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Mehr als 32.000 Tote: Großbritannien kriegt die Coronakrise nicht in den Griff

Auf der Insel steigt die Zahl der Covid-19-Opfer, inzwischen sind dort mehr Todesopfer zu verzeichnen als in Italien. Die Regierung gerät unter Druck.

Die Zahl der schweren Corona-Erkrankungen in Großbritannien steigt und steigt. Foto: dpa
Die Zahl der schweren Corona-Erkrankungen in Großbritannien steigt und steigt. Foto: dpa

Boris Johnson zeigt sich auch beim Thema Corona gewohnt wortgewandt: Das Virus sei wie ein „unerwarteter und unsichtbarer Räuber“, erklärte der britische Premierminister vor einigen Tagen, „und jetzt ist der Moment gekommen, in dem wir begonnen haben, ihn gemeinsam zu Boden zu ringen“.

Doch dass die Briten einen Erfolg zu verbuchen haben, ist keineswegs offensichtlich – im Gegenteil. Mit über 30.000 Todesfällen hat Covid-19 in Großbritannien sogar mehr Menschenleben gefordert als in Italien. Großbritannien ist „der kranke Mann Europas“, titelt die Boulevard-Zeitung „Daily Mail“ auf ihrer Website, „nur die USA haben mehr Todesfälle gemeldet“.

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Sogar in Italien seien es weniger. Und Hochrechnungen der „Financial Times“ zufolge könnten mittlerweile 53.800 Briten wegen der Pandemie gestorben sein.

Unter Gesundheitsexperten wird Kritik laut. „Das ist ein sehr ernüchternder und unschöner Milestone“, meint die Präsidentin der Gewerkschaft von Krankenhausberatern und -Gesundheitsspezialisten, Claudia Paoloni. Die Regierung müsse sich die Frage stellen, warum sie so „unpassend“ auf die Krise reagiert habe.

Die Zahlen „werfen die Frage auf, ob die Regierung am Anfang der Pandemie schnell genug gehandelt hat und vor allem, ob die Einschränkungen früher hätten verhängt werden müssen“, sagt sie. Zudem hätte man besser vorbereitet sein müssen, um zu testen und Infizierte zu verfolgen. In beiden Aspekten seien die Maßnahmen „nicht angemessen“ gewesen.

Zu wenig Tests

Aufseiten der Regierung weist man derartige Vorwürfe von sich. Aber auch Regierungsmitglieder rechnen damit, dass ihnen eine öffentliche Untersuchung bevorsteht. Der wissenschaftliche Berater der Regierung, Patrick Vallance, räumte vor einem parlamentarischen Ausschuss ein, dass man im Rückblick einige Dinge „möglicherweise anders getan hätte“.

Die Liste der Kritikpunkt ist lang: Immer mehr Experten werfen der Regierung vor, zu wenige Tests durchgeführt und sich zu spät um die Beschaffung ausreichender Tests und Schutzkleidungen für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen gekümmert zu haben.

Das Ziel von 100 000 Tests pro Tag wurde Ende April nur erreicht, weil man die Zählmethode änderte: Nicht die Zahl der durchgeführten Tests floss in die Auswertung ein, sondern zusätzlich noch die Zahl der verschickten Testkits.

Auch hatte die Regierung keinerlei Einreisebeschränkungen eingeführt. Erst jetzt sind am Flughafen Heathrow Gesundheitschecks geplant. Und während Wissenschaftler schon Anfang März warnten, man solle lieber auf Händeschütteln und andere Kontakte verzichten, brüstete sich der Premier öffentlich damit, derartige Vorsichtsmaßnahmen zu ignorieren.
Wirklich ernst nahm der Premierminister die Situation wohl erst, als er wegen seiner Covid-19-Erkrankung auf die Intensivstation eingeliefert wurde. Dort scheint er einen Sinneswandel erlebt zu haben.

Seit der Rückkehr in sein Amt appelliert Premier Johnson an die Geduld der Bevölkerung und warnt davor, zu schnell wieder zur Normalität zurückkehren zu wollen. Für die kommende Woche stellte er erste Lockerungen in Aussicht – dämpfte aber die Hoffnung auf große Schritte.

Seit Ende März sind fast alle Geschäfte, Gaststätten und öffentliche Einrichtungen geschlossen, und die Menschen bleiben zu Hause. Auch in Großbritannien werden deshalb Rufe nach einem Ende der Einschränkungen laut – allerdings deutlich verhaltener als in Deutschland.

Einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens Opinium für den „Observer“ in der vergangenen Woche ergab, dass 67 Prozent der befragten Briten weiter an den Maßnahmen festhalten wollen. Gerade einmal neun Prozent würden dagegen befürworten, dass die so beliebten Pubs bereits jetzt wieder den Betrieb aufnahmen.

Dabei hinterlässt der Lockdown tiefe Spuren in Großbritanniens Wirtschaft, auch wenn die Londoner Regierung längst milliardenschwere Hilfen eingeführt hatte.

Aktuell finanziert die Regierung allein über ihr Kurzarbeitergeld-System, das bis zu 80 Prozent der Gehälter abdeckt, fast 20 Prozent der Arbeitnehmer.
Dennoch fiel der Einkaufsmanagerindex von IHS Markit/Cips für April auf 13,8 Punkte – und liegt damit deutlich hinter der sonst entscheidenden Marke von 50 Punkten, die anzeigt, ob die Befragten positiv oder negativ in Bezug auf die nächsten Monate eingestellt sind.

Der Einkaufsmanagerindex „unterstreicht damit, dass die Schwäche der britischen Wirtschaft im zweiten Quartal 2020 deutlich stärker und umfassender sein wird als alles, was wir bisher erlebt haben“, kommentierte der Wirtschaftsexperte von IHS Markit, Tim Moore.

An diesem Donnerstag wird die Regierung entscheiden, für wie lange und in welchem Ausmaß die Einschränkungen aufrechterhalten werden. Für Sonntag plant Premierminister Johnson die Verkündung der zukünftigen Maßnahmen. Berichten zufolge will die Regierung ab Juli auch Änderungen für das Kurzarbeitergeld einführen.

Neue Maßnahmen ab Sonntag

Dass aber zumindest in Teilen der Bevölkerung der Unmut über die langen Einschränkungen wächst, beweist der Rücktritt des britischen Epidemiologen Neil Ferguson von seinem Posten als wissenschaftlicher Regierungsberater.

Der Professor, der wegen seiner zahlreichen Studien und öffentlichen Auftritte seit Ausbruch der Pandemie als „Professor Lockdown“ bezeichnet wurde, hatte zuzugeben, die Regeln zur Eindämmung der Pandemie missachtet zu haben. Mehreren Zeitungen zufolge hatte Ferguson eine Beziehung zu einer verheirateten Frau, die ihn trotz der strengen Ausgangsbeschränkungen mehrfach besucht haben soll.