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Mit schärferem Waffenrecht gegen Staatsfeinde

Nach „Reichsbürger“-Angriff - Mit schärferem Waffenrecht gegen Staatsfeinde

Nach den tödlichen Schüssen eines sogenannten „Reichsbürgers“ auf einen Polizisten in Georgensgmünd bei Nürnberg haben Politiker mit Erschütterung und Trauer reagiert. Die SPD im bayerischen Landtag forderte zugleich ein hartes Durchgreifen gegen die „Reichsbürger“ und eine Komplett-Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Es handle sich nicht um einzelne Spinner, sagte Fraktionschef Markus Rinderspacher am Donnerstag in München. Er warf der Staatsregierung vor, die Bewegung jahrelang unterschätzt zu haben.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) kündigte Konsequenzen an. „Waffen gehören nicht in die Hände dieser Leute. Erklärte Staatsfeinde bieten keine Gewähr für den verantwortungsvollen Umgang mit Schusswaffen, sondern stellen eine Gefahr dar“, sagte Jäger in Düsseldorf. Seinen Angaben zufolge prüfen die zuständigen Behörden regelmäßig, ob Rechtsextremisten, die legal eine Waffe besitzen, die Waffenbesitzkarten entzogen werden können. In NRW geht der Verfassungsschutz bei den „Reichsbürgern“ von einer niedrigen dreistelligen Personenzahl aus.

Auch der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer (CSU), verlangte im Handelsblatt eine eingehende Überprüfung, „ob Anhänger dieser Szene Waffen besitzen, so dass diese dann entzogen werden können“. Auch die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Christine Lambrecht, sagte: „Auf gar keinen Fall dürfen diese Personen legal gefährliche Waffen besitzen. Wer die Autorität und Legalität unseres Staates verneint, kann nicht die für den Waffenbesitz erforderliche Zuverlässigkeit besitzen.“ Erteilte Erlaubnisse müssten „unverzüglich“ von den zuständigen Behörden widerrufen und die Waffen eingezogen werden.

Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, brachte ein Verbot der Gruppierung ins Spiel. „Es kann nicht sein, dass wir eine Bewegung dulden, die unseren Staat nicht anerkennt“, sagte Oppermann dem „Spiegel“. „Wer Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität abspricht, hat in einer modernen Demokratie wie der unseren nichts zu suchen.“ Die Grünen sehen den Gesetzgeber am Zug und fordern eine Verschärfung des Waffenrechts.

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Seine Fraktion habe wiederholt den „hohen Handlungsbedarf im Waffenrecht“ für mehr öffentliche Sicherheit angemahnt und hierbei explizit auf die Gefahren einer zunehmenden Bewaffnung von Rechtsextremisten hingewiesen, sagte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz dem Handelsblatt. So habe auch schon eine Abfrage des Bundesamtes für Verfassungsschutz bei den Ländern im Jahr 2014 ergeben, dass etwa 400 Rechtsextremisten über eine waffenrechtliche Erlaubnis verfügten. „Durch die jetzige Tat wurde noch einmal deutlich, wie hoch der Handlungsbedarf noch immer ist. Wir hoffen, dass den hehren Worten der letzten Tage nun auch tatsächliche Taten folgen.“

Konkret fordern die Grünen eine Reform des Waffengesetzes, das etwa regelmäßige Eignungs- und Zuverlässigkeitsprüfungen sowie entsprechende Kontrollen des privaten Waffen- und Munitionsbestands vorsieht. Außerdem halten sie „spezielle Vorschriften“ für die Aufbewahrung von Waffen notwendig, „die tatsächlich einen angemessenen Widerstandsgrad für Waffen- und Munitionsschränke gewährleistet, um unbefugten Zugang zu verhindern“. Komplett verbieten wollen die Grünen die Verwendung sogenannter Großkaliberwaffen und Munition „mit besonderen Schusswirkungen im Sinne einer erhöhten Durchschlagskraft oder einem gesteigerten Verletzungspotenzials durch Sportschützen“.


„Die Bundesregierung hat die Gefahr viel zu lange unterschätzt“

Im europäischen Rahmen fordern die Grünen, Privatpersonen die Nutzung halbautomatischer Schusswaffen zu verbieten, wenn diese „nach objektiven Kriterien besonders gefährlich“ seien. Außerdem verlangen sie die Einrichtung eines zentralen Waffenregisters in allen EU-Mitgliedstaaten, „in welchem alle essentiellen Bestandteile von Schusswaffen einschließlich Munitionsverpackungen geführt werden“.

Diese nationalen Register müssten auf europäischer Ebene miteinander verknüpft sein und damit den Informationsaustausch zwischen Mitgliedstaaten ermöglichen. Die Grünen plädieren zudem für strengere Aufbewahrungsregeln für Schusswaffen und Munition. Und sie fordern den Aufbau eines Kontrollsystems, „worüber die physische, kognitive und psychologische Eignung für den Erwerb und Besitz von Schusswaffen sichergestellt wird“.

Dass sich die Große Koalition bisher waffenrechtlichen Verschärfungen verweigerte, kritisierte von Notz scharf. Die Grünen hätte die Bundesregierung seit Monaten auf die Gefahren hingewiesen, die von rechtsextremen „Reichsbürgern“ ausgingen. „Die Bundesregierung, das wird nun deutlich, hat die Gefahr viel zu lange unterschätzt“, sagte von Notz. „Dabei gab es bereits mehrere vergleichbare Vorkommnisse. Die Bundesregierung hätte also gleich mehrfach gewarnt sein müssen.“

Der getötete Beamte erlag am Donnerstagmorgen seinen Verletzungen. Ein 49-Jähriger hatte den Beamten eines Spezialeinsatzkommandos bei einer Razzia am Mittwoch trotz einer Schussweste tödlich getroffen. Die Kugel schlug knapp neben der Weste in der Schulter des Mannes ein. Ein weiterer Polizist wurde bei dem Einsatz schwer und zwei Beamte leicht verletzt. Die Polizei wollte dem „Reichsbürger“ seine 31 Waffen abnehmen, weil er bei den Behörden als nicht mehr zuverlässig galt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Mann wegen Mordes und versuchten Mordes. Er sollte noch am Donnerstag einem Haftrichter vorgeführt werden.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) reagierte erschüttert auf den Tod des 32-jährigen Polizisten: „Meine Gedanken und mein Mitgefühl sind in dieser schweren Stunde bei den Angehörigen“, erklärte der Minister in Berlin. Die zunehmenden Angriffe von Extremisten auf Polizisten in Deutschland seien „unerträglich und inakzeptabel“. Auch Bayerns Regierung zeigte sich zutiefst betroffen. „Der Tod des jungen Polizisten im direkten Einsatz für die Sicherheit der Menschen im Freistaat macht mich fassungslos. Ganz Bayern trauert“, sagte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU).


„Dieses brutale Verbrechen macht uns alle fassungslos“

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte: „Dieses brutale Verbrechen macht uns alle fassungslos.“ Die Beamten im Freistaat würden bis zur Beerdigung des 32-Jährigen Trauerflor tragen. „Wir trauern um den verstorbenen Polizisten, der im Einsatz für Demokratie und innere Sicherheit ums Leben gekommen ist“, sagte auch SPD-Fraktionschef Rinderspacher.

Die „Reichsbürger“ sind ein Sammelbecken für Verschwörungstheoretiker, Rechtsextreme, Holocaust-Leugner und Querulanten. Sie lehnen das Grundgesetz ab und tun so, als bestehe das Deutsche Reich fort. Die Gruppierung wird vom Verfassungsschutz beobachtet. „Sie sollten nicht als Verrückte verharmlost werden“, sagte der NRW-Innenminister Jäger.

Zu einer möglicherweise rechtsextremen Gesinnung des Täters in Bayern wollte sich eine Polizeisprecherin zunächst nicht äußern. Dies sei Gegenstand der laufenden Ermittlungen. Nach Ansicht der Nürnberger Rechtsextremismus-Expertin Birgit Mair war der Mann ein „extrem Rechter“. Seine Kontakte im Internet mit einem Anhänger der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung in Nürnberg sowie seine Äußerungen im Netz zeigten eine antisemitische und rechte Gesinnung.

Der -Innenpolitiker Armin Schuster sagte MDR Aktuell, der Verfassungsschutz habe die Reichsbürgerbewegung nicht unterschätzt. Er habe sie durchaus „auf dem Radarschirm“ gehabt. Im Kern gehe es um die Frage: „Kann sich so etwas wie die NSU-Zelle wieder bilden?“

Der Rechtsextremismus-Experte Dirk Wilking vom Brandenburgischen Institut für Gemeinwesenberatung warnte vor einer zunehmenden Gewaltbereitschaft der Gruppierung. „Wenn in dieser Szene wie in Bayern Jäger oder auch Sportschützen sind, die über Waffen verfügen, dann wird es richtig gefährlich“, sagte Wilking. Auch das Brandenburger Innenministerium sieht bei den „Reichsbürgern“ eine „hohe Affinität zu Waffen“. Sprecher Wolfgang Brandt verwies auf Vorfälle mit „Reichsbürgern“ in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg, bei denen Waffen eingesetzt beziehungsweise gefunden wurden.

KONTEXT

Nazi, Faschist oder doch Nationalist?

Rechtspopulismus

Seit den achtziger Jahren sind Rechtspopulisten in Europa auf dem Vormarsch. Zum Spektrum gehören rechtsextreme Parteien genauso wie Gruppierungen, die mit populistischen Äußerungen auf sich aufmerksam machen wollen. Ihre politischen Ziele reichen vom Wunsch nach "Ordnung", "Autorität" und "Identität" über die Agitation gegen Minderheiten wie Sinti und Roma bis hin zur Forderung, ein "weißes Europa" ohne "jüdischen Einfluss" zu schaffen. Paradoxerweise bauen die teilweise aggressiv nationalistischen Parteien dabei zunehmend auf eine länderübergreifende Zusammenarbeit und verstehen sich meist als "Freunde" im Kampf gegen multikulturelle Überfremdung.

Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung

Faschismus

Ursprünglich aus sozialrevolutionären lokalen Zusammenschlüssen, den Syndikalisten, "Bewegung der Tat", entstanden, entwickelte sich Anfang der 1920er-Jahre in Italien rasch eine Bewegung, deren Anhänger sich selbst als Faschisten bezeichneten und deren Symbol, das Rutenbündel (italienisch: fascio), die Stärke und Überlegenheit des Bundes gegenüber dem Einzelnen bedeutet. Die italienische Entwicklung diente teilweise den deutschen Nationalsozialisten als Vorbild, sodass Faschismus und Nationalsozialismus (schwarze und braune Faschisten) teilweise gleichbedeutend verwendet werden. Gemeinsam ist ihnen a) eine charismatische, autoritäre Führerfigur, b) die strikte Unterwerfung unter das Führerprinzip und c) der hierarchische Aufbau der politischen Organisation; weiterhin d) das rechtsextreme, offen rassistische und fremdenfeindliche Gedankengut und e) die (in Bezug auf andere politische Überzeugungen) negative Eigendefinition (als antidemokratisch, anti-parlamentarisch, antiliberal, anti-humanistisch etc.).

Rechtskonservativ

Rechts von christlich-konservativ Positionen kann das rechtskonservative Spektrum verortet werden. Dabei wird zwar vom Rechtsradikalismus unterschieden, allerdings ist der Übergang teilweise fließend. Rechtskonservativ ist, wer sich mit demokratischen Prinzipien und Werten nicht verbunden fühlt, Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung nicht ausdrücklich ablehnt, für eine Begrenzung von Zuwanderung ist, um eine kulturelle Überfremdung zu verhindern, gegen eine Integration Europas ist und keine Opposition im Parlament akzeptiert.

Rechtsradikal

Als radikal (von lateinisch "radi" = Wurzel, Ursprung) werden politisch-ideologische Grundeinstellungen beziehungsweise Bestrebungen bezeichnet, die gesellschaftliche Fragen und Probleme von deren Ursprüngen bis in die letzten Details, also mit besonderer Konsequenz und einseitiger Kompromisslosigkeit, zu lösen suchen. Radikale Strömungen verstoßen nicht zwangsläufig gegen die Prinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Von den Behörden und der Sozialwissenschaft wird der Begriff Rechtsradikalismus in der Regel auf Personen und Organisationen gerichtet, die klar rechts der Mitte des politischen Spektrums stehen, dabei allerdings im Rahmen der Verfassung bleiben. Der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht Rechtsradikalismus in der Regel nicht feindlich gegenüber. Die Grenzen vom Rechtsradikalismus zum Rechtsextremismus sind dabei allerdings häufig fließend. Einer Definition des Politikwissenschaftlers Michael Minkenberg zufolge schließt der Rechtsradikalismusbegriff "auch Kräfte und Bewegungen" ein, die "die geltende demokratische Ordnung als solche nicht in Frage stellen, jedoch durch Rückgriff auf den ultranationalistischen Mythos eine Radikalisierung nach rechts und damit eine Revision der Verfassungswirklichkeit anstreben."

Extremismus

Der Begriff Extremismus unterliegt einer Zweideutigkeit, aus der sich eine Vielzahl an Debatten und Kontroversen ergibt. Von einigen Liberalen und Libertären wird beispielsweise argumentiert, dass extremistische Ziele und Ideen an sich "unproblematisch" seien, solange sie friedlich und mit legalen Mitteln verfolgt würden. Die Lehre aus dem Aufstieg der Nationalsozialisten - so der österreichische Philosoph Karl Popper - sei, dass tolerante Gesellschaften die Pflicht hätten, sich gegen jegliche Art von Extremisten zu verteidigen: "Wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen." Hieraus leitet sich das Prinzip der "wehrhaften Demokratie" ab. Für Wissenschaftler ergibt sich aus der Zweideutigkeit des Begriffs eine Notwendigkeit zur Abgrenzung. Viele Forscher unterscheiden deshalb zwischen "kognitiven Extremisten" - also Menschen, deren Ziel- und Wertvorstellungen dem gesellschaftlichen Konsens drastisch widersprechen - und "gewaltbereiten Extremisten"

Nationalismus

Übersteigertes Bewusstsein vom Wert und der Bedeutung der eigenen Nation. Im Gegensatz zum Nationalbewusstsein und zum Patriotismus (Vaterlandsliebe) glorifiziert der Nationalismus die eigene Nation und setzt andere Nationen herab. Zugleich wird ein Sendungsbewusstsein entwickelt, möglichst die ganze Welt nach den eigenen Vorstellungen zu formen.

Nationalsozialismus

Nationalsozialismus bezeichnet eine politische Bewegung, die in Deutschland in den Krisen nach dem Ersten Weltkrieg entstand, 1933 die Weimarer Demokratie beendete und eine Diktatur (das sogenannte Dritte Reich) errichtete. Der Nationalsozialismus verfolgte extrem nationalistische, antisemitische, rassistische und imperialistische Ziele. Politisch schloss der Nationalsozialismus an die radikale Kritik und Ablehnung der demokratischen Prinzipien an und bekämpfte den Friedensvertrag von Versailles. Der Nationalsozialismus war keine geschlossene Lehre, sondern begründete eine "Weltanschauung", in deren Mittelpunkt die Idee des "arischen Herrenvolkes" stand, das sich aller Mittel zu bedienen hat, um sich "Lebensraum" zu schaffen, andere (angeblich minderwertige) Völker und Nationen zu unterdrücken und die Welt vom (angeblich einzig Schuldigen, dem) Judentum zu befreien. Die Verachtung des Menschen im Nationalsozialismus fand Ausdruck in der fabrikmäßigen Tötung von Millionen wehrloser Opfer.