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Von Selfridges bis Galeria - der lange Schatten des René Benko

(Bloomberg) -- In den Schaufenstern des Luxustempels Selfridges auf Londons geschäftiger Oxford Street glänzen Christbaumkugeln und goldene Weihnachtsfiguren. Eine Leuchtreklame ruft den Besucherscharen “SHOWTIME!” zu und lädt sie ein, durch die Auslagen zu stöbern, während im Hintergrund Weihnachtslieder spielen.

Weitere Artikel von Bloomberg auf Deutsch:

Es ist ein Spektakel mit Seltenheitswert für die Kaufhäuser, die zu René Benkos bröckelndem Signa-Imperium gehören.

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In Hanau bleibt die Galeria-Filiale in diesem Jahr ungeschmückt. Es ist die letzte Vorweihnachtszeit für das Kaufhaus in der 100.000-Einwohner Stadt nahe Frankfurt. Wo sich früher hinter Schaufensterglas eine Modelleisenbahn durch Geschenkberge schlängelte, kleben nun schmucklose Plakate, die den Passanten die in knapp drei Monaten bevorstehende Schließung ankündigen. Drinnen muss alles raus: selbst Kleiderständer und Grabbeltische stehen zum Verkauf.

Seit Signa im Jahr 2020 Karstadt und Galeria Kaufhof zu Deutschlands größter Warenhauskette fusionierte, hat das Unternehmen zwei Insolvenzverfahren durchlaufen. Von den ursprünglich mehr als 170 Filialen werden nach Abschluss der Umstrukturierung nur noch etwa die Hälfte übrig bleiben.

Hanaus Bürgermeister Claus Kaminsky weiß, wie schwierig es wird, die klaffende Innenstadtlücke zu füllen: “Am Tag nach der Schlüsselübergabe verkommt so eine Immobilie.” Und sobald ein solcher Publikumsmagnet leer steht, dreht sich auch die Abwärtsspirale für die benachbarten Läden, so Kaminsky.

Luxushäuser wie Selfridges, Berlins KaDeWe, das Oberpollinger in München, das Hamburger Alsterhaus und die Schweizer Globus-Kette werden wohl neue Investoren finden, sollte Signa sie aufgeben müssen. “Der Einzelhandel funktioniert in den Top-Städten wieder gut”, sagt Jan Schönherr, Head of Retail Investment Deutschland beim Immobilienmakler CBRE.

Einzelhändler in kleineren Märkten kämpfen hingegen auch nach der Pandemie damit, Besucher in die Innenstädte zu locken, während die Leerstände zunehmen. “Es gab schon immer eine Schere – und die hat sich in den zurückliegenden Jahren weiter geöffnet”, so Schönherr.

Doch schon vor Corona und bundesweiten Lockdowns waren die Schwächen von riesigen Kaufhäusern und nur am Einzelhandel ausgerichteten Innenstädten angesichts des stürmisch wachsenden Onlinehandels offensichtlich. Karstadt ringt nicht ohne Grund seit bald zwanzig Jahren mit dem finanziellen Kollaps.

Dass viele deutsche Städte trotzdem weiter an das Konzept Warenhaus glaubten, lag nicht zuletzt auch an eben jenem René Benko und seinen großen Versprechungen. Noch 2018 sagte Benko, der auch Beteiligungen an Warenhäusern in Italien und den Niederlanden hält, den Innenstädten nach seiner Warenhaus-Superfusion eine “goldene Zukunft” voraus.

“Am Anfang wurde es so dargestellt, dass Benko und Signa wirklich am Warenhaus interessiert sind und den Einzelhandel voranbringen wollen”, sagt Marcel Schäuble, Landesfachbereichsleiter Handel für die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, über die Anfangszeit nach Signas Einstieg bei Galeria.

Während Benko die Kommunalpolitiker mit dem Versprechen umgarnte, die sich leerenden Stadtzentren wiederzubeleben, interessierte er sich tatsächlich vor allem für Filetstücke und die Entwicklung von Projekten um sie herum. Zwei Insolvenzverfahren und zahlreiche Entlassungen später sind die Galeria Mitarbeiter jedenfalls desillusioniert. “Beschäftigte, die jetzt seit langer Zeit im Unternehmen sind, suchen sich etwas Anderes. Sie haben immer wieder erlebt, dass eine Rettung versprochen wurde, die dann doch nie kam”, sagt Schäuble.

Signas Immobilienimperium mit einem Buchwert von 23 Milliarden Euro reicht vom legendären Hotel Bauer Palazzo in Venedig und dem Hotel-Sacher-Rivalen Park Hyatt in Wien samt angrenzendem Luxus-Geschäftsviertel Goldenes Quartier, bis hin zum Art-Déco-Wahrzeichen Chrysler Building in New York. Doch steigende Zinsen, fallende Bewertungen und immer mehr austrocknende Finanzquellen drängten Benko in die Enge. Zuletzt holten Mitinvestoren den Sanierungsexperten Arndt Geiwitz ins Haus, der bereits die Galeria-Insolvenzen für Benko geschaukelt hat. Am Freitagnachmittag kam es laut einem Bericht des Spiegel zum ersten Konkursantrag einer seiner Immobilienfirmen.

Die Situation entwickelt sich schnell. Die thailändische Central Group, ein langjähriger Partner und Ko-Investor der Signa, konnte sich die Kontrolle über den Kaufhaus-Betrieb von Selfridges sichern. Der Einzelhandelskonzern der Familie Chirathivat hat angekündigt, alle mit Signa gemeinsam betriebenen Luxushäuser – zu denen auch das KaDeWe gehört – weiter zu unterstützen und sicherzustellen, dass sie den Betrieb fortsetzen können.

Wo Galeria-Filialen bereits geschlossen werden mussten, versuchen Städte alles, um einen langen Leerstand zu verhindern. Viele klopfen dieser Tage deswegen bei AIP an. Das Düsseldorfer Architekturbüro hat bereits mehrere ehemalige Galeria-Filialen umgebaut, zuletzt in Recklinghausen.

Der Karstadt in der nördlichsten Stadt des Ruhrgebiets hatte schon 2016 seine Pforten geschlossen. Ein Jahr später übernahm AIP und entkernte das Kaufhaus. Nur die eindrucksvolle Fassade aus den 1930er Jahren blieb intakt. Im Inneren finden sich nun Supermärkte, ein Hotel, eine Zahnarztpraxis und altersgerechte Wohnungen.

Es ist eine Rundumerneuerung, die wahrscheinlich viele andere Kaufhäuser von Signa nötig hätten. “Monofunktion, das kann vor allem in kleineren Städten auf Dauer nicht mehr funktionieren”, sagt Lea Scholze, Architektin bei AIP.

Doch in Zeiten hoher Zinsen und gestiegener Baukosten lohnt sich eine totale Sanierung für viele Investoren nicht mehr. Das bestätigt auch Scholze: “Mit Recklinghausen waren wir zum Glück noch rechtzeitig dran.”

Claus Kaminsky will sich in Hanau derweil nicht auf die Risikofreude von Investoren verlassen. Die Stadt hatte kurz nach Bekanntgabe der anstehenden Schließung das Galeria-Grundstück dem Finanzinvestor Apollo für 25 Millionen Euro abgekauft. Nach einer Zwischennutzung soll auch hier kernsaniert werden. “Wir müssen als Stadt die Dinge selbst in die Hand nehmen, um sicherzustellen, dass es eine Entwicklung gibt, die der gesamten Innenstadt zugutekommt,” sagt Kaminsky.

Überschrift des Artikels im Original:Selfridges Stands Out as a Winner in Signa’s Retail Implosion

--Mit Hilfe von Paula Doenecke und Marton Eder.

©2023 Bloomberg L.P.