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„Ein paar Produkte habe ich von der Einkaufliste gestrichen“

Auch nach dem Wilke-Skandal könnten sich Verbraucher nicht auf rechtzeitige Informationen von Behörden verlassen, kritisiert ein Experte für Produktrückrufe – und verrät, auf welche Lebensmittel er inzwischen verzichtet.

Anfang Oktober wurde der Fleischhersteller Wilke geschlossen, nachdem Listerien-Keime in seinen Produkten entdeckt worden waren. Drei Todes- und 37 Krankheitsfälle werden mit Wilke-Produkten in Verbindung gebracht. Foto: dpa
Anfang Oktober wurde der Fleischhersteller Wilke geschlossen, nachdem Listerien-Keime in seinen Produkten entdeckt worden waren. Drei Todes- und 37 Krankheitsfälle werden mit Wilke-Produkten in Verbindung gebracht. Foto: dpa

Vor zwölf Jahren hat Gert Kretschmann angefangen, sich mit Produktrückrufen zu beschäftigen, nachdem sein Fernseher unvermittelt anfing zu qualmen. Der Hersteller hatte das Gerät schon lange zurückgerufen – aber Kretschmann hatte das nie erfahren. Das wollte er ändern und startete sein eigenes Angebot namens produktrueckrufe.de. Durchschnittlich zwei bis drei Stunden am Tag verbringt Kretschmann damit, Warnhinweise von Unternehmen zu sichten, bei Google und in den EU-Datenbanken nach neuen Meldungen über Rückrufe zu fahnden – und die Informationen für sein Portal aufzubereiten. Aktuell hat er viel zu tun: der Skandal um Listerien-Keime in Wurst und Fleisch sorgt für Aufsehen, immer wieder müssen gefährliche oder unhygienische Lebensmittel aus dem Verkehr gezogen werden – und Kretschmann informiert darüber oft schneller als die staatliche Internetplattform lebensmittelwarnung.de.

Glassplitter in der Bolognese-Sauce, Chlorat im Aldi-Fisch und leicht verderbliche Bärenmarke-Milch: Als Verbraucher hat man das Gefühl, es gibt jeden Tag neue Lebensmittelrückrufe. Wird unser Essen immer unsicherer?
Ich vermute eher, dass das Thema in der Öffentlichkeit zunehmend beachtet wird. Über Rückrufe von Lebensmitteln, die früher unter dem Radar vieler Medien geblieben sind, wird nicht zuletzt seit dem Wilke-Fall intensiver berichtet. Das ist angesichts eines Skandals von solcher Dimension aber auch kaum verwunderlich.

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Anfang Oktober war der Fleischhersteller Wilke geschlossen worden, nachdem Listerien-Keime in seinen Produkten entdeckt worden waren. Drei Todes- und 37 Krankheitsfälle werden mit Wilke-Produkten in Verbindung gebracht. Kann sich so etwas wiederholen?
Durchaus, es gibt immer wieder Probleme mit verunreinigten und manipulierten Lebensmitteln. Umso wichtiger wäre ein funktionierendes Warnsystem für die Verbraucher. Aber genau daran hapert es.

Es gibt doch das staatliche Portal Lebensmittelwarnung.de auf dem alle Produktrückrufe veröffentlicht werden.
Bis die relevanten Informationen dort auftauchen, kann es dauern. Selbst bei potenziell lebensgefährlichen Bedrohungen ist nicht immer gewährleistet, dass über die Internetseite schnell genug gewarnt wird.

Woran liegt das?
Die Behörden von 16 Bundesländern sind involviert, die immer individuell prüfen und entscheiden, ob eine Rückrufaktion für sie relevant ist und auf dem Portal veröffentlicht wird. Das führt zu vermeidbaren Verzögerungen, die lebensgefährlich sein können. Selbst nach dem Wilke-Fall scheint es kein großes Umdenken gegeben zu haben.

Woran machen Sie das fest?
Nehmen Sie ein Beispiel: Am vergangenen Samstag hat eine ostfriesische Schlachterei einen Fleisch- und Wurstwarenrückruf gestartet. Nach Angaben des Betriebes liegt eine mögliche Gesundheitsgefährdung durch Listerien vor. Trotzdem fand sich auch drei Tage später noch kein Hinweis dazu auf lebensmittelwarnung.de - trotz der Wilke-Vorgeschichte.

Das Fleisch wurde doch nur regional verkauft...
Wenn man den Anspruch hat, alle deutschen Verbraucher auf einem Portal gebündelt zu informieren, gehören auch regionale Rückrufe dazu. Es handelt sich auch nicht um einen Einzelfall. Am 2. November hat die Firma Fleisch-Krone Feinkost verschiedene Frikadellen-Varianten zurückgerufen, die in den Läden von Norma und Rewe verkauft wurden. Wieder ging es um Listerien. Wieder dauerte es, bis alle Behörden für ihr jeweiliges Bundesland ermittelt hatten, ob die Bürger vielleicht doch mal vor dem Verzehr gewarnt werden sollten.

Wie lange brauchten die Behörden denn im Frikadellen-Fall?
Auf jeden Fall zu lange. Erst fünf Tage nach der Erstinformationen über die belasteten Norma-Frikadellen wurde die Liste der betroffenen Bundesländer bei Lebensmittelwarnung.de um Berlin, Hessen, Sachsen-Anhalt und Thüringen erweitert. Solche Verzögerungen sind nicht nur bei Listerien gefährlich. Geschwindigkeit ist auch entscheidend, wenn Fremdkörper wie Edelstahlborsten in Schokoriegeln oder Plastikteile in der Nudelsuppe gefunden werden. Da ist bei den Behörden noch viel Luft nach oben.

Haben Sie angesichts der vielen Rückrufe, über die Sie auf produktrueckrufe.de informieren, auch ihren persönlichen Speiseplan umgestellt?
Ein paar Produkte, wie französischen Weichkäse, Salami und Lachs habe ich tatsächlich von der Einkaufsliste gestrichen. Da gab es mir ein paar Rückrufe zu viel, in denen Coli-Bakterien, Salmonellen oder Listerien eine Rolle spielten.

Was sollten Unternehmen tun, damit Verbraucher besser informiert werden?
Die Musterlösung ist ganz einfach: Neben einem Medien-Mix mit Zeitungsanzeigen sowie über die Internetseite, Newsletter und Social-Media-Kanäle des Unternehmens gehören auch und unbedingt Aushänge dazu. Die sollten auffällig gestaltet, mit allen relevanten Details und in Augenhöhe sowie Leseentfernung in sämtlichen Verkaufsstellen an markanten Stellen angebracht sein. Gut gemachte Aushänge werden auch als Beleg unternehmerischer Produktverantwortung gesehen, zudem dienen sie einer enormen Entlastung von Verkaufspersonal und Hotlines.