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Deutsche Inflation auf Rekordhoch, verstärkt Druck auf EZB

(Bloomberg) -- Die Inflation in Deutschland hat ein neues Allzeithoch erreicht. Dies macht den Ausstieg der Europäischen Zentralbank aus den krisenbedingten Stimulusmaßnahmen noch dringlicher, zumal auch Teuerungsdaten aus Spanien die Schätzungen der Ökonomen übertroffen haben.

Angesichts kletternder Kosten für Energie und Nahrungsmittel sind die harmonisierten Verbraucherpreise in Deutschland im Mai im Vergleich zum Vorjahr um 8,7% gestiegen. Von Bloomberg befragte Analysten hatten mit einem Anstieg um 8,1% gerechnet.

Nächste Woche Donnerstag dürfte die EZB das Ende der groß angelegten Wertpapier-Ankäufe bekannt geben und ihre Pläne bekräftigen, die Zinsen im Juli erstmals seit mehr als einem Jahrzehnt anzuheben.

In Spanien ist die Inflation im Mai zur Überraschung der Volkswirte EU-harmonisiert auf 8,5% gestiegen, von 8,3% im Vormonat. Steigende Kraftstoffkosten wogen schwerer als eine Entspannung bei den Strompreisen. In der Eurozone rechnen bis auf eine Ausnahme alle von Bloomberg befragten Volkswirte mit einer Beschleunigung der Teuerung im Mai, wobei die Medianerwartung 7,8% beträgt.

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Bundesfinanzminister Christian Lindner erklärte in Berlin, dass die Bekämpfung der Inflation oberste Priorität haben müsse. Die Preissteigerungen seien ein enormes wirtschaftliches Risiko und müssten bekämpft werden, damit es nicht zu einer Wirtschaftskrise und einem Teufelskreis komme, in der die Inflation sich selbst aufschaukelt. Die Regierung wolle die verfassungsmäßigen Grenzen für die Nettokreditaufnahme ab dem nächsten Jahr wieder einhalten, so Lindner.

Angesichts der neuen Inflationsdaten wurden europäische Staatsanleihen am Montag abgestoßen. Zehnjährige Bundesanleihen verzeichneten die stärksten Kurseinbußen seit zwei Wochen. Die Rendite der Papiere kletterte 10 Basispunkte auf 1,056%. Bei Italien-Langläufern legte sie sogar 13 Basispunkte zu.

Hinter den Kulissen wird sich der Austausch zwischen den EZB-Mitarbeitern in Frankfurt und in den Zentralbanken der Eurozone vermutlich intensivieren. Nächste Woche wird EZB-Präsidentin Christine Lagarde die neuen Konjunkturprognosen der Notenbank vorstellen und einen Ausblick auf die Straffungspläne für die Geldpolitik bis September geben.

Im EZB-Rat wird vehement darüber gestritten, wie schnell und wie weit die Zinsen angehoben werden sollen. Der Chef der niederländischen Zentralbank, Klaas Knot, wollte eine aggressive Zinserhöhung um einen halben Prozentpunkt, wie sie die US-Notenbank in diesem Monat vorgenommen hat, mit Verweis auf die Inflation nicht ausschließen.

“Diese neuen Zahlen sind extrem wichtig, um die Geschwindigkeit zu bestimmen, mit der Zinserhöhungen erfolgen müssen”, sagte Giorgio di Giorgio, Professor an der Luiss-Universität in Rom, im Bloomberg-Interview. “Es gibt ein echtes Sammelsurium von Faktoren, die zusammenkommen und das Bild verkomplizieren, von der Pandemie bis zu Lieferengpässen, dann der Krieg in der Ukraine, und jetzt Chinas Null-Covid-Politik und ihre Auswirkungen.”

Die Sicht von Bloomberg Economics...

“Zusammen mit der schlechten Stimmung bremsen die hohen Energiekosten die wirtschaftliche Erholung in der Eurozone. Dennoch stärkt der zunehmende Inflationsdruck die Entschlossenheit der EZB, die Zinsen anzuheben. Wir rechnen im Juli, im September und im Dezember mit Zinserhöhungen um 25 Basispunkte.”

--Maeva Cousin und Jamie Rush. Link zur ausführlichen Analyse

Am Dienstag werden Inflationszahlen für Frankreich und Italien vorgelegt sowie für Österreich, Portugal, Slowenien und die Eurozone insgesamt.

Das so genannte Maß für die Kerninflation in der Region, welches volatile Elemente wie Nahrungsmittel und Energie ausklammert, dürfte mit 3,6% im Jahresvergleich ebenfalls einen neuen Rekord erreichen. Im Vergleich zum Vormonat rechnen Ökonomen mit einer Inflation von 0,6%, was der Rate vom April entsprechen würde.

“Selbst wenn die Angebotsschocks abklingen, ist es unwahrscheinlich, dass die disinflationäre Dynamik des vergangenen Jahrzehnts zurückkehrt”, sagte Lagarde letzte Woche in einem Blogbeitrag, in dem sie einen Fahrplan für die Geldpolitik der EZB vorstellte. Infolgedessen sei es angemessen, dass die Geldpolitik zu “normaleren” Einstellungen zurückkehrt.

Lagarde signalisierte für Juni ein Ende der Anleihekäufe, gefolgt von einer Anhebung der Zinsen um jeweils einen Viertelprozentpunkt im Juli und September. Damit würde die Zeit der Negativzinsen enden.

EZB-Chefvolkswirt Philip Lane bekräftigte dieses Szenario in einem am Montag veröffentlichten Kommentar, wonach zwei Erhöhungen dieser Größenordnung nach der Juni-Sitzung ein “Benchmark-Tempo” darstellten.

Im EZB-Rat drängen Knot, sein österreichischer Kollege Robert Holzmann und Lettlands Martins Kazaks darauf, größere Zinsschritte zumindest in Betracht zu ziehen. Bundesbankpräsident Joachim Nagel äußerte in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit dem Spiegel den Wunsch nach mindestens drei Zinserhöhungen, um die EZB-Zinsen bis zum Jahresende über die Null-Marke zu bringen.

Sein französischer Kollege Francois Villeroy de Galhau bestand indessen gegenüber Bloomberg Television vergangene Woche darauf, dass eine Erhöhung um einen halben Punkt nicht dem Konsens innerhalb der Zentralbank entspreche. Er rechne immer noch mit einem Anstieg der Zinsen im nächsten Jahr auf ein als neutral geltendes Niveau, welches die Wirtschaft weder ankurbelt noch dämpft. Villeroy räumte ein, dass die Zinsen möglicherweise noch höher geschraubt werden müssten.

Der frühere britische Notenbanker Charles Goodhart sieht die Mission der EZB durch den Umstand erschwert, dass der Inflationsdruck auf der Angebotsseite fußt. “Die Situation ist für die EZB sehr, sehr schwierig. Sie ist in vielerlei Hinsicht problematischer als für die Fed”, sagte er vergangene Woche auf einer Konferenz in Madrid. “Der Umgang mit einem Angebotsschock ist viel schwieriger als der Umgang mit einem Nachfrageschock.”

Überschrift des Artikels im Original:

Lagarde Prepares for ECB Liftoff With Yet More Record Inflation

(Ergänzt um deutsche Inflation am Textanfang, Lindner-Kommentar im fünften Absatz)

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