren, von denen der Großteil in Deutschland Österreich, Italien und der Schweiz sitzt.

Auch legt das Berliner Unternehmen seinen Fokus künftig nicht mehr nur auf Konsumgüter. Stattdessen geht Share gezielt in andere Industrien wie den Mobilfunk- und Finanz-Bereich, bietet mit der Telekom-Tochter Congstar etwa einen „Tut Gutes“-Handytarif an und kooperiert mit der ING Bank bei einem Girokonto, das an soziale oder ökologische Projekte spendet. „Wir merken, dass es gut funktioniert, wenn Share die soziale Komponente von anderen Marken wird“, so Unterkofler. Wohl auch, um sich an ESG-Kriterien zu orientieren, bestünde auf Seiten von Firmenkunden ein hohes Interesse, mit dem Startup zu kooperieren.

Für die sozialen Projekte arbeitet das Startup heute mit über 18 verschiedenen NGOs zusammen, darunter die Tafel, Welthungerhilfe, Aktion gegen den Hunger, Caritas und das UN World Food Programme. Ein eigenes Impact-Team würde gemeinsam mit den Hilfsorganisationen entscheiden, welche Projekte unterstützt werden. Diese reichen von Schulmahlzeiten in Indien, Unterrichtsstunden für Kinder in Uganda und Brunnenreparaturen in Kenia bis zu lokalen Programmen wie der Lebensmittelverteilung und Jugendsport in Deutschland.

Gründer überzeugt: Konsum lässt sich nicht stoppen

Fast 55 Millionen Mahlzeiten verteilt. Mehr als vier Millionen Unterrichtsstunden ermöglicht. Trotz vieler guter Taten, die Share explizit auf seiner Website hervorhebt, will manch einer in dem Ansatz, Spenden durch Konsum zu sammeln, auch einen Widerspruch erkennen. Befördert das Kaufverhalten der Menschen im globalen Norden nicht gerade die Armut im globalen Süden? Werden Marktstrukturen bei dem Startup zu wenig hinterfragt? Unterkofler sieht das anders. Er glaubt, dass sich Konsum nicht aufhalten lässt. „60 Prozent der Welt fängt gerade erst an zu konsumieren“, betont Unterkofler.

Diese Erkenntnis habe den 33-Jährigen bei einer Fahrt im Jahr 2018 durch westafrikanische Slumgebiete in Liberia ereilt, als der Gründer auf dem Weg zu einem Brunnenprojekt war. „Ich saß im Jeep, an mir zogen typische Wellblechhäuser vorbei“, erzählt er. „Bei mir war eine Frau der NGO, die zu mir sagte: ‚So wohnt die Mehrheit der Welt‘“. Ihn habe das schockiert. „Viele der Bewohner leisten sich zum ersten Mal einen Gaskocher, einen Motoroller oder ein günstiges Smartphone. Du kannst denen nicht sagen: Hört auf zu konsumieren, weil wir es damit ein bisschen übertrieben haben. Das ist absoluter Bullshit“, sagt Unterkofler.

Die Degrowth-Bewegung, Wirtschaft zu relokalisieren und Konsum und Wachstum zu begrenzen, lehnt er deswegen ab, hält die Ansichten für „privilegiert“. „Ich glaube, dass der Kapitalismus ein besseres System sein kann, wenn es einen Mehrwert für die Gesellschaft bietet,“ so seine Überzeugung. Dass Unternehmen mehr Verantwortung übernehmen, gleichzeitig aber Umsätze generieren – „das ist die Zukunft“, glaubt Unterkofler. „Seien es 100 Prozent recyclefähige Plastikflaschen, Zahnbürsten aus Bambus, die schnell nachwachsen oder ein Riegel, der spendet.“

Atlantic Food Labs und Decathlon-Familie investieren in Share

Die große Wette von Share sei es, am Ende dieselbe Rendite wie andere zu haben, betont der Gründer. Bisher nähert sich das Startup diesem Ziel langsam. Im vergangenen Jahr habe Share einen Umsatz im mittleren zweistelligen Bereich erwirtschaftet. In diesem Jahr soll nun die Schwelle zur Profitabilität überschritten werden. Dafür mussten 2023 allerdings nicht nur Produkte, sondern auch eine zweistellige Zahl von Mitarbeitern gehen. 70 Leute gehören heute noch zum Team. Unterkofler zufolge sehe es nun gut aus, den Weg dorthin beschreibt er aber als „Sisyphusarbeit“.

Zuvor holte sich das Startup mehrfach Risikokapital bei Investoren. Wie viel genau, sagen die Gründer nicht. Entgegen den gängigen Vorurteilen, soziale Startups hätten es beim Fundraising schwieriger, erweckt der Gesellschafterkreis von Share ein anderes Bild. Neben Christophe Maires Fonds Atlantic Food Labs beteiligen sich heute mitunter die nachhaltig orientierte Investmentfirma Creadev der Decathlon-Familie Mulliez, Bitburger Ventures und der Investmentarm des Getränkearoma-Herstellers Döhler. Sie hat der Pitch, Sozial als das neue Bio, überzeugt. „Unser Cap Table besteht mittlerweile hauptsächlich aus Familien. Das sind nicht die klassischen Short VCs. Das Interesse war dar, in etwas Nachhaltiges zu investieren“, sagt der Gründer.