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„Wir werden im September weitere Schritte ergreifen“

Herr Breiteneder, die Stichting Volkswagen Car Claim fordert für inzwischen mehr als 100.000 vom Dieselgate-Skandal betroffene -Besitzer Schadensersatz. Auch nach dem US-Vergleich weigert sich der Konzern in Europa und in Deutschland Schadensersatz zu zahlen, weil das Recht nicht vergleichbar sei. Wie begründet die Stiftung den Anspruch auf Schadensersatz?
Zwar ist es richtig, dass sich die Rechtslage in den USA von jener in Europa unterscheidet, allerdings ändert dies nichts an der Tatsache, dass hinsichtlich der Emissionswerte der betroffenen Fahrzeuge falsche Angaben gemacht wurden. Ein konkreter Schaden besteht einerseits dann, wenn Fahrzeughalter nach den Umrüstungen von Volkswagen schlechtere Motorleistungen oder einen höheren Verbrauch in Kauf nehmen müssen. Selbst wenn Fahrzeughalter nach der Umrüstung keine Einbußen hinnehmen müssten, sind sie allein deshalb geschädigt, weil ihr Fahrzeug vom Abgasskandal betroffen ist.

Warum sollte sich VW auf Verhandlungen mit der Stiftung einlassen?
In jedem EU-Land gibt es Unterschiede, aber der Schaden des Fahrzeughalters ist im Grunde überall gleich. In Österreich etwa gibt es die so genannte Irrtumsanfechtung. Danach muss ein Kauf rückabgewickelt werden, wenn die verkaufsentscheidenden Argumente falsch waren. In anderen Ländern gibt es ähnliche Regelungen. Fakt ist, dass die Stickoxid- und CO2-Werte zu niedrig ausgewiesen wurden. Ich glaube, dass nur die wenigstens Kunden ihr Auto tatsächlich zurückgeben wollen, weil sie vom Prinzip zufrieden sind. Aus unserer Sicht ist ein europaweit einheitlicher Vergleich mit einem pauschalen Schadensersatz viel effizienter, als sich individuell mit den Geschädigten aus den unterschiedlichsten Ländern vor Gericht zu streiten. Auf diese Weise könnte VW auch eine Prozesslawine verhindern. Wenn es der Stiftung gelingt, einen Vergleich mit VW auszuhandeln, kann ein Gericht in Amsterdam das Ergebnis für europaweit gültig erklären.

Welcher Schadensersatz wäre aus Ihrer Sicht angemessen?
VW sollte sich an der Zahlung orientieren, die sie den US-Kunden zugesichert hat. Es gibt einen Wertverlust und mögliche Nachteile, wie höherer Verbrauch und geringere Leistung. Ein Betrag von 5000 Euro scheint uns fair. Auch die EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska pocht übrigens auf eine Gleichbehandlung europäischer Kunden.

Zeigt sich VW überhaupt gesprächsbereit oder gibt es eine Reaktion auf die Forderungen der Stiftung?
Im derzeitigen Stadium können wir dazu keine Angaben machen.

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Was macht die Stiftung, wenn VW ihr Anliegen weiterhin ignoriert?
Die Stichting Volkswagen Car Claim wird im September weitere Schritte gegen VW ergreifen, sollte es bis dahin keine effizienten Gespräche über Kompensationszahlungen für europäische Fahrzeughalter geben. Es besteht die Möglichkeit, die Schäden kollektiv geltend zu machen. Außerdem können Betroffene immer noch individuell klagen. Darüber hinaus steht es den Fahrzeughaltern offen, sich an einem laufenden Strafverfahren als Privatbeteiligte anzuschließen. Durch die Teilnahme an der Stiftung verlieren registrierte Fahrzeughalter nicht ihr Recht, selbstständig über ihre Ansprüche zu disponieren. Fahrzeughaltern steht es demnach frei, ihre jeweiligen Ansprüche parallel zur Teilnahme an der Stiftung selbstständig zu verfolgen.


„Die Stiftung ist in jedem Fall kooperationsbereit“

Welche Kosten entstehen VW-Kunden, die sich bei der Stiftung registrieren lassen?
Die Registrierung und die Teilnahme sind kostenlos. Im Falle eines Vergleichs bemüht sich die Stiftung, mit eine Einigung zu den Kosten zu treffen. Sollte keine Einigung gelingen, wird die Stiftung ihre Teilnehmer darüber informieren. Sofern die Teilnehmer in diesem Fall dennoch ihren Schadensfall über die Stiftung abwickeln wollen, würde die Stiftung 18 Prozent des Vergleichsbetrags in Abzug bringen. Wer damit nicht einverstanden ist, kann immer noch aussteigen. Die Teilnahme ist also kostenlos. Im Unterschied zu einem Prozessfinanzierungsvertrag gehen die Teilnehmer auch keine Verpflichtungen ein. Alle Kosten werden derzeit von der Stiftung getragen.

Wie und welchen Umfang partizipiert die Stiftung finanziell und wer finanziert sie vor?
Die Stiftung selbst ist gemeinnützig und partizipiert nicht an einem etwaigen wird Vergleichsabschluss. Finanziert wird die Stiftung von einer Gruppe von Finanziers. Der Großteil des Budgets wird von einem europäischen Investor getragen, ein geringerer Teil kommt aus den USA.

Kooperiert die Stiftung mit anderen Initiativen oder Klägergemeinschaften?
Bislang haben einige Gespräche mit ähnlichen Initiativen stattgefunden. Die Stiftung ist in jedem Fall kooperationsbereit. Die Stichting Volkswagen Car Claim ist eine der größten, wenn nicht sogar die größte Plattform für geschädigte Fahrzeughalter. Es ist das erklärte Ziel das beste Ergebnis für geschädigte Fahrzeughalter zu erreichen. Die Stichting wird das Forum bieten, in dem alle Vertreter von Geschädigten willkommen sind.

Wie viele deutsche VW-Kunden haben sich bei der Stiftung registrieren lassen?
Von den inzwischen rund 100.000 betroffene Fahrzeughaltern, die sich über das haben registrieren lassen, kommen etwa 20.000 VW-Besitzer aus Deutschland.

Herr Breiteneder, vielen Dank für das Interview.

KONTEXT

Wer Volkswagen verklagt

Große Probleme für VW

Volkswagen hat sich zur Beilegung des Dieselskandals in den USA mit Klägern auf Zahlungen von mehr als 15 Milliarden Dollar verständigt. Der außergerichtliche Vergleich mit Behörden und Dieselbesitzern ist der erste große Schritt zur Aufarbeitung der Manipulation. Weltweit sieht sich Volkswagen mit milliardenschweren Schadenersatzklagen auch von Anlegern konfrontiert. Die Inhaber von Aktien und Anleihen des Konzerns sind neben Autobesitzern und Behörden die dritte große Gruppe, die finanzielle Ansprüche an den Konzern stellt. Weltweit werfen Investoren dem Unternehmen vor, es habe die Öffentlichkeit im vergangenen Jahr über die Manipulation mit ihren schwerwiegenden finanziellen Folgen zu spät informiert. Der Konzern müsse deshalb auch für Kursverluste von VW-Wertpapieren aufkommen. Volkswagen hat diese Vorwürfe zurückgewiesen.

Andreas Tilp

Der Tübinger Rechtsanwalt hat nach eigenen Angaben beim Landgericht Braunschweig eine Klage eingereicht, mit der rund 280 institutionelle Anleger aus mehreren Ländern fast 3,3 Milliarden Euro Schadensersatz für Kursverluste fordern. Außerdem vertritt Tilp mehr als 1100 Privatanleger, die durchschnittlich einen Schaden von 47.000 Euro geltend machen.

Quinn Emanuel

Die Hamburger Kanzlei Quinn Emanuel reichte Klagen für rund 50 institutionelle internationale Investoren ein, darunter der milliardenschwere Pensionsfonds für Lehrer in Kalifornien, ein Staatsfonds und Hedgefonds. Die geforderte Summe beläuft sich auf 680 Millionen Euro. Unterstützt wird Quinn Emanuel vom Prozesskostenfinanzierer Bentham Europe, an dem der US-Hedgefonds Elliott beteiligt ist.

Pensionsfonds aus Boston

Der Pensionsfonds für Angestellte der US-Stadt Boston hat nach Angaben einer Anwaltskanzlei eine Sammelklage gegen Volkswagen eingereicht. Er hält Anleihen von Volkswagen und wirft dem Autobauer vor, seine Gläubiger getäuscht zu haben, wie die Kanzlei Labaton Sucharow mitteilte. Die Klage wurde bei einem US-Bezirksgericht in Kalifornien eingereicht.

Niederländische Stiftung

Eine als Stiftung eingerichtete Kläger-Organisation pocht auf einen außergerichtlichen Vergleich. Volkswagen könne so zu geringeren Kosten eine Welle von Schadensersatzklagen abwenden, erklärte Henning Wegener, Chef der nach niederländischem Recht gegründeten "Stichting Volkswagen Investors Claim".

Nieding + Barth

Die Frankfurter Kanzlei hatte ebenfalls eine Klage am Landgericht Braunschweig angekündigt. Insgesamt strengten 66 Investoren aus den USA und Großbritannien dieselbe Klage an, die Volkswagen einen Verstoß gegen das Wertpapierhandelsgesetz wegen verspäteter Bekanntgabe der illegalen Abgasmanipulation von Diesel-Fahrzeugen in den USA vorwirft.

Alllianz und Dekabank

Der Versicherungskonzern Allianz und die Dekabank ziehen gegen Volkswagen wegen der Abgasaffäre vor Gericht. Finanzkreisen zufolge beteiligt sich das Wertpapierhaus der Sparkassen neben der Allianz-Tochter AGI an der Klage. Die Deka ist nach Reuters-Daten elftgrößter VW-Aktionär und hält einen Anteil von 0,6 Prozent.

Kleinanleger

In Deutschland gingen beim zuständigen Landgericht Braunschweig zudem rund 120 Klagen von Kleinanlegern ein, die Schäden von jeweils zwischen 600 Euro und zwei Millionen Euro geltend machen.

KONTEXT

Motoren, Modelle und Marken im VW-Abgas-Skandal

Motoren

Laut VW ist der Dieselmotor mit der Bezeichnung EA 189 Kern des Problems. Er wurde bei etlichen Marken eingesetzt, erfüllt die EU-Abgasnorm Euro 5 und wird mit 1,2, 1,6 und 2,0 Litern Hubraum angeboten. Betroffen vom Stickoxid-Skandal sind die Baujahre 2009 bis 2014.

Der Rückruf läuft

Schon ab dem 29. Februar sollte eigentlich der Rückruf der großen 2,0-Liter-Antriebe mit Varianten des Passat und Audi A4 anlaufen, zuvor hatte die Aktion für den Pick-up Amarok begonnen. Für den A4 mit Schaltgetriebe gab es - ebenso wie für den A5 und Q5 sowie den Seat Exeo mit gleichem Motor - bereits die Genehmigung des Kraftfahrt-Bundesamts. Für Passat, CC und Eos liegt sie nun auch vor.

So geht es weiter

Zum kleinen 1,2-Liter-Motor hatte VW in einem Kundenbrief zunächst einen Beginn der Werkstatt-Aktionen ab dem 30. Mai angekündigt. Dieser Teil werde aber erst "verzögert anlaufen", hieß es jetzt. Die mittelgroßen 1,6-Liter-Aggregate sollten laut bisheriger Planung ab dem 5. September zurück, dabei soll neben einem Software-Update ein Bauteil eingesetzt werden. In den USA sind auch 3,0-Liter-TDI-Autos unterwegs, die ein nach US-Recht verbotenes Programm enthalten.

Betroffene VW-Pkw

Bei der Kernmarke VW-Pkw sind unter anderem der Golf der sechsten Generation, der Passat der siebten Generation und der Tiguan der ersten Generation betroffen.

Betroffene Audi-Modelle

Die Software steckt auch in Modellen der Reihen A1, A3, A4 und A6 sowie Q3 und Q5 der Oberklasse-Tochter Audi.

Sonstige Modelle

Dieselmotoren, die bei Skoda und Seat verwendet wurden, fallen ebenfalls unter den Abgas-Skandal. Bei den leichten VW-Nutzfahrzeugen sind ältere Ausgaben des Caddy und Amarok betroffen. Die in den USA unzulässige Software der 3-Liter-Diesel findet sich im VW Touareg und Porsche Cayenne sowie in den Audi-Modellen Q5, Q7, A6, A7 und A8.

Marken

VW-Chef Matthias Müller gab im vergangenen Oktober an, dass weltweit rund 5 Millionen Autos der Hauptmarke VW-Pkw von der Affäre betroffen sind. Hinzu kommen etwa 2,1 Millionen Audis, 1,2 Millionen Skodas, 700.000 Seats sowie 1,8 Millionen leichte Nutzfahrzeuge.