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Nur noch etwa jeder zweite Beschäftigte in Deutschland arbeitet nach Tarif

Die Tarifbindung nimmt weiter ab, zeigt eine aktuelle Untersuchung. Dabei betonen Politiker in der Coronakrise häufig den Wert von Tarifverträgen.

Im Einzelhandel werden weniger als 30 Prozent der Beschäftigten nach Tarif bezahlt. Foto: dpa
Im Einzelhandel werden weniger als 30 Prozent der Beschäftigten nach Tarif bezahlt. Foto: dpa

In der Coronakrise ist wieder häufig von Tarifverträgen als Garant für gute Arbeitsbedingungen und Bezahlung die Rede. Supermarktkassiererinnen oder Pflegekräften sei nicht allein mit Merci-Schokolade oder Applaus vom Balkon gedient, sagt Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) immer wieder, sie verdienten auch vernünftigen Tarifschutz. Doch in vielen Bereichen sei die Tarifbindung „lausig“.

Tatsächlich arbeiteten im vergangenen Jahr 44 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland in Betrieben mit Branchentarifvertrag. Das zeigen jetzt neue Daten aus dem Betriebspanel des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). In Westdeutschland arbeiteten 46 Prozent der Beschäftigten in Tarifbindung – zwei Prozentpunkte weniger als ein Jahr zuvor. In Ostdeutschland sank die Quote gegenüber dem Vorjahr um einen Prozentpunkt auf 34 Prozent.

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Zu den Flächentarifverträgen, die in ganzen Branchen wie der Metall- und Elektroindustrie oder der Chemischen Industrie zur Anwendung kommen, kommen die Firmentarifverträge. Sie gelten für einzelne Unternehmen wie beispielsweise Volkswagen. Nach einem solchen Haustarifvertrag arbeiteten 2019 im Westen sieben Prozent und im Osten elf Prozent der Beschäftigten, in ganz Deutschland waren es acht Prozent.

Das bedeutet, dass es für rund 47 Prozent der westdeutschen und 55 Prozent der ostdeutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keinen Tarifvertrag gab. In Gesamtdeutschland lag der Anteil bei 48 Prozent.

Kein Weihnachts- oder Urlaubsgeld

Gut die Hälfte dieser Beschäftigten in Westdeutschland und etwa 43 Prozent in Ostdeutschland arbeiteten laut IAB aber in Betrieben, die sich nach eigenen Angaben an einem Branchentarifvertrag orientieren. So kann es beispielsweise sein, dass ein Unternehmen die Bezahlung nach Tarif ausrichtet, dafür aber im Betrieb eine andere Wochenarbeitszeit gilt oder Leistungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld nicht gezahlt werden.

Wechselt man von den Beschäftigten auf die Unternehmensebene, so zeigt sich, dass für 73 Prozent der Betriebe in Deutschland kein Tarifvertrag gilt. Im Westen wenden 29 Prozent der Betriebe einen Branchen- oder Firmentarifvertrag an, in Ostdeutschland liegt der Anteil mit 20 Prozent noch niedriger. Von den Unternehmen ohne Tarifbindung gaben aber 42 Prozent im Westen und 34 Prozent im Osten an, sich an einem Branchentarifvertrag zu orientieren.

Dabei gilt die Regel: Je größer die Firma, desto eher gilt dort eine Tarifbindung. So sind Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten im Westen und mit mehr als 500 Beschäftigten im Osten mehrheitlich tarifgebunden. Vor allem in Ostdeutschland wächst mit zunehmender Größe aber auch die Neigung, sich eher einem Firmen- als einem Flächentarif zu unterwerfen.

Auch bei den Branchen gibt es Unterschiede. Traditionell weisen die Bereiche Energie, Wasser, Abfall und Bergbau, das Baugewerbe und die öffentliche Verwaltung eine überdurchschnittliche Tarifbindung aus. Relativ schlecht bestellt ist es um die Tarifabdeckung in den Branchen, die jetzt in der Coronakrise besonders im Fokus stehen.

So gilt im Einzelhandel für gut sieben von zehn Beschäftigten kein Tarifvertrag mehr. Im Bereich Gesundheit, Erziehung und Unterricht liegt der Anteil bei 43 Prozent. Im Verarbeitenden Gewerbe gilt für gut jeden zweiten Arbeitnehmer (56 Prozent) ein Tarifvertrag.

In Deutschland sei die Tarifbindung seit Jahren rückläufig, bilanzieren die Forscher der Denkfabrik der Bundesagentur für Arbeit (BA). „Auch wenn dieser Erosionsprozess schleichend verläuft, so ist der Trend als solcher eindeutig und hält zumindest in Westdeutschland nach wie vor an.“

Zwar nutzten viele der nicht-tarifgebundenen Unternehmen Branchentarifverträge als Referenzrahmen bei der Aushandlung der Löhne und Arbeitsbedingungen. Doch fehle den Beschäftigten in diesen Betrieben „die rechtliche Verbindlichkeit und damit die Sicherheit“, schreibt das IAB.

Tarifverträge seien „eine essenzielle Säule der sozialen Marktwirtschaft“, sagte dazu Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), dem Handelsblatt. „Gute Löhne und anständige Arbeitsbedingungen gibt es nur mit Tarif – das hat sich auch in der Coronakrise wieder gezeigt“, betonte der Gewerkschafter.

Der Gesetzgeber müsse deshalb endlich unterstützend eingreifen – am besten, indem er mit gutem Beispiel vorangehe und öffentliche Aufträge nur noch an tarifgebundene Unternehmen vergebe.

Überdies müsse die Bundesregierung die Möglichkeit weiter erleichtern, Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären. Arbeitgeber dürften die Allgemeinverbindlichkeit nicht länger blockieren können.