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Nacho Bautista Ruiz nutzt Pappe gegen das Coronavirus

Der spanische Architekt Nacho Bautista Ruiz machte aus der Not eine Tugend und entwickelte in der Coronakrise Trennwände. Die verkaufen sich blendend.

Nacho Bautista Ruiz hat Erfahrung mit Krisen: 2006 gründet der spanische Architekt mit zwei Studienfreunden ein Architekturbüro. Der Immobilienboom in Spanien war im vollen Schwung, sein Büro gewann internationale Ausschreibungen – aber dann platzte 2008 mit der Finanzkrise die spanische Immobilienblase.

Notgedrungen konzentrierte Ruiz sich mit seinen zwei Mitgründern auf das kleinste Segment im Portfolio des Architektenbüros: Cartonlab. Das bietet Produkte aus recycelbarer Pappe an – Möbel und Lampen, vor allem aber Ausstellungsflächen für Messen und Kongresse. „Wir wollten umweltfreundlicher werden und haben deshalb Karton als Material ausprobiert“, sagt Bautista. „Bei den Kunden kam das so gut an, dass wir uns darauf spezialisiert haben.“

Auf der Landwirtschaftsmesse in Paris Ende Februar hat Cartonlab noch kurz vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie für den Apfel-Produzenten Pink Lady einen Wald aus Pappbäumen entworfen und ausgestellt. Es war einer der letzten Aufträge.

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Die Coronakrise veränderte alles. „Das war für uns dramatisch, weil sämtliche Messen und Veranstaltungen abgesagt wurden – größtenteils bis zum Jahr 2021“, erzählt Bautista. Doch krisenerprobt wie sein Büro bereits ist, nutzte es die Zeit, sich abermals neu zu erfinden.

Zweimal in der Woche schaltete er sich per Zoom mit den Designern seiner Firma zu Brainstorming-Sitzungen zusammen. Jeder sollte darin für einen bestimmten Bereich – etwa Unternehmen, Familie oder öffentlichen Raum – berichten, welche Probleme der Lockdown dort schafft, und wie die sich womöglich mit Lösungen aus Karton beheben lassen.

Es entstanden zahlreiche Ideen wie etwa ein ergonomischer Stuhl für Telearbeiter, die zu Hause keine bequemen Sitze für das stundenlange Arbeiten haben. Viele von ihnen hat das Team wieder verworfen.

Das Virus haftet weniger lang an Karton als an Plastik

Sie einigten sich auf eine Idee: Trennwände aus Karton herzustellen für Geschäfte, öffentliche Verwaltungen und Büros. „Studien zeigen, dass das Coronavirus weniger lang an Pappe haftet als an Plastik“, sagt Bautista und beruft sich auf Veröffentlichungen dazu in einschlägigen Fachjournalen wie „The Lancet“ und „The New England Journal of Medicine“.

Zudem schluckt Pappe Lärm, der gerade in Großraumbüros oft sehr störend ist, und sie bietet zudem einen Sichtschutz. Die Trennwände von Cartonlab lassen sich in neutralem Weiß, hippem Tapetendesign, mit dem Firmenlogo oder den eigenen Fotos als Druck bestellen. Auf Wunsch lassen sie sich mit einem antibakteriellen PVC-Film beschichten, wie er etwa auch in Pappkartons für Lebensmittel verwendet wird.

800 solcher Wände hat er bislang verkauft. Auch nach der Epidemie rechnet Ruiz durch die Nachfrage von Großraumbüros weiter mit Umsatz. Die Kunden sitzen in der Schweiz, in Spanien, Portugal, Deutschland oder Frankreich. „Zusammen mit dem neuen Geschäft in Südamerika können wir damit rund die Hälfte des Umsatzes aus den Monaten des vergangenen Jahres erreichen“, sagt Bautista Ruiz. Cartonlab hat 2019 eine Million Euro umgesetzt, davon blieben rund 35 Prozent als Gewinn übrig.

Mit lokalen Designern in Südamerika – wo die Infektionszahlen in diesen Tagen sehr hoch liegen – entwickelte Cartonlab zudem für die in der Krise aus dem Boden gestampften Feldlazarette Betten, Nachttische und Trennwände zwischen den Patienten. „Die Idee dahinter war nicht, einen Gewinn zu erzielen, sondern als Unternehmen in der Krise unseren Teil zu helfen“, sagt er. Im Einsatz sind die Pappmöbel etwa in Argentinien in den Lazaretten in La Plata und in Cordoba.

Ein Geschenkkarton, der zur Lampe wird

Unter Kollegen ist Bautista für seine ungewöhnlichen Ideen bekannt. „Hier in Murcia, wo Cartonlab sitzt, hat er mit sehr kreativen Entwürfen für einen Boom des Kartons gesorgt“, sagt María José Climent Mondéjar, die an der Katholischen Universität in Murcia Architektur unterrichtet. „Meine Uni hat mir vor einigen Jahren zu Weihnachten einmal Biolebensmittel geschenkt. Die lagen in einem Pappkarton von Cartonlab, der sich nach dem Auspacken zu einer Lampe falten ließ – das ist typisch Nacho“, sagt sie. Climent ist überzeugt, dass in der Architektur nach der Coronakrise stärker auf Nachhaltigkeit und umweltbewusste Materialien gesetzt wird und Designer darauf achten werden, vor allem Materialien wie Plastik zu vermeiden.

Bautista sieht für seine Trennwände auch nach der akuten Krise Potenzial. Er geht davon aus, dass Bürogebäude nach den Erfahrungen des Lockdown anders aussehen werden als bisher. „Einige Mitarbeiter wollen nach den Monaten der Telearbeit nicht mehr zurück ins Büro“, sagt er. Gerade Großraumbüros seien schon vor der Pandemie bei der Belegschaft nicht gerade beliebt gewesen. Die Firmen müssten sich deshalb jetzt überlegen, wie sie die Arbeitsumgebung attraktiver machen. „Architekten rund um den Globus arbeiten derzeit an neuen Raumplänen für Büros“, bemerkt er. Mit dem Sicht- und Schallschutz, den Karton bietet sowie dem individuellen Design, erhofft er sich weitere Aufträge.

Möbel aus Pappe und Karton kamen erstmals in den 70er-Jahren auf, sind bislang aber eher ein Nischenprodukt geblieben. Bautista erklärt das damit, dass die Zeit für das Produkt noch nicht reif gewesen sei. Das in der Krise noch einmal gestärkte Ökobewusstsein könne dem Material, das zu 70 Prozent aus recycelter Pappe besteht, nun zum Durchbruch verhelfen, glaubt er.

Er kann der Coronakrise deshalb persönlich auch etwas Positives abgewinnen. „Wir haben während des Lockdown wieder die Vögel in den Städten gehört“, sagt der Kreative. „Das wird vielen im Gedächtnis bleiben und den Trend zu mehr Umweltbewusstsein stärken.“ Umfragen unter Konsumenten bestätigen das.

Designt wird in Spanien, die Konstruktionspläne verschickt Bautista ganz ohne Transportkosten und schädlichem CO2-Ausstoß per E-Mail an lokale Zulieferer. Die lassen damit vor Ort produzieren und stecken die leichten Einzelteile nach dem Ikea-Prinzip beim Kunden zusammen – oder der Kunde baut sie gleich selbst auf. Digitale Produktionspläne ermöglichen zudem Einzelanfertigungen mit Sonderwünschen und individuellem Design für jeden Kunden.

Deshalb hat der Architekt auch keine Angst davor, dass seine Entwürfe nachgeahmt werden. „Unser Modell ist nicht, ein Design patentieren zu lassen – es ist sehr leicht, Entwürfe aus Karton zu kopieren“, sagt er. „Es geht darum, immer neue Ideen zu entwickeln.“ Dass ihm das gelingt, hat er in zwei großen Krisen bewiesen.

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