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Netflix wird 20: Der unerwartete Siegeszug der albanischen Armee

Netflix’ Konzernzentrale: Los Gatos ist das neue Hollywood (Foto: © Netflix)
Netflix’ Konzernzentrale: Los Gatos ist das neue Hollywood (Foto: © Netflix)

Streaming-Pionier Netflix feiert ein rundes Jubiläum: Bereits 20 Jahre alt wird das US-Internet-Unternehmen, das zu den ganz großen Erfolgsstorys der Digitalisierung zählt und die Film- und Fernsehlandschaft revolutioniert hat. Doch im dritten Jahrzehnt des Firmenbestehens dürfte die Konkurrenz durch Internet- und Tech-Giganten wie Amazon, Apple und Facebook größer werden. Kann Netflix bestehen?

Jeff Bewkes war sich seiner Sache sehr sicher. „Es ist ein bisschen wie die Frage, ob die albanische Armee die Welt erobern wird“ erklärte der Times Warner-CEO 2010 auf die Frage, ob der aufstrebende Streaming-Pionier Netflix für die Traditionsfernsehgesellschaften im Digitalzeitalter einmal eine Bedrohung werden könnte.

Einen flapsigeren Vergleich als den kleinen Balkanstaat, der im Kalten Krieg vier Jahrzehnte lang von West und Ost ignoriert worden war, hätte der Vorstandschef des ruhmreichen TimeWarner-Konzerns, zu dem sowohl CNN als auch HBO („Game of Thrones“) gehört, kaum finden können. Auch im Internetzeitalter würden die tradierten Content-und Distributionsmodelle weiter Bestand haben, so der Irrglaube noch zu Beginn des Jahrzehnts.

Start als DVD-Versender

Zum Start am 29. August 1997 deutete tatsächlich noch nichts darauf hin, dass Netflix zu einem der größten Medien-Imperien des 21. Jahrhunderts würde aufsteigen können: Das von Reed Hastings gegründete US-Unternehmen begann als DVD-Versender und forderte den vermeintlich übermächtigen Platzhirsch Blockbuster heraus.

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Mit der Verbreitung des Breitband-Internets wagte Hastings 2007 dann den großen Paradigmenwechsel, den andere Medien verschlafen hatten: Die Zukunft der Film- und Fernsehindustrie lag im Internet. Dem Geschäftsmodell liegt die Annahme zugrunde, dass sich immer mehr Menschen Selbstbestimmung wünschen, wann und wie sie welche Filme sehen wollen – das klassische TV-Modell mit festen Fernsehzeiten und Werbeunterbrechungen hat ausgedient.

Eigenproduktionen wie „House of Cards“ verhalfen zum Durchbruch

Geld verdient Netflix ausschließlich über sein Abo-Modell: Bereits für 8 Euro im Monat bekommen Kunden in Deutschland, wo der amerikanische Streaming-Dienst seit September 2014 vertreten ist, Zugang zur Netflix-Welt – und damit zu rund 2500 Filmen und 300 Serien, die größtenteils zweisprachig und mit Untertiteln erhältlich sind.

Regelrecht zum Kult („Netflix and Chill“) avancierte Netflix jedoch durch das größte Wagnis in der zwanzigjährigen Firmenhistorie: Um einen unverwechselbaren Charakter zu bekommen, entschied sich Reed Hastings für massive Investition in eigene Inhalte.

Eigenproduktionen wie „House of Cards“ verhalfen zum Durchbruch

Den Anfang machte 2013 der bis heute mit Abstand größte Erfolg: „House of Cards“ um den korrupten US-Politiker Frank Underwood, der es mit seiner skrupellosen Art bis ins Weiße Haus schafft und Zuschauer durch einen direkt an sie gerichteten Erzählstil in den Bann zieht. 100 Millionen Dollar investierte Netflix allein in die erste Staffel, für die die Hollywood-Stars Kevin Spacey und Robin Wright verpflichtet wurden.

Und das war nur der Anfang: Bis heute sind allein über 60 Eigenproduktionen auf Netflix zu sehen – darunter so beliebte Serien wie „Orange is the new Black“, „Bloodline“, Narcos“ oder „Strange Things“. Allein in diesem Jahr strahlt Netflix über 30 neue Eigenproduktionen aus, für die CEO Reed Hastings enorme 6 Milliarden Dollar aufwendet – Material für 28 Tage Nonstop-Streaming.

Schon 104 Millionen Kunden weltweit

Die Wette ging auf: „House of Cards“ räumte nicht nur zahlreiche Preise ab, die bis dato der klassischen TV-Industrie vorbehalten waren, sondern lockte auch scharenweise neue Zuschauer an. Mit 104 Millionen Abonnenten in mehr als 190 Ländern, die täglich über 125 Millionen Stunden Filme und TV-Serien genießen, ist Netflix längst der größte Internet-TV-Anbieter weltweit.

Doch die Konkurrenz schläft nicht. Während es traditionelle TV-Gesellschaften bislang verpassten, mit eigenen Streaming-Angeboten zu kontern, dürften die großen Player der Internet- und Techindustrie zunehmend herausfordern.

Amazon erster Rivale

Vor allem der E-Commerce-Riese Amazon intensiviert seit Jahren seine Video-Streaming-Bemühungen. Kunden seines Premium-Dienstes Prime erfreut Konzernchef Jeff Bezos seit Jahren mit einem immer größeren Angebot, ebenfalls aus zahlreichen Eigenproduktionen bestehend, für das über die Jahresgebühr von 69 Euro hinaus keine weiteren Kosten fällig werden.

Für Amazon ist Prime Video ein Angebot, mit dem der Internetgigant zusätzliche Kunden gewinnen möchte – Gewinne sind sekundär. Wie ernst der nach Google und Facebook drittwertvollste Internetkonzern seine Streaming-Bemühungen nimmt, unterstreichen Aufwendungen für Eigenproduktionen, die in diesem Jahr ebenfalls bereits 4,5 Milliarden Dollar betragen sollen. Das Investment zahlt sich zunehmend aus: Für „Transparent“ gewann Amazon bereits Emmys.

Auch Apple, Facebook investieren massiv in Video-Content

Und damit nicht genug: Auch Facebook hat gerade mit Menü-Kategorie „Watch“ seine Videobemühungen untermauert. In den USA starten in den nächsten Wochen erste kürzere Shows, Hochglanzproduktionen in der Güteklasse von „House of Cards“ oder „Scandal“ sollen folgen.

Diese Ambitionen hat offenbar auch Apple. Der wertvollste Konzern der Welt gab im Juni die Verpflichtung der Sony-Manager Jamie Erlicht und Zack Van Amburg bekannt, die die Erfolgsserien “Breaking Bad” und “Better Call Saul” mitentwickelt haben. Bislang hat Apple als Mehrwert für seinen Musik-Streaming-Dienst lediglich das Viral-Format “Carpool Karaoke“ und eine Reality TV-Show „Planet of the Apps“ angeboten, doch das dürfte der Auftakt der Content-Offensive sein. Wie das Wall Street Journal berichtet, will Apple im nächsten Jahr auch immerhin eine Milliarde Dollar für Serien investieren, die in der Güteklasse von „Game of Thrones“ liegen sollen.

Disney startet eigenen Streaming-Dienst – Barron’s sieht Rückschlagpotenzial

Und dann ist da die Ankündigung, die der Wall Street zuletzt am meisten Sorgen bereitete: Disney,
das aktuell fast 100 Titel in der deutschen Netflix-Bibliothek anbietet (u.a. Klassiker wie „Der König der Löwen“, „Cinderella“ und „Toy Story“) startet ab 2019 mit der zugekauften MLB-Plattform BAMTech seinen eigenen Streaming-Dienst, bei dem dann Filme und Serien der Marke Disney und Pixar exklusiv zu sehen sein werden.

Für Netflix ist das eine Hiobsbotschaft, die die erfolgsverwöhnte Aktie um drei Prozent in die Tiefe zog: Einerseits fehlt dem Streaming-Pionier künftig wertvoller Content, andererseits dürfte mit Disney ein ernst zu nehmender Rivale erwachsen, der das Kapital und das nötige Filmarchiv besitzt, um langfristig eine wichtige Rolle bei der digitalen Distribution von Hollywood-Blockbuster zu sorgen.

„Ein Monster geschaffen“

Entsprechend sorgte sich das US-Wirtschaftsmagazin Barron’s unlängst um Netflix’ Zukunft: In der Titelgeschichte „The Trouble with Netflix“ bescheinigt der Ableger des Wall Street Journals Netflix aufgrund der erwachsenden Konkurrenz und der immer größeren Aufwendungen für Eigenproduktionen, die im nächsten Jahr auf bereits sieben Milliarden Dollar steigen sollen, ein Rückschlagpotenzial von bis zu 50 Prozent.

Analysten bewerten Netflix’ Potenzial unterdessen ganz anders und sehen weiteres Aufwärtspotenzial. “Das Unternehmen befindet sich in Fluchtgeschwindigkeit”, ist etwa Richard Greenfield, Analyst beim Finanzdienstleister BTIG, voll des Lobes für Netflix. Greenfield glaubt, dass sich Netflix aufgrund seiner starken Marktposition mit einem Abonnentenstamm jenseits der 100-Millionenmarke einen fast uneinholbaren Vorsprung erarbeitet habe. “Es wird immer offenkundiger, dass Traditions-Medienunternehmen ein Monster geschaffen haben, das nun ihre finanzielle Zukunft gefährdet”, schrieb Greenfield im Juli in einer Kurzstudie.

Geschäfte laufen blendend – Aktie mit gigantischer Rally

Tatsächlich laufen Netflix’ Geschäfte weiter blendend. Im jüngsten Quartal konnte das US-Unternehmen bereits 2,8 Milliarden Dollar (plus 32 Prozent) umsetzen und unter dem Strich 66 Millionen Dollar (plus 61 Prozent) erwirtschaften. BTIG-Analyst Richard Greenfield ist entsprechend weiter optimistisch und prognostiziert weitere Kurssteigerungen bis auf 225 Dollar, die wiederum einem Börsenwert von knapp 100 Milliarden Dollar entsprechen würden.

Anleger, die frühzeitig an Netflix geglaubt haben, hätten ein Vermögen verdienen können. Für splitbereinigt gerade mal rund einen Dollar wurden Netflix-Aktien im Mai 2002 an der Technologiebörse Nasdaq platziert. Rund 15 Jahre später wechseln die Anteilsscheine des Streaming-Pioniers bereits für Notierungen von 166 Dollar den Besitzer. Ein Investment von gerade mal 6000 Dollar in Netflix-Aktien hätte also ausgereicht, um heute Dollar-Millionär zu sein.

Und ganz nebenbei überrundete Netflix im Juli mit seinem Höhenflug bei Notierungen von über 180 Dollar auch noch den US-Mediengiganten TimeWarner nach dem Börsenwert: Netflix war zeitweise über 80 Milliarden Dollar wert – und damit wertvoller als der Mutterkonzern von CNN, HBO und Warner Bros. Die albanische Armee hat am Ende also doch die Welt erobert…