Werbung
Deutsche Märkte geschlossen
  • DAX

    18.161,01
    +243,73 (+1,36%)
     
  • Euro Stoxx 50

    5.006,85
    +67,84 (+1,37%)
     
  • Dow Jones 30

    38.239,66
    +153,86 (+0,40%)
     
  • Gold

    2.349,60
    +7,10 (+0,30%)
     
  • EUR/USD

    1,0699
    -0,0034 (-0,32%)
     
  • Bitcoin EUR

    59.751,46
    -953,51 (-1,57%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.383,71
    -12,82 (-0,95%)
     
  • Öl (Brent)

    83,66
    +0,09 (+0,11%)
     
  • MDAX

    26.175,48
    +132,30 (+0,51%)
     
  • TecDAX

    3.322,49
    +55,73 (+1,71%)
     
  • SDAX

    14.256,34
    +260,57 (+1,86%)
     
  • Nikkei 225

    37.934,76
    +306,28 (+0,81%)
     
  • FTSE 100

    8.139,83
    +60,97 (+0,75%)
     
  • CAC 40

    8.088,24
    +71,59 (+0,89%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.927,90
    +316,14 (+2,03%)
     

VW droht Großaktionär Piëch mit Klage

Ex-VW-Aufsichtsratschef Piëch hat in der Abgasaffäre neben Ex-VW-Chef Winterkorn auch mehrere Aufsichtsräte schwer belastet. Der Konzern wehrt sich gegen die Vorwürfe und droht dem Großaktionär mit einer Klage.

Der Streit zwischen Volkswagen und dem früheren Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch spitzt sich zu. Der Aufsichtsrat des Konzerns wehrte sich am Mittwoch gegen Vorwürfe von Piëch, wonach Ex-Chef Martin Winterkorn und Aufsichtsratsmitglieder schon früher als bekannt über den Dieselskandal informiert wurden. In einer internen Untersuchung seien die Behauptungen bereits im vergangenen Jahr detailliert überprüft und als unglaubwürdig eingestuft worden, erklärte der Aufsichtsrat des Autobauers am Mittwoch. Der Konzern drohte dem VW-Großaktionär Piëch mit einer Klage.

Der „Spiegel“ hatte vergangene Woche berichtet, Piëch habe in einer ausführlichen Aussage bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig erklärt, Winterkorn habe früher als bislang eingeräumt von dem Dieselbetrug erfahren. Demnach soll der später im Groll bei VW ausgeschiedene Piëch Ende Februar 2015 von einem Informanten den Hinweis erhalten haben, dass VW ein großes Problem in den USA habe, weil das Unternehmen mit einer Software die Abgaswerte manipuliere.

Laut „Spiegel“ will Piëch Winterkorn damals darauf angesprochen haben. Er habe die Sache im Griff, soll Winterkorn damals entgegnet haben. Laut einem Vorabbericht der „Bild am Sonntag“ vom Mittwoch hatte Piëch nach Winterkorn im März auch das sechsköpfige Aufsichtsratspräsidium darüber informiert. Piëch habe gegenüber der Staatsanwaltschaft Braunschweig entsprechend ausgesagt. Zu den Aufsichtsräten, die der VW-Patriarch informiert habe, gehöre auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD).

Über dieses brisante Gespräch habe er anschließend das Präsidium des Volkswagen-Aufsichtsrates unterrichtet, soll Piëch ausgesagt gaben. Die Präsidiumsmitglieder hätten demnach Winterkorn ihr Vertrauen ausgesprochen.

WERBUNG

In dem Gremium saßen damals außer Weil auch Betriebsratsboss Bernd Osterloh, der frühere IG-Metall-Chef Berthold Huber und Anteilseigner Wolfgang Porsche. Sie alle hätten demnach viel früher als bislang behauptet von der Abgas-Affäre gewusst.

Nach Angaben des Konzerns hat Piëch bereits im Frühjahr 2016 im Rahmen der internen Untersuchung ähnliche Anschuldigungen gemacht. Diese Darstellung sei durch die von VW mit der unabhängigen Untersuchung beauftragte Kanzlei Jones Day detailliert überprüft worden.

„Dabei haben sich keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser Behauptungen ergeben, sie wurden insgesamt als unglaubwürdig eingestuft“, hieß es in der Erklärung des VW-Aufsichtsrats. Sämtliche betroffenen Mitglieder des Aufsichtsratspräsidiums hätten unabhängig voneinander alle Behauptungen von Piëch klar und nachdrücklich als falsch zurückgewiesen. VW drohte dem Großaktionär, der über Jahrzehnte das Geschick des Wolfsburger Konzerns bestimmte, zugleich mit einer Klage: „Der Vorstand wird mögliche Maßnahmen und Ansprüche gegen Herrn Piëch sorgfältig prüfen.“ Piëch war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen.

Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil, der auch im Aufsichtsratspräsidium von VW sitzt, erklärte: „Mir sind diese Vorwürfe seit einigen Monaten bekannt. Sie sind einer unabhängigen Prüfung unterzogen und als unglaubwürdig bewertet worden. Tatsächlich hat es im Frühjahr 2015 von keiner Seite Hinweise an mich gegeben, Volkswagen nehme unzulässigerweise Einfluss auf Schadstoffwerte. Davon habe ich erst am 19. September 2015 erfahren. Jede anderslautende Darstellung ist schlichtweg falsch.“

Auch die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat wies die Vorwürfe zurück. Der frühere IG-Metall-Chef Berthold Huber, der im November 2015 aus dem VW-Aufsichtsrat ausschied, drohte Piëch ebenfalls mit einer Klage. „Ich behalte mir vor, juristisch gegen Ferdinand Piëch vorzugehen, das lasse ich so nicht stehen“, sagte Huber der Nachrichtenagentur Reuters.

„Ich kann vor jedem Gericht der Welt schwören, dass Piëch nicht mit mir über diesen Sachverhalt geredet hat, weder unter vier noch unter zehn Augen.“ In einer gemeinsamen Stellungnahme erklärten Betriebsratschef Bernd Osterloh und Huber, dass die Behauptung von Piëch unwahr sei. „Hätte uns Dr. Piëch in Kenntnis gesetzt, dann hätten wir das Unternehmen und die Belegschaften vielleicht vor großem Schaden bewahren können. Jetzt erwarten wir, dass der Vorstand umgehend prüft, ob er gegen Piëch vorgehen muss.“

Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft hatte erst Ende Januar die Ermittlungen gegen den ehemaligen VW-Chef Winterkorn auf den Betrugsverdacht ausgeweitet. Laut den Strafverfolgern hatten sich „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ ergeben, dass der ehemalige Konzernchef früher als von ihm öffentlich behauptet von der Betrugssoftware und ihrer Wirkung gewusst haben könnte. Dabei berief sich die Ermittlungsbehörde auf eigene Vernehmungen von Zeugen und die Auswertung beschlagnahmter Dateien. Neben Winterkorn rückten weitere Verdächtige ins Visier der Staatsanwaltschaft, sie ermittelt inzwischen gegen 37 Beschuldigte.

Winterkorn hat mehrfach beteuert, erst im September 2015 von den millionenfachen Abgasmanipulationen erfahren zu haben. Sollte sich herausstellen, dass er oder Aufsichtsratsmitglieder früher davon wussten, hätten Anleger Argumente, um Schadensersatz für erlittene Kursverluste ihrer VW-Aktien zu fordern.

Der damalige VW-Chef war im September 2015 von seinem Amt an der Spitze von Europas größtem Autokonzern zurückgetreten, kurz nachdem die Abgasmanipulation durch die US-Umweltbehörden öffentlich bekannt gemacht wurde. Wenige Monate vorher, im April 2015, hatte der damalige Konzernlenker einen Machtkampf gegen seinen Ziehvater Piëch überstanden. Piëch zog sich daraufhin aus dem Konzern zurück. Auslöser für den Streit war damals ein Zitat Piëchs im „Spiegel“, er sei „auf Distanz zu Winterkorn“. Damit durchkreuzte Piëch Winterkorns Hoffnung, ihn als Aufsichtsratschef beerben zu können.

Warum Piëch von Winterkorn abrückte, blieb im Dunkeln. Er selbst äußerte sich nie dazu.

KONTEXT

Die Kosten des Dieselskandals für Volkswagen

Teure Folgen

Für die jüngste Einigung mit US-Klägern in Sachen Dieselskandal muss der Volkswagen -Konzern eine weitere milliardenschwere Last schultern. Mindestens 1,2 Milliarden Dollar (umgerechnet 1,1 Milliarden Euro) muss der Konzern rund 80.000 Besitzern großer Dieselautos in den USA mit umweltbelastenden Drei-Liter-Motoren an Schadenersatz und für den Rückkauf eines Teils der Fahrzeuge bezahlen. Die Kosten könnten nach Gerichtsangaben auf umgerechnet bis zu 3,7 Milliarden Euro steigen, sollten die US-Umweltbehörden die Reparatur eines Großteils der Wagen nicht abnehmen. VW selbst geht davon aus, dass die Reparaturen genehmigt werden.

Knapp vier Milliarden Euro müssen die Wolfsburger bereits für Strafen und Bußen in den USA hinblättern. VW hat mitgeteilt, dass dies die bisherigen Rückstellungen übersteigt und die Ergebnisse 2016 belasten könne. Bisher hat der Konzern 18,2 Milliarden Euro für den Skandal um weltweit millionenfach manipulierte Abgaswerte bei Dieselautos zur Seite gelegt. Doch abschließend sind die Kosten noch nicht zu beurteilen. Analysten schätzen, dass der Skandal am Ende zwischen 25 und 35 Milliarden Euro kosten könnte. Die größte Unsicherheit geht von den vielen Anlegern aus, die VW vorwerfen, sie zu spät über Dieselgate informiert zu haben und deshalb Schadenersatz fordern.

Vergleich mit US-Kunden zu größeren Motoren

Kurz vor Weihnachten klopfte VW mit den US-Umweltbehörden einen Kompromiss über die Schadenersatzansprüche für etwa 80.000 Diesel-Wagen mit 3,0-Liter-Motoren fest. Ein Viertel der Geländewagen von Audi, VW und Porsche soll zurückgekauft und weitere knapp 60.000 umgerüstet werden, sobald die Behörden die Freigabe für die technische Lösung erteilen. Die Höhe der Kosten bezifferte Volkswagen nun mit etwa 1,2 Milliarden Dollar. Zuvor waren sie auf eine Milliarde Dollar geschätzt worden. Schultern muss die Kosten die Tochter Audi, weil sie die 3-Liter-Motoren entwickelt hat. Der nächste Gerichtstermin zur vorläufigen Genehmigung ist für den 14. Februar angesetzt.

Strafzahlung in den USA

Mit dem US-Justizministerium einigte sich Volkswagen Anfang Januar auf eine Strafzahlung von 4,3 Milliarden Dollar. Das ist deutlich mehr, als andere Autobauer für Verfehlungen in den USA hinlegen mussten, und auch mehr, als Analysten erwartet hatten.

Vergleich mit US-Kunden zu kleineren Motoren

Im Oktober einigte sich VW mit Hunderten Sammelklägern, Behörden und US-Bundesstaaten über die Höhe der Entschädigung für Käufer von Autos mit den kleineren 2,0-Liter-Dieselmotoren. Das kostet den Konzern bis zu 15,3 Milliarden Dollar (14,5 Milliarden Euro). Der größte Teil entfällt auf den Rückkauf der bis zu 475.000 Fahrzeuge, für den gut zehn Milliarden Dollar reserviert sind. Die tatsächlichen Kosten hängen aber davon ab, wie viele Dieselbesitzer ihre Wagen zurückgeben. Bis vor Weihnachten hatten 104.000 Besitzer in den Rückkauf eingewilligt. Eine Alternative ist die Reparatur der Fahrzeuge. Bisher hat VW die Genehmigung für die Umrüstung von rund 70.000 Autos mit 2,0-Liter-Motor.

Zahlreiche US-Bundesstaaten wollen zudem zivilrechtlich versuchen, einen höheren Schadensersatz durchzusetzen, weil sie mit dem Vergleich nicht zufrieden sind. Dabei geht es um Hunderte Millionen Dollar.

Entschädigung für US-Händler

Seinen rund 650 US-Händlern zahlt VW insgesamt 1,21 Milliarden Dollar Entschädigung, weil sie seit fast einem Jahr keine Dieselautos mehr verkaufen durften. Der Vereinbarung zufolge kauft VW unverkäufliche Diesel-Autos von den Händlern zurück, hält an Bonuszahlungen fest und verzichtet für zwei Jahre auf geforderte Umbauten.

Rückrufe in Europa

Ein großer Brocken ist auch die Umrüstung der rund 8,5 Millionen Dieselautos in Europa. Kostenschätzungen reichen von gut einer bis drei Milliarden Euro.

Entschädigung auch in Europa?

Bundesweit klagen Autobesitzer vor mehreren Gerichten wegen überhöhter Stickoxidwerte auf Rückabwicklung des Kaufs oder Schadensersatz. Allein vor dem Landgericht Braunschweig sind knapp 226 solcher Klagen anhängig. Die auf Verbraucherschutzverfahren spezialisierte Onlineplattform MyRight, die mit der US-Kanzlei Hausfeld zusammenarbeitet, reichte zu Jahresbeginn die erste Musterklage ein. Eine finanzielle Entschädigung der Kunden in Europa lehnt VW ab, obwohl sich Forderungen nach einem ähnlichen Vergleich wie in den USA mehren. Sollten diese dennoch fällig werden, könnte das Volkswagen wegen der viel größeren Zahl betroffener Kunden im Vergleich zu den USA finanziell ruinieren, fürchten Experten. Der Autoanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler geht von einem Wertverlust in einer Größenordnung von 500 Euro je Fahrzeug aus.

Vergleich in Kanada

Kanadischen Kunden zahlt VW 2,1 Milliarden kanadische Dollar an Schadenersatz für Dieselautos mit manipulierter Abgasreinigung

Aktionärsklagen

Weltweit sieht sich Volkswagen zudem mit milliardenschweren Schadensersatzklagen von Investoren und Kleinaktionären konfrontiert. Die Inhaber von Aktien und Anleihen werfen Volkswagen vor, zu spät über das Ausmaß des Abgasskandals informiert zu haben und wollen einen Ausgleich für Kursverluste durchsetzen. Zu den Klägern gehören große US-Pensionsfonds, der Norwegische Staatsfonds, aber auch der Versicherungskonzern Allianz und die Dekabank. Auch die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und Hessen klagen wegen Kursverlusten von Pensionsfonds. Beim Landgericht Braunschweig liegen mehr als 1500 Klagen über insgesamt 8,8 Milliarden Euro vor. Dazu soll es ein Musterverfahren vor dem OLG Braunschweig geben. Anlegerklagen muss sich VW auch in den USA stellen.

Teure Anwälte

Die Scharen an Anwälten, die Volkswagen weltweit wegen des Dieselskandals beschäftigt, kosten ebenfalls viel Geld. Der Autoexperte Pieper geht von bis zu einer Milliarde Euro aus, sein Kollege Ellinghorst schätzt die Anwaltskosten auf mehrere hundert Millionen. Auch gegnerische Anwälte muss VW bezahlen - zum Beispiel 175 Millionen Dollar an Juristen, die in den USA die 475.000 Auto-Besitzer mit manipulierten 2,0-Liter-Motoren vertreten hatten.

Quelle: Reuters