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So kämpft die Ökomarke Frosch für die Kreislaufwirtschaft

Mit der radikalen Umstellung auf Recyclingkunststoff senkt das Unternehmen die CO2-Emissionen. Doch die Coronakrise gefährdet die bisherigen Erfolge.

Zuweilen reagiert Reinhard Schneider fast genervt auf die Frage, was der Anstoß für sein Klimaschutz-Engagement war. „Ich höre oft die Frage, was war das für ein singuläres Ereignis, das Sie dazu gebracht hat, sich so für Nachhaltigkeit zu engagieren?“, erzählt der Inhaber des Familienunternehmens Werner & Mertz. „Ich finde es immer schade, dass die Leute glauben, man müsse dafür ein Erleuchtungserlebnis gehabt haben oder es müsse einem ein Ziegelstein auf den Kopf gefallen sein.“

Für Schneider ist es Bestandteil seines unternehmerischen Wirkens, die Nachhaltigkeit zum zentralen Ziel zu machen. „Ich fand es schon immer faszinierend, das Erfolgreiche mit dem Sinnhaften zu verbinden“, sagt er. Die Schnittmenge zwischen Ökologie und Ökonomie könne „die Erhaltung unserer Ressourcen“ sein.

Und mit dieser Einstellung ist er durchaus erfolgreich. So konnte er im Jahr 2019 den Umsatz des Unternehmens um 11,5 Prozent auf 455 Millionen Euro steigern. Mit seiner wichtigsten Marke Frosch ist er im Putzmittel-Segment in vielen Kategorien Marktführer – deutlich vor viel kapitalkräftigeren Konzernen wie Henkel oder Procter & Gamble. „Die Marke Frosch wird auch im Jahr 2020 mehr als 20 Prozent wachsen, das ist deutlich mehr als der Markt“, sagt Schneider.

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Was Werner & Mertz von vielen klassischen Öko-Unternehmen unterscheidet? Schneider predigt nicht die Enthaltsamkeit, um den Planeten zu retten. Er wolle nicht „in eine Verzichtsdebatte einsteigen“, sagt er, „bei der man viele Menschen verliert, weil sie nicht in vorindustrielles Verhalten zurückgedrängt werden wollen.“ Man müsse sich einrichten auf eine Vorgehensweise, die man auch einhalten kann.

Das scheint genau das Erfolgsgeheimnis des Unternehmens zu sein, das neben den Frosch-Produkten auch für seine Schuhpflegemittel unter der Marke Erdal bekannt ist. „Werner & Mertz waren mit der Marke Frosch eine der Ersten, die einen ökologischen Ansatz auf Anhieb in die Breite gebracht haben, sie erreichen nicht nur die Überzeugungstäter, sondern den Mainstream“, lobt Holger Petersen, Professor für Nachhaltigkeitsmanagement an der Nordakademie in Elmshorn in Schleswig-Holstein. „Diese Pionierleistung ist bewundernswert, das haben viele versucht nachzumachen.“

Zuvor war es eher umständlich, ökologisch bewusst zu waschen oder zu putzen. Wer eine Alternative zu herkömmlichen Mitteln suchte, musste sie sich meist in einer Art Baukastensystem selbst zusammenmixen. Führend war da beispielsweise der Versandhändler Waschbär.

Den Kunden den Klimaschutz schmackhaft machen

Den meisten Konsumenten war das zu kompliziert, aber sie wollten trotzdem etwas für ihr gutes Gewissen tun. Und genau an diese Zielgruppe wendete sich Werner & Mertz mit der Marke Frosch. „Man muss den Kunden den Klimaschutz schmackhaft machen“, umschreibt es Unternehmer Schneider. Man könne den Menschen sagen: „Du musst nicht den Spaß abgeben an der Pforte zur Nachhaltigkeit.“

Das scheint auch wirtschaftlich zu funktionieren. Bei dem Unternehmen zeige sich „eine gute Symbiose aus Überzeugung und professionellem Marketing“, beobachtet der Nachhaltigkeitsexperte Petersen.

Bei den Konsumenten kommt das ganz offensichtlich an. In der aktuellen „Trusted Brands“-Studie von Reader’s Digest wird Frosch mit weitem Abstand als vertrauenswürdigste Marke beim Thema Umweltschutz genannt. Von 5000 Befragten nannten auf die Frage „Bitte nennen Sie uns spontan die Marke, der Sie beim Thema Umweltschutz am meisten vertrauen und die Sie Freunden oder Familie weiterempfehlen würden“ 572 die Marke Frosch. Alnatura auf Platz zwei kam gerade mal auf 91 Nennungen, auf dem dritten Platz lag Miele mit 49 Nennungen.

Das wichtigste Element in der Nachhaltigkeitsstrategie von Werner & Mertz sind jedoch nicht die Inhaltsstoffe der Putzmittel, es ist die Verpackung. Und da gibt es aus Sicht von Inhaber Schneider nur eine Lösung: eine konsequente Kreislaufwirtschaft, bei der letztlich kein Müll entsteht, weil alle Materialien wiederverwertet werden. „Das ist die große Chance, wie man den gewohnten Konsum beibehalten und gleichzeitig massiv die Ressourcen schonen kann“, hofft er.

Das ist seine große Mission, die der Unternehmer oft so demonstrativ vor sich herträgt, dass manche Wettbewerber schon genervt abwinken, wenn sie nur seinen Namen hören. Denn viele Konzerne tun sich schwer mit einer klaren Nachhaltigkeitsstrategie bei Plastik. Doch bei Schneider ist es nicht bei Worten geblieben. Sein Unternehmen hat gezeigt, dass es möglich ist, in dieser Frage in wenigen Jahren radikal umzusteuern.

So bestanden im Jahr 2009 noch 811 Tonnen der bei Werner & Mertz verwendeten Verpackungen aus Neukunststoff. Damit lag der Anteil an wiederverwertetem Material damals bei nicht mal 30 Prozent.

Nur zehn Jahre später hat sich die insgesamt verwendete Kunststoffmenge wegen des höheren Absatzes auf 5200 Tonnen zwar fast verfünffacht. Davon bestehen aber nur noch rund 200 Tonnen aus Neukunststoff, der Rest des Verpackungsmaterials ist aus Rezyklat gefertigt.

Als Bestätigung für diese Leistung bekam Schneider 2019 den Deutschen Umweltpreis verliehen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier betonte in seiner Laudatio, Schneider habe als Unternehmer „wahre Pionierleistungen erbracht“. Er habe gehandelt, bevor viele andere erst tätig wurden, und habe gezeigt, dass „umweltbewusstes und unternehmerisches Handeln kein Widerspruch sind“.

Der Inhaber ist die treibende Kraft

„Wir sind mehr als 100-mal kleiner als mancher US-Konkurrent, aber wir sind zugleich Weltrekordhalter bei der Menge der Verpackungen aus 100 Prozent Rezyklat“, sagt Unternehmer Schneider. Das zeige nicht nur, wie konsequent sein Unternehmen sei, sondern auch, wie inkonsequent andere. „Wir haben 430 Millionen Flaschen in Verkehr gebracht, das ist kein Laborversuch mehr“, betont er.

Dass gerade ein relativ kleines Unternehmen wie Werner & Mertz das so konsequent durchgezogen hat, nötigt Fachleuten durchaus Respekt ab. „Für kleinere Mittelständler ist es häufig nicht so einfach, Vorreiter im Klimaschutz zu sein“, erklärt Nachhaltigkeitsexperte Petersen. „Sie verfügen in der Regel über weniger Ressourcen und haben selten Experten auf diesem Gebiet in den eigenen Reihen“, beobachtet er.

Familienunternehmen hätten jedoch auch einen klaren Vorteil. „Wenn Mittelständler sich nachhaltig positionieren, geht das wie bei Werner & Mertz meist direkt vom Inhaber aus“, sagt Petersen. Es müsse auch vom Inhaber selbst getrieben werden, ansonsten sei es kaum möglich, ambitionierte Nachhaltigkeitsziele umzusetzen. Doch dann kann es eben auch sehr viel schneller gehen als in Großkonzernen mit vielen Hierarchieebenen und entsprechendem Abstimmungsbedarf.

„Es gibt schon Phasen, wo man auf den Prüfstand gestellt wird, zuweilen auch vom eigenen Controlling“, erinnert sich auch Schneider. „Denn am Anfang kostet so was natürlich mehr Geld.“ Man müsse deshalb einen längeren Planungshorizont mitbringen. „Das ist bei uns im Familienunternehmen sehr viel einfacher als in einem Großkonzern, bei dem einem am Ende jedes Quartals die Analysten im Nacken sitzen“, räumt der Unternehmer ein.

Dazu kommt: „In Konzernen mit mehreren Geschäftsfeldern kann das nachhaltige Engagement im Marketing auf einzelne Marken beschränkt sein, um im Gesamtportfolio möglichst viele mehr oder weniger nachhaltigkeitsaffine Kundengruppen zu erreichen“, so Petersen. Im Mittelstand dagegen finde eine solche Differenzierung häufig nicht statt. „Die Ausrichtung der Produktpolitik an Nachhaltigkeitszielen betrifft dann das gesamte Angebot des Unternehmens.“

Auch das kann das Tempo der Umsetzung erhöhen. „Wenn man das Thema Nachhaltigkeit im Gesamtzusammenhang sieht und nicht nur Einzelprojekte aufgreift, hat das einen großen Vorteil“, rät Petersen. „Denn die einzelnen Nachhaltigkeitsziele greifen ineinander und befördern sich oft gegenseitig.“

Sinkender Ölpreis macht Recycling unattraktiv

Doch auf der anderen Seite fehlt Werner & Mertz die kritische Größe, um die hundertprozentige Verwendung von Rezyklat als Standard im Markt durchzusetzen. Da ist der Mittelständler auf die Kooperation mit den Großkonzernen und der Politik angewiesen. „Wir müssen sehr viel Überzeugungsarbeit leisten, dass die tatsächliche Verwendung von Rezyklaten deutlich steigt“, sagt Inhaber Schneider. Dabei liegen die Vorteile auf der Hand: Recyclingkunststoff spart im Vergleich zu Neuware 50 Prozent der Treibhausgasemissionen.

Ziel ist etwas, das ganz selbstverständlich klingt, aber alles andere als die Regel ist: dass die im gelben Sack gesammelten Kunststoffe wirklich wieder zu neuen Putzmittelflaschen werden. Doch bisher werden nur 17 Prozent des gesammelten Plastikmülls zu Rezyklat verarbeitet. Und die Coronakrise lässt diese Quote weitersinken.

Der Grund ist der dramatisch gefallene Ölpreis. Aus Kostengründen verzichten deshalb viele Hersteller jetzt wieder auf Rezyklat und verwenden den preiswerteren Neukunststoff. „Der Markt kollabiert“, warnte vor Kurzem bereits Michael Wiener, Vorstandschef des Entsorgungsunternehmens Grüner Punkt. Dem Recycling drohe „eine Abwärtsspirale, die alle bisher erzielten Erfolge vernichten könnte“.

Genau diese Befürchtungen hat auch Werner- & -Mertz-Chef Schneider. „Dieses Jahr ist mehr recyclingfähiges Plastik in der Verbrennung gelandet als je zuvor. Es gibt da ein Marktversagen“, warnt er. Das führe in einen Teufelskreis, weil mit der sinkenden Nachfrage nach Rezyklat die Maschinenauslastung in den Aufbereitungsbetrieben sinkt und damit der Preis für Rezyklat steigt.

Seiner Ansicht nach kann diesen Teufelskreis nur die Politik zerschlagen. „Wir zeigen, dass man Verpackungen aus 100 Prozent Rezyklat herstellen kann, die der Laie nicht von einer herkömmlichen Verpackung aus Rohöl unterscheiden kann“, sagt er selbstbewusst. Es koste halt nur ein bisschen mehr.

„Da könnte die Politik mit gezielten Anreizen und einem Ausgleich die Verwendung von Rezyklat unterstützen“, so Schneider. „Bei Elektroautos gibt es ja auch eine Kaufprämie.“

Die Chance wäre groß, dass sich nach einer gewissen Anschubphase der Markt wieder erholen würde. Denn wenn eine hundertprozentige Verwendung von Rezyklat Standard würde, würden auch die Stückpreise unter die der herkömmlichen Verpackung sinken, prognostiziert Schneider.

Serie – Klimapioniere der Wirtschaft: Es gibt kaum einen Tag, an dem nicht ein neues Unternehmen auf der Welt seine frisch gesetzten Klimaziele und Ambitionen für die Energiewende erklärt. Dabei gibt es einige, die dem Trend der „Green Economy“ schon lange vorausgehen und seit vielen Jahren beweisen, dass Ökologie und Ökonomie kein Widerspruch sein müssen. In unserer Serie stellen wir ein paar dieser „Klimapioniere“ vor.