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Schwieriger Spagat in China – So positioniert sich die deutsche Wirtschaft im Handelskrieg

Die China-Reise von Kanzlerin Angela Merkel wird von internationalen Konflikten überschattet. Eine wirtschaftspolitische Bilanz des Besuchs.

Ein einziges Mal weicht Kanzlerin Angela Merkel vom Protokoll ab. Auf einer Brücke über den Jangtse, dem längsten Fluss im Land, lässt Merkel einen Stopp der Regierungskolonne einlegen. Mao Zedong soll an dieser Stelle durch den breiten Fluss gleich mehrfach hin und her geschwommen sein, eine wichtige Episode in den Geschichtsbüchern Chinas.

Selbst die Route war im Protokoll zunächst nicht vorgesehen, auf Wunsch von Merkel wurde sie erst ganz kurzfristig geändert. Die chinesische Polizei hatte alle Hände voll zu tun, die geänderte Route abzusperren.

Die deutschen Wirtschaftsführer sind auf der Kolonnenfahrt zu Merkels nächstem Termin, einer Rede an Huazhong-Universität in Wuhan, ausgestiegen. Sie stehen, das Sakko in der stechenden Sonne ausgezogen, einträchtig nebeneinander und blicken auf den Fluss: Oliver Bäte von der Allianz, BASF-Chef Martin Brudermüller, der Vorstandschef von Daimler Ola Källenius und Christian Sewing von der Deutschen Bank.

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Die Stimmung unter den Reisenden scheint gelassen wie bei einem Klassenausflug. Doch schon allein die hochkarätige Besetzung der insgesamt 25-köpfigen Wirtschaftsdelegation zeigt, wie ernst die Lage für die Wirtschaft in China derzeit ist.

Auch Rudolf Staudigl von Wacker Chemie ist mitgereist, Stefan Schulte von Fraport, BMW-Chef Oliver Zipse und VW-Chef Herbert Diess. Wir sind in einer „Sandwich-Position zwischen China und den USA“, sagt Martin Herrenknecht, vom gleichnamigen Tunnelbauer. Eine Einschätzung, die viele der mitreisenden Manager mit ihm teilen.

Merkel drängt auf Dialog in Hongkong

Die Gespräche in Peking gestalten sich vom ersten Tag der Reise an schwierig. Die Demonstrationen in Hongkong überschatten die Wirtschaftsgespräche. „Natürlich haben wir im Zusammenhang mit Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit ausführlich über das Thema Hongkong gesprochen“, sagt Merkel bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Chinas Ministerpräsidenten Li Keqiang nach Gesprächen zwischen den beiden in der Großen Halle des Volkes – ein riesiger, mit Marmor und meterhohen Decken ausgestatteter Bau im Herzen von Peking.

Sie habe die zugesicherten Grundrechte („Basic Law“) in Hongkong angesprochen und darauf hingewiesen, dass die darin garantierten Rechte und Freiheiten gewährleistet werden müssen, sagte Merkel. „Lösungen können nur durch Dialog geführt werden“, mahnte sie. Mit „Basic Law“ sind die Grundrechte gemeint, die bei der Übergabe von Hongkong an China für 50 Jahre garantiert worden waren.

Joe Kaeser, Vorstandsvorsitzender von Siemens und Chef des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, betonte, dass die Unternehmensvertreter auch anderer Stelle auf bereits zugesicherte Zusagen pochen. Die chinesische Regierung müsse sich zu der Vereinbarung bekennen, „dass es einen Staat, aber zwei Systeme gibt, [...] und hier keine Veränderungen geplant sind.“

Von chinesischer Seite wurden die Ermahnungen bezüglich Hongkong zerknirscht aufgenommen. Das Organ der Kommunistischen Partei „People’s Daily“ erwähnte das Thema bei seinen Berichten erst gar nicht, sondern lobte stattdessen die Fortschritte, die beim Merkel-Besuch erzielt wurden, etwa die Unterzeichnung von zahlreichen Abkommen.

Deutlicher wurde die „Global Times“, ein Tabloid-Ableger der „People’s Daily“. Chefredakteur Hu Xijin wetterte auf Twitter, dass Merkels Äußerungen in Peking nur eine „Show für die deutsche und westliche öffentliche Meinung“ gewesen seien. Diese habe Merkel zu solch einem „bedeutungslosen und nutzlosen Stunt“ gezwungen. Das spiegele „eine narzisstische Mentalität bestimmter westlicher Eliten“ wider, so Hu.

In einem Meinungsbeitrag in der „Global Times“ heißt es: „Diese deutschen Gentlemen haben überschätzt, was Bemerkungen eines ausländischen Führers für China bedeuten. Ihr politischer Narzissmus ist abnormal.“ Das Thema Hongkong werde aber Merkels Reise nach China nicht überschatten, so der Kommentar. „Merkels Worte zu Hongkong werden den Austausch zwischen China und Deutschland nicht beeinträchtigen.“

Beobachter hatten vor allem die Rolle der deutschen Wirtschaft kritisiert und im Vorfeld klarere Worte gefordert. „Letztlich wollten doch beide Seiten gut aussehen bei diesem Besuch“, sagte Mikko Huotari, stellvertretender Direktor des Berliner China-Thinktanks Mercis, der an einem deutsch-chinesischen Dialogforum im Rahmen des Merkel-Besuchs teilgenommen hatte, dem Handelsblatt. „Die deutsche Wirtschaft würde das Problem Hongkong am liebsten so weit wie möglich ignorieren“, glaubt er. Schärfere Positionen seien in Peking wohl von niemandem zu erwarten gewesen.

Nicht nur wegen des Konflikts in Hongkong war diese China-Reise eine der schwierigsten in Merkels Amtszeit. Die deutsche Wirtschaft treibt noch mehr um, als die chinesische Sonderverwaltungszone, in der 600 deutsche Unternehmen vertreten sind.

Angst vor zwei Technologiewelten

Der andauernde Handelskrieg zwischen China und den USA schlägt inzwischen merklich auf die deutschen Bilanzen durch. Die Furcht vor dem so sogenannten „Decoupling“ ist in Peking spürbar. Um sich von den USA abzukoppeln, könnte China eigene Technologie und Regularien vorantreiben – mit der Konsequenz, dass deutsche Firmen für beide Märkte unterschiedliche Systeme vorhalten müssten. Eine Horrorvorstellung für deutsche Unternehmer.

Wenn sich die deutsche Wirtschaft zwischen den USA und China entscheiden müsste, wäre das „hochgradig besorgniserregend“ so APA-Chef Kaeser und würde zu gravierenden strukturellen Zerwürfnissen führen. Dass die USA und China derzeit nicht zu einer Lösung kommen, macht dem Siemens-Chef Sorgen. Wenn sich das manifestiere, so Kaeser, müssten deutschen Unternehmen in beiden Ländern noch stärker lokalisieren. „Man müsste befürchten, dass es dann auch zu Arbeitslosigkeit in Deutschland kommen würde“, warnte Kaeser.

Großes Thema bei den Gesprächen war das Sozialkreditsystem der Chinesen, auch Social Scoring genannt. In der Woche vor Merkels Besuch hatte die Europäische Handelskammer in Peking gemeinsam mit der deutschen Außenhandelskammer eindringlich davor gewarnt, dass die Unternehmen sich wegen den Auswirkungen des Systems auf ihre Geschäfte Sorgen machen. Mitreisende Manager wie Voith-Chef Toralf Haag betonten, dass sie die Planungen der chinesischen Regierung sehr genau beobachten.

Mit dem System soll das Verhalten von in China tätigen Unternehmen detailliert festgehalten und anhand eines Punktesystems bewertet werden. Die Unternehmen fürchten nicht nur um ihre Geschäftsgeheimnisse, sondern vor allem, dass es durch Intransparenz zu ungerechtfertigten Benachteiligungen kommen könnte.

Angesprochen auf das System, antwortete Chinas Premierminister bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel energisch, dass es solche Systeme auch in anderen Ländern gebe. „Wir möchten sicherstellen, dass Wettbewerb in einem fairen Umfeld stattfinden kann“, sagte er weiter. Die Bedenken der Unternehmen, dass durch die umfassende Abfrage von Daten Geschäftsgeheimnisse abfließen, wehrte er ab. „Diese Bedenken braucht man nicht haben“, so Li. „Wir wollen Geheimnisse beschützen“, versprach er.

Investitionen aus China gehen zurück

Auch der Umgang mit Huawei war laut Teilnehmern ein Thema bei den Gesprächen in China. In Deutschland steht in nächster Zeit die Festlegung der Sicherheitsstandards für den Aufbau der Infrastruktur für die superschnelle Datenübertragung an. Wie Deutschland mit Huawei umgeht, hat auch Auswirkungen auf den Rest von Europa und ist deshalb für die chinesische Regierung besonders wichtig.

Vor allem die USA, aber auch Experten in Deutschland und Teile der deutschen Regierung haben große Sicherheitsbedenken bezüglich des Einsatzes von Huawei-Produkten in 5G-Netzen. Laut Teilnehmern sprach die chinesische Seite das Thema bei den Treffen an, zeigte sich aber zufrieden mit dem Prozess in Deutschland.

Große Sorgen auf chinesischer Seite bereitete hingegen das erst vor wenigen Monaten verschärfte deutsche Außenwirtschaftsgesetz. Demnach kann die Bundesregierung schon geringe Anteilsbeteiligungen ausländischer Investoren in Deutschland prüfen und verbieten. Die chinesische Seite hatte sich mehrfach äußerst verärgert und besorgt dazu geäußert. Wie aktuelle Zahlen der Beratungsfirma EY zeigen, sind in Deutschland die Investitionen aus China massiv zurückgegangen – von 10,1 Milliarden Dollar im ersten Halbjahr 2018 auf nur noch 500 Millionen Dollar.

Merkel musste viel Aufklärungsarbeit in Peking leisten. Vor mehreren Dutzend Wirtschaftsvertretern in der großen Halle des Volkes bekräftigte sie, dass Investitionen aus China weiterhin willkommen seien und lobte etwa den chinesischen Batteriezellen-Hersteller CATL, der eine Fabrik in Thüringen aufbauen will.

Auch den deutschen Unternehmen ist die Sorge von chinesischer Seite nicht fremd. VW-Chef Herbert Diess, der gemeinsam mit den anderen mitgereisten Wirtschaftsvorständen Angela Merkel in der Großen Halle des Volkes gegenüber saß, nickte zustimmend als die Bundeskanzlerin für mehr chinesische Investitionen in Deutschland warb.

Neues Wirtschaftsabkommen

Dabei macht die Zusammenarbeit auch Fortschritte. Ein Highlight des Terminmarathons in der Großen Halle des Volkes war die Unterzeichnung von 13 Vereinbarungen zwischen deutschen und chinesischen Unternehmenschefs. Chinas Premierminister Li und Bundeskanzlerin Merkel saßen nur zwei Meter entfernt auf zwei glänzenden Holzstühlen und schauten der Zeremonie zufrieden zu.

Zu den unterschriebenen Abkommen gehörte unter anderem eine Vereinbarung von Airbus und AVIC Aircraft Corporation über die Montage von A320-Flugzeugen in China. Der deutsche Versicherungsriese Allianz will mit der Bank of China enger zusammenarbeiten. China will sowohl den Finanz- als auch den Versicherungssektor liberalisieren.

Die Firmen Voith und der chinesische Staatskonzern CRRC vereinbarten, bei Elektrobussen zu kooperieren und Siemens schloss mit State Power Investment Corporation Limited (SPIC) eine Absichtserklärung zur Entwicklung von Gasturbinen und einer Zusammenarbeit zur Wasserstoff-Nutzung ab.

Bei allen Schwierigkeiten zeigten nicht zuletzt die Vereinbarungen, dass es auch Chancen bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der Volksrepublik gibt. China sei sehr um einen konstruktiven Dialog bemüht, sagte APA-Chef Kaeser. „Man muss dieses Zeitfenster nutzen, weil es Opportunitäten schafft, in der jetzigen Zeit auch dort voran zu kommen, wo wir bisher nicht so gut voran gekommen sind“, so Kaeser.

Konkrete Zugeständnisse gab es allerdings bei der Reise keine. Merkel hatte vor allem darauf gepocht, dass es zu Fortschritten bei dem bereits seit Jahren geplanten Investitionsabkommen zwischen China und der Europäischen Union kommen muss.

„Aus Sicht der chinesischen Seite dürften die Gespräche insgesamt gut gelaufen sein“, sagte Merics-Experte Huotari zum Abschluss der Reise. Die große Unternehmerdelegation habe die Bedeutung der Wirtschaftsbeziehungen unterstrichen und es wurden viele Abkommen unterzeichnet und auch die Äußerungen der Kanzlerin zu Hongkong waren eher zurückhaltend und hätten nicht für einen Eklat gesorgt.