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Lieferfristen, Zusagen, Not-Wirtschaft: So will die Bundesregierung Tempo beim Impfen machen

Mehr Impfstoff schneller herzustellen ist nicht beliebig machbar. Gesundheitsminister Spahn lehnt staatlichen Zwang ab. Die sechs wichtigsten Fragen und Antworten zum Impfstoffgipfel.

Der Impfstart in Deutschland verlief bisher eher schleppend. Foto: dpa
Der Impfstart in Deutschland verlief bisher eher schleppend. Foto: dpa

Gesundheitsminister Jens Spahn hat sich im Erwartungsmanagement geübt: Er verstehe die mit dem Impfgipfel verbundenen Hoffnungen, sagte der CDU-Politiker an diesem Montag vor den Gesprächen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Länderchefs, Repräsentanten der Pharmaindustrie und der EU-Kommission. Realistisch sei aber, dass die Impfstoffe gegen das Coronavirus noch einige Wochen knapp sein würden.

Die Probleme, die für den schleppenden Verlauf der Impfkampagne in Deutschland und Europa verantwortlich sind, lassen sich mit einer Videokonferenz allein nun mal nicht lösen. Als da wären: zu geringe und teils verspätete Lieferungen der Impfdosen, aber auch Chaos und überlastete Hotlines bei der Terminvergabe. Vor allem die Regierungschefs der Bundesländer drängen auf mehr Verlässlichkeit, wann der Bund welche Mengen liefert.

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Die Frage ist nur, wie sich diese Verlässlichkeit und ein schnelleres Impftempo erreichen lassen. Wo gibt es noch nicht ausgeschöpfte Produktionskapazitäten? Wie realistisch ist es, die Herstellung durch Zwang oder finanzielle Anreize zu steigern?

Das sind die Antworten auf die wichtigsten Fragen:

1. Wer fordert in der Debatte was?

Bundesregierung und EU-Kommission stehen wegen des schleppenden Impfstarts und der Lieferverzögerungen bei den Herstellern politisch enorm unter Druck. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder brachte daher auch schon weitergehende Eingriffe des Staates ins Spiel: „Nach dem deutschen Verordnungsrecht gäbe es die Möglichkeit, in solchen Notfällen auch zu akquirieren“, sagte der CSU-Chef mit Blick auf Produktionskapazitäten in der Pharmaindustrie.

Das Wort von der „Not-Impfstoffwirtschaft“ macht längst die Runde. Alle Pharmakonzerne müssten unverzüglich in die Impfstoffproduktion einbezogen werden, forderten Grünen-Chef Robert Habeck und die Wirtschaftspolitikerin Katharina Dröge in einem gemeinsamen Papier.

Man setze zunächst auf Abnahmegarantien und Zusammenarbeit, „aber in letzter Konsequenz hätte die Bundesregierung über verpflichtende Freigabe von Lizenzen die Möglichkeit, die Beteiligten zu Kooperation zu zwingen“. Auch eine Abnahmegarantie der EU für weitere Impfstoffdosen und zeitlich gestaffelte Preise schlagen die Grünen vor.

Industriepräsident Siegfried Russwurm sah sich angesichts der Diskussion gezwungen, Mäßigung anzumahnen: „Die Unternehmen wissen um ihre gesellschaftliche Verantwortung und arbeiten konsequent daran, die Kapazitäten weiter zu steigern.“ Minister Spahn geht davon aus, dass im zweiten Quartal ausreichend Impfstoff von den Herstellern zur Verfügung stehen werde.

2. Welche Lieferzusagen für Deutschland gibt es?

Drei Corona-Impfstoffe sind in der EU bislang zugelassen. Laut Bundesgesundheitsministerium haben sich Biontech und Pfizer verpflichtet, im ersten Quartal knapp elf Millionen Dosen zu liefern, der britisch-schwedische Konzern Astra-Zeneca 5,6 Millionen und der US-Hersteller Moderna 1,8 Millionen. Insgesamt macht das gut 18 Millionen Dosen, mit denen hierzulande rund neun Millionen Menschen geschützt werden können.

Die Zahlen werden in den Folgemonaten deutlich steigen. Astra-Zeneca hat für das zweite Quartal 17 Millionen Dosen zugesagt, für das dritte Quartal 33 Millionen. Von Biontech erwartet die Bundesregierung in diesem Jahr mindestens 90 Millionen Impfdosen. Von Moderna soll Deutschland 50 Millionen Dosen bekommen.

Zudem hoffen weitere Hersteller auf eine EU-Zulassung. Die Tübinger Biotechfirma Curevac fährt in Zusammenarbeit mit Bayer bereits die Produktion seines Mittels hoch. Die EU hat 225 Millionen Dosen des Impfstoffs fest geordert und sich eine Option auf 180 Millionen gesichert.

3. Wie schnell könnten die Hersteller ihre Produktion erhöhen?

Gerade bei den hochwirksamen mRNA-Mitteln wie von Biontech, Curevac und Moderna zeigen sich die Herausforderungen in der Produktion. Außer den aktuellen Impfstoffen gibt es keine derartigen Produkte auf dem Markt – die Fertigung musste binnen wenigen Monaten erst mal komplett aufgebaut werden.

Wegen der komplexen Verfahren kann die Fertigung auch nicht binnen weniger Tage einfach hochgefahren werden. Laut Curevac-Chef Franz-Werner Haas ist das dafür benötigte Equipment am Weltmarkt noch gar nicht vorhanden. Das betrifft zum einen die für die speziellen biotechnologischen Verfahren notwendigen Maschinen und zum anderen die verschiedenen Inhaltsstoffe.

Der vektorbasierte Impfstoff von Astra-Zeneca ist ebenfalls komplex herzustellen, nach Firmenangaben dauert der Vorgang rund drei Monate. Ein Hochfahren der Kapazitäten ist nicht so ohne Weiteres möglich, da spezifisches Equipment und Know-how erforderlich sind. Hinzu kommt: Die Fertigungsanlagen und jede Erweiterung müssen von den Behörden zertifiziert und zugelassen werden. Biontech hat im September 2020 angekündigt, eine neue Fabrik in Marburg auf mRNA umzurüsten. Sie geht jetzt in Betrieb.

4. Welche Kooperationen mit anderen Pharmaunternehmen gibt es?

Am Montag kündigte Bayer an, auch in die Herstellung des Curevac-Mittels einzusteigen. Aber auch hier zeigt sich wieder, dass dies nicht von heute auf morgen geht: Bestenfalls wird Bayer Ende 2021 mit der Produktion beginnen können und dann im kommenden Jahr nach aktuellen Plänen 160 Millionen Dosen in Wuppertal produzieren können.

Letztlich ist die gesamte Impfstoff-Fertigung schon jetzt eine lange Kette von Kooperationen: Vorprodukte und Inhaltsstoffe werden aus der Chemie zugeliefert, die benötigte mRNA wird von speziellen Dienstleistern wie der deutschen Firma Rentschler Biopharma aufbereitet. Fertiggestellt werden die Mittel von spezialisierten Pharma-Auftragsfertigern wie der Münchener Wacker Chemie, die das Mittel von Curevac am Standort Amsterdam herstellt.

Nun bieten aber auch verstärkt die großen Pharmakonzerne ihre Dienste an, um die Produktion beschleunigen zu können. So wird der französische Pharmakonzern Sanofi in seinem Werk in Frankfurt ab Sommer mehr als 125 Millionen Dosen des Biontech-Impfstoffs für die Europäische Union abfüllen.

Auch der Schweizer Pharmakonzern Novartis übernimmt Abfüllung und Verpackung des Biontech-Vakzins, die Produktion könne im zweiten Quartal beginnen.

5. Kann eine Not-Impfstoffwirtschaft angeordnet werden?

Aus verfassungsrechtlicher Sicht spreche nichts gegen eine staatliche Steuerung der Impfstoffproduktion, sagt der Staatsrechtler Joachim Wieland. „Die Berufsfreiheit und die Eigentumsgarantie lassen in der gegenwärtigen Notsituation die Etablierung einer staatlich gelenkten Not-Impfstoffwirtschaft zu und würden auch die Etablierung gemeinwirtschaftlicher Elemente in der Pharmaindustrie erlauben.“

Angesichts der „groben“ Fehler bei der Beschaffung von Impfstoff stelle sich verfassungspolitisch allerdings die Frage, „ob der Staat sich bei so weitreichenden Eingriffen nicht übernehmen würde“, so Wieland.

Nach dem Infektionsschutzgesetz kann der Bund im Falle einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite „Maßnahmen zur Aufrechterhaltung, Umstellung, Eröffnung oder Schließung von Produktionsstätten oder einzelnen Betriebsstätten von Unternehmen“ treffen. Gesundheitsminister Spahn hält davon allerdings ebenso wenig wie Rechtspolitiker von Union und SPD.

Unter den Bedingungen der Sozialen Marktwirtschaft seien im Rekordtempo Impfstoffe entwickelt und Produktionskapazitäten aufgebaut worden, sagt der CDU-Abgeordnete Jan-Marco Luczak: „Dieses Ordnungsprinzip hat sich auch in der Krise bewährt, wir sollten es nicht vorschnell und ohne Not durch Zwangslizenzen oder staatliche Planvorgaben ersetzen.“

6. Können marktwirtschaftliche Anreize die Produktion beschleunigen?

Ja, glauben Ifo-Präsident Clemens Fuest und ZEW-Chef Achim Wambach. Sie schlagen eine Prämie für jede Dosis vor, die die Impfstoffhersteller über die bisherigen Vereinbarungen hinaus früher liefern. Dies würde einen Anreiz setzen, die Produktionskapazitäten schneller auszubauen.

„Prämien könnten voraussichtlich diejenigen Engpässe rasch beheben, die dadurch entstehen, dass die Unternehmen nicht kurzfristig Kapazitäten aufbauen wollen, ohne für die tendenziell hohen Mehrkosten entsprechend vergütet zu werden“, sagt auch RWI-Chef Christoph Schmidt.

„Geld spielt dabei keine Rolle“, meint der Düsseldorfer Wettbewerbsexperte Jens Südekum: „Selbst wenn wir nur wenige Tage früher die Beschränkungen wieder lockern können, hätte sich das Prämienmodell schon gelohnt.“ Das Problem: Prämien oder ein höherer Preis lösen nicht automatisch die oben beschriebenen technischen Flaschenhälse bei der Produktion.

Mehr: Die Impfkampagne sollte eigentlich auf Hochtouren laufen. Doch in vielen Bundesländern ist die Vergabe weiterer Termine teils über Wochen nicht möglich.