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Modis gewaltiges Experiment im Kampf gegen Corona

Der Regierungschef verhängt eine Ausgangssperre für 1,3 Milliarden Inder. Lieferdienste brechen bereits zusammen, die Armen dürften am meisten leiden.

Lange Schlangen vor Lebensmittelläden in Delhi, ein Ansturm auf Gasflaschengeschäfte in Mumbai und Menschenmassen auf Gemüsemärkten im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu: Am ersten Tag der dreiwöchigen Ausgangssperre für die 1,3 Milliarden Inder erlebt der Subkontinent Szenen, die so nicht vorgesehen waren.

Aus Sorge vor Lieferengpässen bemühen sich Menschen landesweit, ihre Vorräte aufzufüllen. Den Versprechen der Politiker, dass es zu keinem Mangel an Lebensmitteln kommen würde, traut nicht jeder, berichten lokale Medien.

Viel Vorbereitungszeit hat Regierungschef Narendra Modi seiner Bevölkerung nicht gelassen. Um 20 Uhr forderte er am Dienstagabend die Bürger auf, ab Mitternacht ihr Zuhause vorerst nicht mehr zu verlassen, um die Corona-Epidemie einzudämmen. „Vergesst für 21 Tage, was es bedeutet, vor die Tür zu gehen“, sagte er. „Wir können uns nur retten, wenn wir zuhause bleiben.“

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Es ist ein Beschluss von historischem Ausmaß, zu dem sich Modi durchgerungen hat: Niemals zuvor sind so viele Menschen auf einen Schlag unter eine Ausgangssperre gestellt worden. Und diese ist weitgreifend: Regierungsstellen, Büros und Einkaufszentren müssen alle schließen.

Öffentliche Verkehrsmittel sind gestoppt, Hauptstraßen der Metropolen fast menschenleer. Das Land stellt auf einen Notbetrieb um, in dem nur noch dort weitergearbeitet wird, wo es unbedingt nötig ist: Krankenhäuser, Apotheken, Lebensmittelmärkte.

Der laut Modi alternativlose Schritt soll das Gesundheitssystems des Schwellenlandes vor dem Kollaps bewahren. Doch die verordnete Lahmlegung von Asiens drittgrößter Volkswirtschaft droht massive Verwerfungen mit sich zu bringen.

Tagelöhnern droht der Hunger

Am schwersten betroffen dürften die mehr als 300 Millionen Inder sein, die in Armut leben. Sie schlagen sich in der Regel als Tagelöhner durch – auf Baustellen, Märkten oder in der Landwirtschaft. Wie sie den dreiwöchigen Stillstand ohne Einkommen überstehen sollen, hat Modi in seiner Fernsehansprache nicht beantwortet. Mehrere Bundesstaaten beschlossen zwar, zusätzliche Essensrationen an Bedürftige abzugeben. Ob das reichen wird, kann am Beginn des gigantischen Sozialexperiments aber noch niemand sagen.

Erhebliche Probleme bereitet die Ausgangssperre auch dem Teil der Inder, der es sich leisten kann, Lebensmittel und Haushaltswaren online zu bestellen. Die meisten E-Commerce-Angebote waren am Mittwoch nicht mehr verfügbar, obwohl Modi und andere Regierungspolitiker beteuerten, dass es bei der Versorgung mit essentiellen Gütern zu keinen Beeinträchtigungen kommen werde.

Der Anbieter Flipkart, der zum US-Einzelhandelskonzern Walmart gehört, stellte seinen Betrieb vorübergehend komplett ein. Auch der Indien-Ableger von Amazon kämpft offenbar mit großen Problemen, das Geschäft aufrechtzuerhalten: Das Unternehmen teilte mit, nur noch besonders wichtige Lieferungen ausführen zu können.

Die E-Commerce-Anbieter sind zwar von dem Sperrbeschluss der Regierung ausgenommen, wenn es um Nahrungsmittel und Haushaltswaren geht. Doch ihre Lieferketten sind durch die Ausgangsverbote und Straßensperren offenbar massiv gestört. Zudem legten lokale Behörden den Betrieb der Unternehmen teilweise lahm – ohne dass dafür auf Anhieb eine Rechtsgrundlage erkennbar war.

So berichtete der Chef des Lebensmittellieferdienstes Grofers, Albinder Dhindsa, auf Twitter, dass ein Lagerhaus seines Unternehmens in der Nähe von Delhi von der Polizei geschlossen wurde. Mehr als 20.000 Haushalte würden deshalb ihre Lieferungen nicht bekommen, schrieb er.

Lokale Behörden sorgen für Chaos

Auch der Online-Lebensmittelhändler Big Basket stellte den Betrieb vorübergehend ein - wegen der Restriktionen durch lokale Behörden. Die Einschränkungen würden auferlegt, obwohl die Zentralregierung klar gemacht habe, dass essentielle Dienste fortgesetzt werden sollten, teilte das Unternehmen mit. Zuvor hatte sich bereits der Lieferdienst Milk Basket öffentlich darüber beschwert, dass er 15.000 Liter Milch und zehn Tonnen Gemüse habe vernichten müssen, nachdem Behörden die Zustellung unterbunden hätten.

Dass die Ausgangssperre erhebliche Komplikationen mit sich bringt, scheint Modi hinzunehmen. Ohne Zweifel werde der Schritt mit hohen wirtschaftlichen Kosten einhergehen, sagte er in seiner Fernsehansprache. Leben zu retten, sei aber seine oberste Priorität. Tatsächlich könnte eine weitere Ausbreitung des Virus Indien mit voller Wucht treffen. Ohne Gegenmaßnahmen rechnen Gesundheitsexperten mit mehr als einer Million Infektionen bis Mai.

Indiens Gesundheitssystem wäre damit vermutlich heillos überlastet. An den Intensivstationen des Landes gibt es insgesamt 40.000 Beatmungsgeräte. Modi richtet deshalb eine klare Warnung an sein Volk: „Wenn wir in diesen 21 Tagen versagen, wird uns das Virus 21 Jahre zurückwerfen.“