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Mutige Angreifer: Wie Fintechs mit „Made in Germany“ den Finanzplatz USA erobern wollen

Bei ihrer Expansion in den US-Markt wählen deutsche Finanz-Start-ups unterschiedliche Strategien – auch Übernahmen gehören neuerdings dazu.

Die deutschen Fintechs schätzen New York wegen der Nähe zu den Banken und der geringen Zeitverschiebung zu Deutschland. Foto: dpa
Die deutschen Fintechs schätzen New York wegen der Nähe zu den Banken und der geringen Zeitverschiebung zu Deutschland. Foto: dpa

Den amerikanischen Markt zu erobern gehört zu den großen Träumen europäischer Gründer. Um das Ziel schneller zu erreichen, hat die Anlageplattform Raisin, die in Deutschland unter der Marke Weltsparen agiert, gerade das Technologieunternehmen Choice Financial Services übernommen.

Diese Firma mit acht Mitarbeitern wurde in Madrid gegründet und ist in den USA als Dienstleister für Banken aktiv. Wie Michael Stephan, Co-Gründer von Raisin, dem Handelsblatt sagte, ist die Übernahme „ein wichtiger Schritt in Richtung einer eigenen Endkundenplattform in den USA“. Doch der Konkurrent Deposit Solutions ist ebenfalls in Amerika unterwegs und könnte schneller sein.

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In Europa ist Raisin seit sieben Jahren aktiv und vermittelt grenzüberschreitend Tages- und Festgeldkonten. Bislang haben nach Angaben der Firma mehr als 225.000 Kunden aus 32 Ländern insgesamt mehr als 18,5 Milliarden Euro über Raisin angelegt. Den Start in den USA hatte das Unternehmen im vergangenen Mai angekündigt.

Neben den Zinsplattformen haben auch die Smartphonebank N26 und der Ident-Dienst WebID Solutions den Schritt in die USA gewagt. Insgesamt sind deutsche Fintechs dort aber wenig vertreten.

Nach Ansicht von Friederike Stradtmann, Expertin für digitale Geschäftsmodelle bei Accenture Strategy, sind die Fintech-Märkte in den USA und Großbritannien dem in Deutschland weit voraus. „Ein in Deutschland entstandenes Fintech muss in den USA zunächst einmal einen Markt finden, der genau zu seinem Portfolio passt, die Bedürfnisse der amerikanischen Kunden trifft und noch nicht durch lokale Player adressiert wurde“, sagt sie.

Rechtliche und regulatorische Gründe könnten eine Expansion innerhalb Europas attraktiver machen als den Sprung in die USA. Außerdem brauche es für eine Expansion Investorengelder.

Auch Goldman Sachs investierte

Raisin hatte erst im vergangenen Jahr 125 Millionen Euro von internationalen Geldgebern eingesammelt – darunter auch die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs. Wie viel für Choice bezahlt wurde, verrät Stephan nicht. „Es war jedenfalls günstiger als eine Bank“, sagt er. 2019 hatte Raisin bereits eine kleine Transaktionsbank und ein Altersvorsorge-Fintech gekauft, 2017 einen Wettbewerber in Großbritannien.

Mit der Technologie von Choice können Sparkonten verwaltet werden. „Die Software setzt an den oft veralteten Kernbankensystemen der Geldhäuser an und ermöglicht individuelle Tages- und Festgeldangebote“, erklärt Stephan.

So könne ein Festgeldvertrag beispielsweise drei Jahre laufen, und jedes Jahr würden zehn Prozent der Einlage ausbezahlt. „Solche individuellen Konditionen sind in den USA gefragt“, so der Gründer, der sich momentan regelmäßig in New York aufhält.

Noch in der ersten Hälfte dieses Jahres will Raisin als Lieferant dieser Technologie in den USA aktiv werden. „Wir haben bisher mit etwa 50 Banken gesprochen, und einige davon wollen mitmachen“, so Stephan. In den Gesprächen habe er auch einiges über die amerikanische Kultur gelernt: „Wenn jemand ‚very interesting‘ sagt, kann das auch bedeuten, dass er etwas komplett blöd findet.“ Deshalb sei er froh, dass Paul Knodel, erfahrener US-Chef von Raisin, in den Gesprächen dabei war.

Ein eigener Marktplatz, über den die Einlagenprodukte dann vermittelt werden können, sei erst für 2021 geplant, so der Manager. Dafür fehle es noch an notwendigen Lizenzen. „Regulatorisch ist der US-Markt sehr komplex, zugleich aber extrem interessant, weil dort die Zinsunterschiede zwischen Giro- und Sparkonten sehr hoch sind“, sagt Stephan. Ein neues Konto zu eröffnen lohne sich daher besonders.

Konkurrenz aus Deutschland

Das Potenzial hat längst auch Konkurrent Deposit Solutions erkannt. Das Hamburger Fintech, das in Deutschland die Plattformen Zinspilot und Savedo betreibt, hatte schon im November 2018 seine Pläne zum US-Start vermeldet.

In den amerikanischen Markt möchte Gründer und Geschäftsführer Tim Sievers mit einer anderen Strategie eintreten als 2012 in den europäischen: „Wir starten in den USA direkt mit einem eigenen Einlagenmarktplatz und treten nicht zuerst als reiner Technologiepartner für Banken auf“, sagte er im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Auf diese Weise können wir unseren Partnerbanken von Beginn an einen Distributionskanal für ihre Einlagenprodukte anbieten.“

Ansonsten könne ein Henne-Ei-Problem entstehen: keine Produkte ohne Vertriebskanäle und keine Vertriebskanäle ohne Produkte. Diese Strategie hatte einst auch Weltsparen bei seinem Start in Deutschland verfolgt.

Auch Sievers' Unternehmen hat 2019 eine Kapitalspritze von Investoren bekommen. Es hat in Europa bereits Einlagen in Höhe von 20 Milliarden Euro vermittelt – über die eigenen Online-Plattformen und die von Kooperationspartnern. Zum Starttermin in den USA gibt sich Sievers bedeckt.

Im vergangenen Jahr habe sein Unternehmen zunächst die komplexen rechtlichen Rahmenbedingungen geklärt. „Wir können unser europäisches Angebot nicht eins zu eins in die USA übertragen“, sagt er. Inzwischen sei die Klärung aber abgeschlossen, und man habe auch die ersten amerikanischen Partnerbanken gewonnen. Auch der Name der Plattform steht schon fest: Savebetter.

Zudem agiere die amerikanische CBW Bank als Transaktionsbank. Bis zu einer sogenannten „Friends and Family“-Phase, bei der zunächst nur wenige Nutzer die Plattform testen, wird es wohl nicht mehr lange dauern.

Wefox beim German Accelerator

Sowohl Raisin als auch Deposit Solutions werden bei ihrem Markteintritt von ihren US-Investoren unterstützt und profitieren etwa von deren Kontakten in der amerikanischen Finanzbranche. Raisin hat im vergangenen Jahr zudem am Programm des German Accelerator in New York teilgenommen, einer Initiative, die vom Bundeswirtschaftsministerium unterstützt wird. Zu den mehr als 200 Absolventen gehört die Smartphonebank N26, die im vergangenen Juli ihr US-Geschäft gestartet hat.

Das Angebot sollte zunächst nach und nach für 100.000 Personen geöffnet werden, die sich auf einer Warteliste eingetragen hatten, sagte Co-Gründer Valentin Stalf damals. Zu neuen Kundenzahlen wollte sich ein Sprecher auf Nachfrage nicht äußern. „Der Start im Juli 2019 verlief aber sehr erfolgreich, und auch danach hat sich das Geschäft positiv entwickelt“, hieß es. Die Teilnahme am German-Accelerator-Programm sei „ein wichtiger Faktor“ für den erfolgreichen Start gewesen.

Ab April wird auch das Versicherungs-Start-up Wefox an dem Programm in New York teilnehmen. Das Unternehmen selbst wollte dies auf Anfrage nicht kommentieren.

Christian Busch, Geschäftsführer des Programms in New York, freut sich aber bereits auf die Zusammenarbeit: „Ich kenne das Wefox-Team schon eine Weile, und mich beeindrucken die Fokussierung und die Geschwindigkeit, mit der sie Dinge umsetzen. Als eines der führenden Versicherungs-Start-ups in Europa hat Wefox die USA als potenziellen Wachstumsmarkt identifiziert, und wir helfen dem Unternehmen gerne dabei, die Möglichkeiten auszuloten.“

Wefox hatte im vergangenen Jahr in zwei Schüben insgesamt rund 200 Millionen Euro von internationalen Investoren erhalten und bislang insbesondere von einer Expansion nach Asien gesprochen. Ohnehin gilt: Längst nicht jeder Absolvent des German Accelerator Programms startet auch tatsächlich in den USA. Die Quote liegt bei 67 Prozent.

Ganz ohne Gründerprogramm arbeitet weiterhin WebID Solutions, ein Anbieter von Identifizierungsverfahren, am Aufbau seines US-Geschäfts. Sein Fokus lag zunächst darauf, vor Ort ein Patent für das Video-Ident-Verfahren zu erhalten. Dieses Ziel wurde im Juni 2018 erreicht.

„Patente haben in den USA eine noch größere Bedeutung als in Europa“, sagt Co-Gründer Frank Jorga. Inzwischen wisse er aber: Wichtig ist auch, vor Ort eine Firma nach US-Recht zu haben. „US-Unternehmen machen lieber Geschäfte mit Firmen, die ebenfalls in den USA sitzen, das haben wir unterschätzt“, so Jorga. Eine solche rechtliche Einheit werde aktuell vorbereitet.

Als einen der ersten Kunden in den USA nennt Jorga Entrust Datacard, das beispielsweise Website-Zertifikate vergibt. WebID stelle seine Technologie bereit. Auch mit Banken sei er im Gespräch. „Wenn wir bis Ende des Jahres zehn große Kunden gewonnen haben, wäre das schon gut“, sagt Jorga.

Für ein schnelleres Wachstum könnte eine neue Finanzierungsrunde sorgen, an der das Unternehmen schon länger arbeitet. „Aktuell befinden wir uns dazu in Gesprächen“, sagt Jorga. Ein US-Investor, von dessen Netzwerk WebID profitieren könne, sei besonders interessant.