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MTU steht vor dem Dax-Aufstieg: Warum das für Anleger ein Börsen-Roulette bedeutet

Am Mittwochabend wird die Deutsche Börse wahrscheinlich den Triebwerkshersteller MTU in den Dax aufnehmen. Doch Anleger sollten nicht zu euphorisch sein.

Ob der Flugzeugturbinen-Hersteller in den Dax aufsteigen wird, hängt von festen Regularien ab. Foto: dpa
Ob der Flugzeugturbinen-Hersteller in den Dax aufsteigen wird, hängt von festen Regularien ab. Foto: dpa

Die Entscheidung über den Aufstieg in die erste Liga fällt am Mittwochabend: Dann erfährt Reiner Winkler, der Chef des börsennotierten Münchener Unternehmens MTU Aero Engines, ob sein Unternehmen in den Dax 30 aufsteigen wird. Dass Thyssen-Krupp absteigen wird, gilt als sehr wahrscheinlich – und der bayerische Triebwerkshersteller ist der haushohe Favorit als Nachfolger für den Stahlkonzern.

„Ein solcher Schritt würde unsere Sichtbarkeit deutlich erhöhen, insbesondere international“, sagte Winkler bereits vor wenigen Tagen im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Wir versprechen uns natürlich auch etwas mehr Prestige.“

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Viele Firmen versprechen sich zwar deutlich steigende Kurse von dem Aufstieg in das oberste Börsensegment. Unklar ist noch, ob sich der Sprung auch für Anleger auszahlt.

Denn die ganz einfache Logik funktioniert nicht so ganz. Die lautet: Wenn allein 17 passive ETF-Indexfonds mit einem Anlagevolumen von insgesamt knapp 18 Milliarden Euro dem Dax folgen, müssen dann die Kurse der Aufsteiger automatisch steigen. Schließlich sind die Fonds gezwungen, die Aktien der Aufsteiger anteilig zu kaufen.

Doch so einfach ist die Sache nicht, das zeigt ein Blick zurück. Denn die Umstellungen der Indizes sind wie ein großes Börsen-Roulette: Mehrmals pro Jahr prüft ein Komitee der Deutschen Börse, ob der Aktienindex Dax die Kursentwicklung der 30 größten und umsatzstärksten deutschen Aktien noch angemessen widerspiegelt.

Ob ein Wechsel stattfindet, wird dabei nach fixen Regularien beurteilt, nach denen die Börse den Dax gestaltet: Bei der Frage, wer in den Index aufgenommen wird, und wer ihn verlassen muss, werden lediglich quantitative Faktoren zugrunde gelegt. Beim Dax sind das in erster Linie der Handelsumsatz, den ein Papier an der Börse erzielt, sowie die Marktkapitalisierung gemessen am frei handelbaren Streubesitz der Aktie.

Mehrere Dutzend Male mussten Firmen vor diesem Hintergrund seit der Gründung 1988 den Dax verlassen. Jedes Mal stiegen dafür andere Unternehmen in die erste Börsenliga auf, darunter so bekannte Firmen wie SAP, Munich Re, Deutsche Post, Adidas oder zuletzt der Zahlungsdienstleister Wirecard aus Aschheim bei München.

Winklers Freude ist darum völlig nachvollziehbar. Für Unternehmen ist die Mitgliedschaft in Deutschlands wichtigstem Börsenindex ein Ritterschlag, der viele Investoren auf die Firma aufmerksam macht. Neben den Dax-ETFs orientieren sich auch viele große Fondsgesellschaften häufig bei ihrer Aktienauswahl an der Zusammensetzung des Dax 30.

Bei der endgültigen Umstellung von Indizes haben die Profis ihren Umschichtungsprozess jedoch meist bereits abgeschlossen – weshalb viele Aufsteiger bereits im Durchschnitt besser als der Gesamtmarkt abschneiden, bevor sie in das Marktbarometer aufgenommen werden.

Es ist eine Lektion, die bereits die Wirecard-Aktionäre lernen mussten. So erreichte die Aktie des Technologie-Dienstleisters ungefähr drei Wochen vor der offiziellen Dax-Aufnahme am 24. September mit einem Kurs von 197,50 Euro einen vermeintlichen Höhepunkt – kurz bevor es dann im Herbst nach der Dax-30-Premiere bei rund 182,50 Euro und einem kurzen Anstieg dann immer tiefer bergab ging bis auf 126 Euro. Das alles passierte noch bevor im Frühjahr 2019 die britische „Financial Times“ mit Vorwürfen den Aktienkurs auf eine Berg- und Talfahrt schickte.

Mehrheit der Dax-Neulinge enttäuscht

Heute hat sich der Kurs des Unternehmens zwar wieder bei mehr als 140 Euro stabilisiert. Wirecard ist jedoch nicht der einzige Dax-Aufsteiger, dem der Schritt in den Index-Olymp unmittelbar danach nicht gut tat. Ein weiteres Beispiel ist der in den Dax aufgestiegene Bayer-Ableger Covestro. Nachdem die ehemalige Tochter der Leverkusener im März 2018 in den Dax einzog, gab der Kurs des Neulings unter dem Strich zunächst deutlich nach.

Zum Dax-Aufstieg am 19. März schloss die Aktie noch mit 81,60 Euro. Danach rutschte das Papier des Kunststoffherstellers nach einem kurzen Höhenflug bis auf 71,66 Euro Ende Juni ab – und notiert heute nur noch mit etwas mehr als 40 Euro an der Börse.

Von den insgesamt acht Unternehmen, die seit dem Ende der Finanzkrise 2009 den Sprung in den Dax schafften, hat die Mehrheit ihren Anlegern in der Folge Verluste beschert. Die letzten Dax-Neuzugänge waren sogar ziemliche Flops für Investoren: Der Medienkonzern Pro Sieben Sat 1, der im März 2016 aufstieg, brockte seinen Investoren massive Kursverluste ein. Zwei Jahre später musste der TV-Konzern seinen Platz im wichtigsten Börsensegment auch schon wieder räumen.

Der Dax-Aufstieg verheißt also nicht zwangsläufig weitere Kursgewinne für die Aktie eines Newcomers. Dass die Dax-Neulinge oft enttäuschen, sobald sie in den Index aufgestiegen sind, hat dabei auch systemische Gründe. Denn um in den Dax aufgenommen zu werden, müssen Unternehmen bereits eine enorme Größe erreicht haben, weil die frei handelbare Marktkapitalisierung eine wichtige Rolle spielt.

Das bedeutet jedoch häufig, dass die Firmen die größte Wachstumsphase bereits hinter sich haben, bevor sie in die Beletage der Börse aufsteigen. Der Kurs von Wirecard hatte sich beispielsweise vor dem Sprung in den Dax in den zurückliegenden fünf Jahren knapp verachtfacht. Nur lassen sich solche extremen Sprünge nicht ewig fortschreiten, da auch die hohen Erwartungen irgendwann eingepreist sind.

Es ist daher riskant zu glauben, man könnte mit einem Dax-Aufstieg automatisch Gewinne einfahren. Denn das Wissen um den bevorstehenden Aufstieg ist fast immer bereits allen großen Marktteilnehmern bekannt – weshalb sich damit leider in der Regel kein großer Profit erzielen lässt.

Stattdessen sollten Investoren lieber mehr auf die Fundamentaldaten schauen. HSBC-Analyst Richard Schramm empfiehlt die MTU-Aero-Engines-Aktie zumindest nicht mehr – die Markterwartungen seien seit Jahresbeginn nicht sonderlich gestiegen, während der Kurs der Papiere um bis zu 58 Prozent geklettert sei. „Wenn alle Spieler auf eine angeblich todsichere Sache spekulieren“, wusste schon der verstorbene ungarische Börsen-Experte André Kostolany, „geht es fast immer schief“.