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Warum Schokolade künftig teurer werden könnte

Die führenden Produzenten Ghana und Elfenbeinküste wollen mit einer “Kakao-Opec” die Armut von Kakaobauern bekämpfen. Die Initiative ist umstritten.

09 October 2018, Brandenburg, Hammelspring: In the Chocolaterie Hammelspring there are handmade chocolates. About 80 kilometres north of Berlin, in the small village of Hammelspring near Templin, the finest chocolate products have been produced since 2008 using traditional craftsmanship. Photo: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB (Photo by Patrick Pleul/picture alliance via Getty Images)
Schokolade könnte künftig teurer werden (Bild: Getty Images)

Als Inhaber der Aachener Lambertz-Gruppe kennt Hermann Bühlbecker eine Leidenschaft der Deutschen sehr genau: Kekse und Lebkuchen mit Schokolade. Bühlbecker weiß jedoch auch, dass trotz Heißhunger auf Schokolade nur wenig bei Millionen Kleinbauern in Westafrika ankommt. Viele Familien leben in bitterer Armut, Kinderarbeit ist weit verbreitet.

Lambertz selbst verwendet seit Jahren ausschließlich fair gehandelten Kakao. Was Bühlbecker freiwillig macht, wird jedoch bald für alle Kakaoabnehmer verpflichtend. Sie müssen einen Preisaufschlag für Kakao aus Ghana und der Elfenbeinküste bezahlen. Der Lambertz-Chef ist daher überzeugt: “Kakao wird mit großer Wahrscheinlichkeit teurer.“

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Der Grund für den Preisanstieg ist der Zusammenschluss von Ghana und der Elfenbeinküste zu einem Kakaokartell. Die beiden westafrikanischen Länder sind mit Abstand die größten Exportländer. Laut Forum für Nachhaltigen Kakao kommen von dort rund 70 Prozent der weltweiten Produktion des Schokoladen-Rohstoffs.

In Anlehnung an das Erdölkartell Opec haben die Länder ihrer Initiative den Namen “Copec” gegeben – auch wenn das Kakao-Kartell ganz anders funktioniert als das Vorbild vom Ölmarkt.

Während die Opec die Produktionsquoten für jedes Mitglied festlegt, wollen die beiden afrikanischen Staaten ab Oktober einen Preisaufschlag von 400 Dollar je Tonne bei den Abnehmern durchsetzen. So sollen die Kakaobauern einen garantierten Preis von 1800 Dollar pro Tonne ab Hof erhalten – das entspricht ungefähr dem Fair-Trade-Abnehmerpreis und wäre eine Erhöhung um 30 Prozent im Vergleich zum Preis, den Kakaobauern in Ghana und der Elfenbeinküste aktuell erhalten.

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Doch die Strategie, einen Preisaufschlag für bessere Lebensbedingungen der Kakaobauern einzuführen, ist riskant. Sie könnte langfristig das Gegenteil von dem bewirken, was die Kakaoproduzenten erreichen wollen.

Zumindest kurzfristig hat der Weltmarktpreis an der Londoner Rohstoffbörse, der auch Kosten für Transport und Lagerung umfasst, jedoch auf die Aussicht steigender Abnehmerpreise reagiert. Innerhalb von sechs Monaten hat sich Kakao um mehr als 30 Prozent verteuert. Allein seit Jahresbeginn ist der Preis um 17 Prozent gestiegen und liegt mit rund 2900 Dollar pro Tonne auf dem höchsten Stand seit drei Jahren.

Carsten Fritsch, Rohstoffexperte der Commerzbank, sagt: “Die anziehenden Kakaopreise lassen vermuten, dass sich manche Marktteilnehmer eindecken, bevor die Preisaufschläge im Oktober in Kraft treten.“

Den Preisanstieg dürften bald auch die deutschen Schokoladenliebhaber zu spüren bekommen. Jeder Deutsche verzehrt stolze 9,18 Kilo Schokoladenwaren im Jahr, so Zahlen des Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrie. Nirgendwo sonst in Europa sind Süßwaren so günstig wie in der Bundesrepublik, zeigt eine Studie des Konsumforschers Nielsen. Selbst Markenschokolade liegt oft zu Niedrigstpreisen im Regal.

Ein Branchenexperte, der ungenannt bleiben möchte, beklagt: “Der deutsche Handel, allen voran die Discounter, fordern fair gehandelte Schokolade, drücken aber gleichzeitig die Preise.“ Jede zweite Tafel werde preisreduziert verschleudert. Eine 100-Gramm-Tafel „Ritter Sport Alpenmilch“ verkaufte Lidl etwa Ende Januar für 79 Cent statt 1,19 Euro. Um die Weihnachtszeit war Markenschokolade im Handel gar für 59 Cent zu haben.

Wachsender Schokoladenwaren-Markt

Gut möglich, dass solche Discount-Preise in Zukunft seltener werden. Den Schokoladenherstellern bleibt jedenfalls kaum etwas übrig als sich an die neuen Verhältnisse anzupassen, sagt Commerzbank-Experte Fritsch. „Ghana und die Elfenbeinküste haben zusammen eine marktbeherrschende Stellung.“ Und der Hunger auf Schokolade wächst: Der Weltmarkt für Schokoladenwaren soll laut Statista von 140 Milliarden Dollar 2019 auf 180 Milliarden Dollar im Jahr 2025 steigen.

Der US-Konzern Mars (“Snickers“, “Twix“) unterstützte als erstes Unternehmen den von den Regierungen der Elfenbeinküste und Ghanas initiierten Preisaufschlag für bessere Lebensbedingungen (Living Income Differential, LID) öffentlich. “Wir haben begonnen, Kakao mit dem LID zu kaufen und werden weiterhin Bemühungen unterstützen, die das Einkommen der Bauern erhöhen“, sagt Laurence Etienne, Geschäftsführerin Mars Wrigley Deutschland.

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Für Mars müsse aber ein transparenter Prozess gewährleistet sein, dass zusätzliche Einkommen die Bauern auch erreichen. Zudem sei sicherzustellen, dass die Landnutzung für den Kakaoanbau nicht weiter ausgeweitet werde.

Auch Nestlé (“Kitkat, “Smarties“) hat 2019 begonnen, Kakao mit dem LID-Aufschlag von 400 Dollar aus Ghana und der Elfenbeinküste zu kaufen. „Allerdings reichen höhere Preise allein nicht aus, um die Lebensbedingungen der Farmer angesichts der strukturellen Herausforderungen in den beiden Ländern nachhaltig zu verbessern“, heißt es von Nestlé Deutschland.

Der deutsche Schokoladenproduzent Alfred Ritter bezieht knapp die Hälfte seines Rohkakaos aus Ghana und der Elfenbeinküste. „Rohkakao wird mit Sicherheit teurer“, so die Einschätzung des Familienunternehmens. Ritter war laut Marktforscher Euromonitor International 2019 mit 24,1 Prozent Anteil in Deutschland Marktführer für Tafelschokolade vor Mondeléz („Milka“) mit 23,7 Prozent.

Für eine wirkliche Beurteilung der “Copec“ sei es laut Ritter sicher noch zu früh. Ein solcher Aufschlag – so er tatsächlich bei den Erzeugern ankomme – sei aber grundsätzlich ein geeignetes Instrument, die Einkommensverhältnisse der Kakaobauern zu verbessern und damit auch Armut und Kinderarbeit zu reduzieren, heißt es bei Ritter. „Der bisherige Preis spiegelt die Arbeit und das Risiko der Kakaobauern nicht wider. Schließlich ist die Kakaopflanze ein Sensibelchen.“

Copec muss Überangebot vermeiden

Wer anders als Mars, Nestlé oder Ritter nicht freiwillig den Preisaufschlag zahlen will, hat ab Oktober keine Wahl mehr. Ghana und Elfenbeinküste „haben bereits massiven Druck auf die Abnehmer ausgeübt“, sagt Commerzbank-Analyst Fritsch. „Die Schokoladenhersteller drohen ansonsten den Marktzugang einzubüßen. Das ist ein erhebliches Risiko, dass sich kein Kakaoverarbeiter leisten kann.“

Dennoch ist unklar, ob das Kakaokartell langfristig erfolgreich sein kann. Der „Copec“ könnte zum Verhängnis werden, dass sie eben nicht die Opec ist und die Angebotsmenge auf dem Weltmarkt steuern kann. Wolf Kropp-Büttner, Vorstandsvorsitzender des Vereins Forum Nachhaltiger Kakao, eine Initiative von Bundesregierung, Industrie, Handel und Zivilgesellschaft, sagt: „Die Kakaopreise hängen langfristig vom Marktgleichgewicht ab.“

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Dauerhaft könne der Preis nur steigen, wenn es beiden Ländern gelingt, ein Überangebot auf dem Weltmarkt zu vermeiden. Für das Produktionsjahr 2018/2019 rechnet die Commerzbank mit einem Angebotsdefizit von rund 20.000 Tonnen.

Doch im Jahr davor hatte ein Angebotsüberschuss von 300.000 Tonnen den Kakaopreis einbrechen lassen und viele Kakaobauern in Existenznot gebracht. Kropp-Büttner zufolge verloren sie dadurch rund 30 Prozent ihres Einkommens. Die Kakaobauern gehören ohnehin zu den Ärmsten in Subsahara-Afrika. Ihr Pro-Kopf-Einkommen liegt mit 1,20 Dollar pro Tag deutlich unter der Armutsgrenze von 1,90 Dollar.

Die Initiative von Ghana und der Elfenbeinküste könnte durchaus zu Preissteigerungen und damit zu Einkommensverbesserungen für die Kakaobauer führen, so Kropp-Büttner. Zumal es Signale aus anderen Anbauländern gebe, dass sie ebenfalls ihre Preise anheben wollen.

Doch: „Hier ist fraglich, ob der Markt das langfristig zulässt.“ Denn die steigenden Weltmarktpreise könnten dazu führen, dass mehr Bauern außerhalb Ghanas und der Elfenbeinküste in den Kakaoanbau einsteigen. „Dies könnte auch zur Folge haben, dass die Produktion in anderen Ländern und dann auch insgesamt steigt, was wiederum einen Verfall des Weltmarktpreises zur Folge haben würde“, sagt Kropp-Büttner.

Ghana und Elfenbeinküste seien die einzigen Länder, in denen der Kakaomarkt zentral gesteuert wird. Daher sei es schwer, weitere Produzenten in die Copec aufzunehmen und eine Steuerung des Kakaoangebots zu etablieren, so Kropp-Büttner.

Korruption bekämpfen

Daher hat sich auch bei vielen Unternehmen die Einsicht durchgesetzt, dass es nicht reicht, höhere Preise zu zahlen, um die Lebensverhältnisse der Kakaobauern zu verbessern. Mars etwa fördert mit seinem „Cocoa for Generations“-Plan zehn Jahre lang Kleinbauern und nachhaltigen Kakaoanbau mit einer Milliarde Dollar.

Mars-Managerin Etienne sagt: „Wir unterstützen 75.000 Farmer direkt, viele konnten nicht immer ihren Lebensunterhalt mit Kakao verdienen. Das führte auch zu Kinderarbeit, die wir ablehnen.“ Bis 2025 soll 100 Prozent des Kakaos, den Mars verarbeitet, aus zertifiziertem, verantwortungsvollem Anbau stammen – heute sind es 50 Prozent.

Der Konsumgüterhersteller Nestlé hat 2012 mit seinem “Cocoa Plan“ begonnen, Kinderarbeit zu bekämpfen. Er sieht unter anderem vor, Farmer mit Technologie zu unterstützen, um weniger Land effizienter zu nutzen. Zudem sollen die sozialen Gemeinschaften gestärkt und Lieferketten transparent werden. Seit 2015 bezieht Nestlé Deutschland bereits den gesamten Kakao über das eigene Lieferkettenprogramm in Verbindung mit UTZ-Zertifikaten für nachhaltigen Anbau.

Das Problem der Kakaobauern in Westafrika ist vor allem auch strukturell bedingt. “Viele pflegen oder düngen die Kakaopflanzen kaum, sodass der Ertrag nur bei 400 Kilo pro Hektar liegt“, sagt der Brancheninsider. Zum Vergleich: Plantagen in Kolumbien, Ecuador oder Nicaragua haben oft fünfmal so hohe Kakaoerträge. Für Konzerne sei die politische Lage in Afrika zu instabil, um dort eigene Plantagen anzulegen.

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Ritter beispielsweise baut in Nicaragua eine eigene Plantage auf. Bis 2025 will die Firma rund 40 Prozent des Kakaos von dort beziehen. In Mittelamerika zahlt Ritter zudem bereits lange Jahre Prämien, die etwa dem “Copec“-Aufschlag entsprechen.

Ghana und die Elfenbeinküste wollen den Mindestpreis von 1800 Dollar pro Tonne für ihre Bauern sichern, indem Gewinne in Jahren hoher Kakaopreise in einen Fonds fließen. Diesen Fonds wollen sie in Schwächephasen anzapfen, um niedrige Preise auszugleichen und Fortbildungen für Bauern zu finanzieren. Um den Fonds aufzufüllen, müssen die Länder jedoch auf eine mehrjährige Phase hoher Preise hoffen.

Zudem mahnt Lambertz-Chef Bühlbecker, Honorarkonsul der Elfenbeinküste, die Kakaokartellanten: „Eines muss zwingend sichergestellt werden: dass die Preiszuschläge tatsächlich bei den Kakaobauern – und nur dort – ankommen und nicht versickern, etwa durch Korruption.“

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