Werbung
Deutsche Märkte geschlossen
  • DAX

    18.161,01
    +243,73 (+1,36%)
     
  • Euro Stoxx 50

    5.006,85
    +67,84 (+1,37%)
     
  • Dow Jones 30

    38.239,66
    +153,86 (+0,40%)
     
  • Gold

    2.349,60
    +7,10 (+0,30%)
     
  • EUR/USD

    1,0699
    -0,0034 (-0,32%)
     
  • Bitcoin EUR

    59.664,67
    -783,63 (-1,30%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.332,15
    -64,39 (-4,61%)
     
  • Öl (Brent)

    83,66
    +0,09 (+0,11%)
     
  • MDAX

    26.175,48
    +132,30 (+0,51%)
     
  • TecDAX

    3.322,49
    +55,73 (+1,71%)
     
  • SDAX

    14.256,34
    +260,57 (+1,86%)
     
  • Nikkei 225

    37.934,76
    +306,28 (+0,81%)
     
  • FTSE 100

    8.139,83
    +60,97 (+0,75%)
     
  • CAC 40

    8.088,24
    +71,59 (+0,89%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.927,90
    +316,14 (+2,03%)
     

Warum wir Management-Sprache brauchen – aber keine Worthülsen

Bullshit ist überall. Er quillt aus Plenarsälen, Konferenzräumen und Beratermündern, raunt aus „Townhalls“, „Business Summits“ und „Get-togethers“. Er ist daran zu erkennen, dass er verklärt, verharmlost und verkompliziert.

Wenn von „Dovetailing“ die Rede ist, obwohl es eigentlich nur darum geht, dass etwas Neues zur bisherigen Unternehmensstrategie passt – dann ist das Bullshit. Wenn sich alle Angestellten lieber zu einem neuen Projekt „committen“ sollen statt sich dazu zu bekennen. Ebenfalls Bullshit.

Aber nicht nur (d)englische Begriffe tragen oft den Duft des Dungs an sich. Auch deutsche Managementwörter sind mitunter irreführend. Seit längerem etwa hat sich die Phrase „am Ende des Tages“ in Besprechungen eingenistet. Liebend gern wüsste man: Ja, was ist denn am Ende des Tages? Feierabend? Sprachlich gesehen bestimmt.

Tatsächlich ist es leicht und macht Spaß, sich über Managersprache lustig zu machen. Weite Teile der Büro-Satire „Stromberg“ mit dem großartigen Christoph Maria Herbst basieren auf diesem Mechanismus.

WERBUNG

Der fiktive Versicherungsmanager hat vor Längerem sogar ein eigenes Langenscheidt-Wörterbuch herausgebracht, um zwischen „Chef – Deutsch“ und „Deutsch – Chef“ zu übersetzen.

Es gibt außerdem ein Spiel namens Bullshit-Bingo. Die Regeln sind schnell erklärt: Einfach Phrasen überlegen, die im nächsten „Business Meeting“ fallen könnten, Zettel mit in den Konferenzraum nehmen und abstreichen, sobald ein Wort fällt.

Socializen, Greenlighten, Umswitchen, Syncen – Bingo. Auf Amazon lassen sich die Spielbögen vorausgefüllt mit semantischem Stuss sogar käuflich erwerben. Bullshit hat also Marktpotenzial. Vor allem, wenn man Witze darüber reißt. Das Problem: Diese Haltung bringt uns nicht weiter.

Unternehmen sind kompliziert. Das zeigt schon ihre Größe: Nimmt man alle Belegschaften der Dax-30-Unternehmen her und bildet einen Mittelwert, ergibt sich ein Schnitt von gut 130.000 Mitarbeitern. 130.000 Menschen – das sind etwa so viele Menschen, wie in Ingolstadt oder Wolfsburg leben.

Wer in diesen Dimensionen führen muss, für den ist Sprache nicht bloß ein wichtiges, sondern das entscheidende Werkzeug. Eine Führungskraft muss von ihren Mitarbeitern und anderen Führungskräften unbedingt verstanden werden.

Dabei geht es jedoch nicht um „Sprachfinessen“, wie der Managementprofessor Fredmund Malik korrekt feststellt, sondern um „Klarheit, Richtigkeit und professionelle Präzision“. Aus Maliks Sicht ist Managersprache dann gut, wenn sie der Führung eines Unternehmens dient. Nicht wenn sie schön klingt. Fachjargon ist also ausdrücklich erlaubt.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich meine damit weniger jenen Bullshit, hinter dem sich Manager verstecken, wenn sie eigentlich gar nichts sagen wollen – perspektivisch gesehen am Ende des Tages. Sondern Fachbegriffe, die knapp und eindeutig sind und dadurch helfen, Missverständnisse zu vermeiden, Besprechungen zu verkürzen und vom Reden schneller zum Handeln zu kommen.

Wenn ein Manager zum Beispiel von seinem Controller die neuesten „KPI“ anfordert, dann möchte er exakt jene zuvor festgelegten Schlüsselzahlen haben, die wirklich Aufschluss darüber geben, wie die Geschäfte laufen.

Für Vertriebler wiederum ist es völlig normal im „Sales Funnel“ zu denken, auch wenn der „Vertriebstrichter“ auf Deutsch unfreiwillig komisch klingt. Es sind Konzepte und Worte, die für die Betroffenen klar sind. Und das ist in Ordnung so.

Jede Disziplin hat ihre Fachsprache

Fachsprache entsteht, sobald sich eine Profession beginnt zu professionalisieren. Gute Fachbegriffe machen Kommunikation schneller, nicht langsamer. Schließlich wissen die Fachleute, was gemeint ist. In anderen Disziplinen haben wir damit meist kein Problem.

Gerade kicken zum Beispiel inzwischen noch 16 Nationalmannschaften in Russland um den Weltmeistertitel. Wenn da permanentes Gegenpressing dazu führt, dass Tore fast nur noch aus ruhenden Bällen entstehen – dann werten wir solche Begriffe als Ausweis von Expertise.

Auch auf einer Segelyacht findet es niemand zum Lachen, wenn das Vorliek am Lümmelbeschlag schamfilt. Und wie fahrlässig wäre es, wenn ein Arzt einen Patienten an einen seiner Kollegen mit der allgemein verständlichen Diagnose „Lungenkrebs“ überweist statt den Tumor genau zu klassifizieren? Der Patient müsste bei jeder Überweisung aufs Neue vollständig untersucht werden.

Nicht nur Mediziner, auch Juristen, Journalisten, Wissenschaftler und viele andere Berufe haben ihre eigenen Sprachkodizes, die ihnen den Arbeitsalltag erleichtern. All diese Berufsgruppen grenzen sich damit auch ein Stück weit von dem ab, was Juristen gerne die „Laiensphäre“ nennen. Trotzdem scheint Managersprache mit Abstand der verhassteste unter den Fachjargons. Warum bloß?

Ein zentrales Motiv ist Angst. Angst vorm Jobverlust, vor Stress, vor Veränderung. Wer Managersprache spricht, der gehört „zu den anderen“, den „Neoliberalen“, den „Meckies“ (Kurzform für die Fußtruppen der Unternehmensberatung McKinsey, falls Sie den Ausdruck noch nicht kannten).

Der gehört zu denen, die den „Overhead reduzieren“ und „Mitarbeiter freisetzen“. Galt lange Zeit die Sprache der Verwaltung als Synonym für Kaltherzigkeit, ist es heute die des Managements. Wer darüber spottet, verbrüdert sich gegen „die da oben“.

Was dabei viele außer Acht lassen: Ein Frontenkrieg mit Wir-ihr-Rhetorik sorgt in jeder Organisation für Blockaden in der Zusammenarbeit. Und das mindert die eigene Jobsicherheit weit mehr als das jedes noch so verquaste Consultantendeutsch vermag. Es stimmt: Berater haben die Managementsprache miterschaffen – und ihren schlechten Ruf gleich mit.

Rein historisch betrachtet, gehört Kommunikation erst seit gut 60 Jahren in den Werkzeugkoffer einer Führungskraft, pardon: zum Skillset. Der Generaldirektor der Gründerzeitjahre führte vor allem per Aktenvermerk.

Wie es den Mitarbeitern mit seinen schriftlichen Anweisungen erging, war ziemlich egal. Erst ab den 50er- und 60er-Jahren fingen Firmenlenker an, sich für die Gefühlswelt ihrer Belegschaft zu interessieren.

Damals bildeten sich dies- und jenseits des Atlantiks durch Fusionen multinationale Konzernstrukturen. Ein Ergebnis dieses Wachstums war, dass sich der einzelne Mitarbeiter deutlich weniger mit seinem Arbeitsplatz identifizierte als früher. Der schlechten Laune folgte schlechtere Arbeit.

Plötzlich sahen sich Vorgesetzte gezwungen, Mitarbeiter zu motivieren, Feedback zu geben und dazu auf kommunikative Tuchfühlung mit der eigenen Belegschaft zu gehen. Was heute banal klingen mag, stellte damals ein großes Problem dar. Für beide Seiten. Schließlich lief es jahrzehnte-, manchmal jahrhundertelang auch ohne viele Worte. Und so mussten Berater her, um eine gemeinsame Sprache zu etablieren. Ende der 1980er-Jahre setzte etwa Pacific Bell (PacBell) in der Hoffnung auf eine bessere Kommunikation zwischen Angestellten und Führungskräften auf das sogenannte „Kroning“.

Benannt ist die Methode nach Charles Krone, einem US-Berater, der bei Pacific Bell nie persönlich aufschlug, dem Telekommunikationsunternehmen aber seine Lehren gegen ein üppiges Honorar verkaufte.

40 Millionen US-Dollar kostete die Umsetzung des „Kroning“-Programms bei dem kalifornischen Telefonanbieter. Gebracht hat es dem Unternehmen wenig, außer den ersten dokumentierten Fall von Business Bullshit.

Krones Programm basierte weitgehend auf Lehren eines griechisch-armenischen Esoterikers. In mehreren Seminareinheiten musste die Belegschaft neue Konzepte lernen, wie das „Gesetz des Dreiklangs“ – das dabei helfen sollte „die mentale Energie, die jeder hat“ zu erkennen und freizusetzen.

Die „Kroning“-Sprache war unnötig kompliziert, allein für das Wort „Interaktion“ gab es eine 39 Wörter lange Definition. André Spicer, Professor an der Londoner Cass Business School, nennt in seinem Buch „Business Bullshit“ außerdem „Alignment“, „End-State Vision“ und „Intentionality“ als die größten Ungetüme, die bis heute als Worthülsen durch US-Konzerne geistern, ohne dass jemand genau weiß, was sie eigentlich bedeuten.

Auch bei PacBell bemerkte ein Mittelmanager, dass Außenstehende plötzlich nicht mehr verstanden, was in dem Unternehmen vor sich ging. Andere Führungskräfte nahmen wahr, dass sowohl die Anzahl als auch die Länge von Meetings mit dem „Kroning“ deutlich zunahmen.

Viele Mitarbeiter klagten über gehirnwäscheartige Riten. Wer innerhalb der Firma anders sprach als verordnet, gefährdete die eigene Karriere. Ein gutes Jahr nach ihrer Einführung beendete das Management die Guru-Methoden.

Da war Pacific Bell schon tief in die roten Zahlen gerutscht. Der Fall macht klar, was Managementsprache nicht sein darf, aber leider oft ist: Selbstzweck.

Handlungs- und ergebnisorientiert

Besser als Krone agierte der Managementvordenker Peter Drucker bei General Electric. Drucker identifizierte während seines Beratermandats bei dem US-Mischkonzern drei Arten von Problemen für das Management.

Die „Pythons“ (sehr gefährlich – eher mit Vorsicht annähern), die „Rattlers“, also Klapperschlangen (sehr offensichtlich – aber trotzdem giftig) und die „Low-hanging Fruits“ (sehr einfach zu lösen – also: zuerst angehen, um die Situation rasch zu verbessern).

Die Wortschöpfung von den niedrighängenden Früchten, die am einfachsten zu pflücken sind, hat sich bis heute in vielen Chefetagen gehalten, und warum auch nicht? Die Formulierung erfüllt alle Kriterien guter Managementsprache: Sie ist eingängig, handlungs- und ergebnisorientiert. Das ist der Maßstab, an dem sich gute von schlechter Managementsprache scheidet.

Noch effizienter sind die in Büromails mittlerweile gängigen Kürzel wie FYI (kurz für: „For Your Information“) und FYA (kurz für: „For Your Action“). Drei Buchstaben und dem Adressaten ist klar, was zu tun ist: Lies das! Beziehungsweise: Kümmer dich drum! Am besten ASAP („As soon as possible“), spätestens aber bis Feierabend, kurz EOB („End of Business“). Von so viel klar adressierter Handlungsorientierung kann etwa die öffentliche Verwaltung mit ihrem Fachjargon nur träumen.

Dass die Sprache des Managements vorwiegend Englisch ist, ist in etwa so naheliegend, wie die Tatsache, dass in der Chemie jahrzehntelang Deutsch die dominante Sprache war. So wie ein Großteil der industriellen chemischen Verfahren in Deutschland entwickelt wurde, stammt ein Großteil der Managementkonzepte nun einmal aus Amerika.

Trotzdem scheint es gesellschaftlicher Konsens zu sein, dass es zwar kulturelle Kennerschaft signalisiert, Netflix-Serien im englischen Originalton zu sehen. Dass sich aber zum Business-Kasper macht, wer Managementbegriffe im englischen O-Ton verwendet.

Gefährlich sind nicht englische Begriffe und Abkürzungen. Gefährlich sind unpräzise Worthülsen. Fredmund Malik, der Managementvordenker aus St. Gallen, hat daher schon vor Jahren eine Liste mit gefährlichen Managementwörtern zusammengestellt, die er regelmäßig aktualisiert.

Auch durchaus beliebte Management-Konzepte wie „Agilität“ oder das Entwickeln „disruptiver“ Innovationen kommen darin vor – ganz einfach weil sie zu oft im falschen Kontext verwendet werden.

Mit der Managementsprache ist es am Ende des Tages wie mit jeder anderen Sprache auch: Man muss sie erst erlernen, um ihren Reiz zu erfassen. FYA – und zwar ASAP!