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Auf dem Mobile World Congress trifft der 5G-Hype auf die Realität

Die Pokémons sollen die Telekom retten. Mehr noch: Sie sollen die ganze Branche der Netzbetreiber retten. Der Mann hinter der Idee heißt Jason Hoffman. Er ist Präsident und CEO der Firma MobiledgeX. Das Unternehmen ist eine Tochter der Deutschen Telekom. Und sie hat eine Partnerschaft mit den Machern von Pokémon Go geschlossen, dem US-Entwicklerstudio Niantic. Ziel der Kooperation ist es, die Stärken der nächsten Mobilfunkgeneration 5G aufzuzeigen.

Laut surrend stehen die drei Computer in einem Technikraum, versteckt im hinteren Teil des Stands der Deutschen Telekom auf der Branchenmesse Mobile World Congress in Barcelona. Die drei schwarzen Server bilden die Basis für das Vorzeigeprojekt von Jason Hoffman. Denn sie bieten eine besonders schnelle Verbindung. Nur wenige Meter entfernt hat Hoffman zusammen mit der Telekom und Niantic das erste Beispiel für die neue Technik aufbauen lassen. Codename Neon heißt das Spiel.

Es ist eine Art virtueller Völkerball. Es gibt zwar keine Pokémons. Aber das Spielprinzip ist ähnlich, denn die reale Welt wird mit der virtuellen verknüpft. Der Clou ist: Nur dank der direkten Verbindung zu den schnellen Servern um die Ecke können Spieler wirklich zusammen in einen Wettbewerb treten. Noch setzt der Test auf 4G. Künftig soll die neue Technik zur vollen Geltung kommen. Im Idealfall wollen die Macher an den Hype von Pokémon Go anknüpfen, um damit der Technik 5G zum Durchbruch zu verhelfen.

Das mobile Computerspiel Pokémon Go demonstrierte erstmals, wie die Verbindung von digitalen und realen Welten zu einem Massenphänomen werden könnte. Über Monate belagerten begeisterte Spieler Plätze in den Zentren deutscher Innenstädte, um auf die Suche nach besonderen Schätzen zu gehen, ihre Pokémons zu stärken und in Wettkämpfen gegeneinander anzutreten. Dieses Prinzip will Hoffman nutzen, um die Stärken von 5G freizulegen. Die Demonstration mit Codename Neon soll nur der Anfang sein.

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Der Echtzeitmobilfunk 5G soll zum Heilsbringer für die Telekommunikationsbranche werden. Sie soll der entscheidende Katalysator für Industrie 4.0 werden. Aber noch haben die Netzbetreiber kaum eine Vorstellung, wie sie mit 5G Geld verdienen wollen. Der Ausbau wird Milliarden von Euro verschlingen. Dazu kommen die Kosten für die Frequenzauktionen. Alle suchen nach der Wunderformel, mit der 5G vom Hype zum echten Gewinnbringer wird.

Auf der am Montag in Barcelona startenden Mobilfunkmesse geht es vor allem um eine Antwort auf dieses Problem. Verizon, AT & T, Vodafone und die Telekom, alle großen Netzbetreiber stehen vor dieser Herausforderung. Die Kosten sind so hoch, dass Vodafone in Italien am Freitag eine Partnerschaft mit dem Rivalen Telecom Italia angekündigt hat, damit beide Firmen zusammen den Aufbau von 5G vorantreiben können. Das reduziert die Kosten. Eine Antwort auf die Frage nach dem Geschäftsmodell ist das noch nicht.

Edge-Computing soll es richten

Hier kommt Hoffman ins Spiel. Seine Firma gehört zwar der Telekom. Aber sie sitzt nicht in der Magenta-Blase um die Konzernzentrale in Bonn, sondern im Silicon Valley. Das soll ihr die Freiheit verschaffen, neue Ideen zu entwickeln. Die Partnerschaft mit den Pokémon-Machern ist für sie der erste Schritt. Dabei konzentriert sich Hoffman auf mehr als nur 5G allgemein. MobiledgeX entwickelt eine Technik, die auf dem sogenannten Edge-Computing basiert.

Die Idee dahinter ist, dass immer mehr Dienste nicht mehr auf Smartphones, Tablets und Laptops abgewickelt werden, sondern auf entfernten Servern. Amazon, Microsoft und Google als große internationale Anbieter haben an einigen Orten in der Welt Serverfarmen aufgebaut. Doch Daten brauchen einige Zeit, um vom Server bis zum Tausende Kilometer entfernten Endkunden zu gelangen – was bei Spielen oder der schnellen Steuerung von Robotern ein Problem sein kann.

Hier wollen die Telekommunikationsunternehmen eine neue Lösung anbieten. Sie wollen kleine Server betreiben. Sie könnten etwa an jedem Mobilfunkmast stehen, also gewissermaßen am Rande des Netzwerks. Daher auch der Name Edge-Computing.

Daten könnten viel schneller übertragen werden als aus weit entfernten Großrechenzentren. Damit würde die Technik genau die Leistung nutzen, die 5G bietet: eine Datenübertragung mit einer Latenz von weniger als einer Millisekunde. Das ist schneller als ein Wimpernschlag.

Die Idee hat die Telekom nicht für sich gepachtet. Alle großen Netzbetreiber setzen auf die Zukunftstechnik. Verizon testete im Januar Edge-Computing in Houston. „Die Verarbeitung und Steuerung von Daten muss viel näher an die Nutzer heranrücken“, resümierte Verizon-Vizepräsident Adam Koeppe und wertete den Versuch als großen Erfolg. Rivale AT & T hat direkt die Partnerschaft zu Ericsson und Nvidia gesucht, um seine Tests im Edge-Computing voranzubringen.

Vodafone arbeitet in einem Pilotprojekt mit dem Automobilzulieferer Continental zusammen, um dank Edge-Computing vernetzte Autos sicherer zu machen. Die Fahrzeuge sind mit zahlreichen Sensoren und Kameras bestückt. Die Echtzeitübertragung der Daten an die Cloud soll den Fahrzeugen helfen, noch schneller die Umgebung zu analysieren und unmittelbar reagieren zu können – etwa wenn ein Kind auf die Straße läuft.

Und die drei weltgrößten Netzwerkausrüster Huawei, Ericsson und Nokia mischen auch kräftig mit. Sie sind es, die massiv vom Ausbau profitieren dürften. „Dank 5G kann die Branche ihren Kunden viel mehr anbieten. Das kann helfen, die Industrie wirklich digital zu machen“, schwärmt Nokia-Managerin Jane Rygaard.

Die Straßen von Barcelona sind tapeziert mit den Werbetafeln der Mobilfunkkonzerne. Huawei, Nokia, Ericsson, AT & T, Verizon, die Liste der Firmen, die mit großflächigen Slogans um Aufmerksamkeit heischen, ließe sich nahezu endlos fortsetzen.

5G ist das bestimmende Thema in Barcelona. Seien es die Hersteller von Smartphones, die ein Gerät nach dem anderen vorstellen, das die neue Technik unterstützt. Oder seien es die Netzbetreiber, die zeigen wollen, wie weitrechend die neuen Anwendungen sind, die 5G erst möglich macht. Die Erwartungen an 5G sind immens.

Die Unternehmensberatung McKinsey hat 46 Technikchefs (CTO) von Telekommunikationsunternehmen befragt. Und das Ergebnis ist ernüchternd. Während Firmen aus den USA und Asien 5G mit Macht voranbringen, sind die europäischen Betreiber zaghaft. Alle befragten Technikchefs in Europa nannten das Geschäftsmodell als die größte Herausforderung. In Nordamerika nannten nur elf Prozent der befragten CTOs die Frage nach dem Wirtschaftsmodell als größte Herausforderung.

Europa hängt wieder hinterher

Daran knüpft sich das größere Problem des Netzausbaus. Während in Nordamerika und Asien die 5G-Netze schon jetzt mit Macht ausgebaut werden sollen, ist Europa zurückhaltend. Nur elf Prozent der Firmen wollen bis zum nächsten Jahr den großflächigen Ausbau voranbringen. In Nordamerika sind es 56 Prozent und in Asien 40 Prozent.

„Europäische Betreiber führen viele Pilottests durch, scheuen aber großflächige Investitionen“, sagt Ferry Grijpink von McKinsey. „US-amerikanische Telekommunikationsanbieter haben eine wesentlich größere Reichweite, ein günstiges Wirtschaftsklima und ein flexibleres Regulierungssystem“, sagt Grijpink.

Länder wie Südkorea und Japan profitierten von der schon jetzt großen Dichte an Mobilfunkstandorten. Das mache den Umstieg auf 5G deutlich günstiger. „Und die Regierungen von Peking bis Seoul üben Druck aus, weil sie die 5G-Technologieführerschaft für ihr Land wollen“, sagt Grijpink.

Der McKinsey-Mann hält die Hoffnung auf Edge-Computing als Heilsbringer für überzogen. „Das ist interessant, wird aber in den nächsten drei bis fünf Jahren weniger als zehn Prozent des Cloud-Marktes ausmachen“, sagt er. Die Technik allein werde keine Nachfrage generieren.

Schließlich sei das 3G-Netz lange kaum genutzt worden – bis Apple das iPhone herausbrachte und alle Nutzer die Leistung der Mobilfunknetze in Anspruch nahmen. „Bei 5G wird es ähnlich laufen. Nach ein paar Jahren wird ein neuer Steve Jobs mit einer bahnbrechenden Anwendung auftauchen. Vielleicht mit Augmented Reality“, meint Grijpink.

Die große Frage ist, wer diese Anwendung entwickelt. Jason Hoffman hofft, die entscheidende Plattform für Edge-Computing zu besitzen. Auch andere Telekommunikationsfirmen sollen sie später einsetzen können. Doch noch ist offen, ob Verizon, AT & T oder Vodafone nicht lieber auf eigene Lösungen setzen werden, statt sich auf die Entwicklung der Telekom-Tochter zu verlassen.

Zudem ist nur klar, dass es ein Telekommunikationsunternehmen sein wird, das die neue Technik bestimmt. Die Cloud-Anbieter sind keine Netzbetreiber, sondern Softwarefirmen wie Google, Microsoft oder Amazon, argumentiert Bernstein-Analyst Dhananjay Mirchandani.

Die Unternehmen hätten eine globale Kundenbasis und verknüpften Cloud-Technik mit Endanwendungen. Daher könnten auch sie versuchen, in das Geschäft mit dem Edge-Computing vorzudringen. Amazon und Microsoft beschäftigen sich bereits mit der Technologie.

Schließlich fällt die Bilanz der Netzbetreiber ernüchternd aus. Oft hatten sie versucht, auch in den Anwendungen mitzumischen, die über ihre Netze erst möglich werden. Allein die Telekom startete Dutzende Versuche – und scheiterte: Musicload konnte sich nicht als Reaktion auf iTunes durchsetzen. Joyn versagte als Alternative zu WhatsApp. Und MyWallet hatte keine Chance gegen Paypal.

Edge-Computing könnte anders sein. Denn hier setzen die Netzbetreiber ihre Stärken in der Infrastruktur ein. Google und Amazon können nicht Hunderttausende Server managen, die am Fuße von Mobilfunkmasten stehen. Aber Telekom und Co. müssen erst beweisen, dass sie die Technik aufbauen und einen Markt dafür schaffen können.