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Lagarde warnt vor schwerer Rezession – und skizziert mögliche Hilfen

Die EZB-Präsidentin befürchtet eine wirtschaftliche Abwärtsspirale und gibt deutliche Hinweise, mit welchen Mitteln die EZB gegensteuern will.

Christine Lagarde lässt sich von der Euphorie, die die Nachricht über einen erfolgreichen Corona-Impfstoff an den Märkten ausgelöst hat, nicht anstecken. Im Gegenteil: Die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB) stellte bei einer internationalen Notenbank-Konferenz am Mittwoch die immer noch großen Rezessionsgefahren in den Vordergrund.

Die EZB-Präsidentin verwies auch auf die immer noch niedrige Inflation im Euro-Raum, die „länger als gedacht“ im negativen Bereich bleibe. Dabei vergaß sie auch nicht, Wechselkurseffekte zu erwähnen: Der zuletzt eher schwache Dollar dämpft über die Importpreise die Preise in Europa.

„Entscheidend ist, dass es lange genug günstige Finanzierungsbedingungen gibt“, sagte sie. Andernfalls, so ihre Befürchtung, könnte aus einer „Ausnahmerezession“ eine „konventionelle, sich selbst verstärkende Rezession“ werden. Lagarde betonte, das unter dem Kürzel PEPP bekannte Notfallprogramm zum Ankauf von Anleihen sowie mittelfristige Kredite an Banken sollten eine Schlüsselrolle bei der weiteren Unterstützung der Wirtschaft spielen.

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Damit bekräftigte Lagarde noch einmal ihre schon im Oktober ausgegebene Botschaft, dass die EZB im Dezember die expansive Geldpolitik noch ausweiten wird. Sie verwies darauf, dass der Dienstleistungssektor besonders von der Einschränkung des öffentlichen Lebens betroffen sei. „Erfahrungsgemäß erholen sich Dienstleistungen langsamer als die Industrieproduktion, man verreist ja nicht im Folgejahr doppelt so oft, um einen Urlaub nachzuholen.“ Außerdem habe sich gezeigt, dass besonders Bürger mit niedrigem Einkommen getroffen werden, die dann sofort ihre Ausgaben einschränken müssten.

Finanzpolitik gefordert

Lagarde sprach zum Auftakt der sogenannten Sintra-Konferenz der Notenbanken, die dieses Jahr allerdings nicht in dem portugiesischen Ort Sintra, sondern virtuell stattfand. Sie forderte weiterhin eine starke Unterstützung der Wirtschaft durch die Finanzpolitik. Dabei deutete Lagarde mehrfach die enge Verbindung von Geld- und Finanzpolitik an. Am Donnerstag tritt sie außerdem auf einem Panel mit dem Chef der US-Notenbank Fed, Jerome Powell, und dem Chef der Bank von England, Andrew Bailey, auf.

Weil die privaten Haushalte im Lockdown nur wenig konsumieren könnten, sei es wichtig, auch für die öffentlichen Finanzen günstige Bedingungen zu schaffen. Außerdem gelte es zu verhindern, dass staatliche Kreditaufnahme dazu führe, dass für die private Wirtschaft zu wenig Mittel bereitstünden.

Beide Argumente liefern eine Rechtfertigung dafür, dass die EZB mit den Ankäufen von Staatsanleihen den Regierungen der Euro-Zone hilft.

Experten gehen übereinstimmend davon aus, dass die Geldpolitik expansiv bleibt. Und das gilt für Europa noch mehr als für die USA. Robin Brooks, Chefökonom der Großbanken-Organisatin IIF in Washington, leitet aus der Entwicklung der Märkte ab, dass die Investoren die Euro-Länder als Nachzügler der Erholung sehen. Er hat kürzlich getwittert: „Die Verkaufswelle bringt die Renditen überall auf der Welt nach oben, mit einer Ausnahme: der Euro-Zone. Die Märkte preisen dort einen dauerhafteren Schaden ein.“

Hinzu kommt: Die Entwicklung einer Erholung, die durch die Verfügbarkeit von Impfstoffen eingeleitet wird, war ohnehin das Basisszenario der meisten Notenbanker. Dass es jetzt greifbarer wird, ist eine gute Nachricht – aber kein Grund, vom Kurs abzuweichen.

Jörg Krämer, Chefökonom der Commerzbank, gibt sich zwar im Prinzip optimistisch. Nach seiner Einschätzung kann man jetzt „viel sicherer sein, dass das Bruttoinlandsprodukt des Euro-Raums sein Vorkrisenniveau nach der Jahreswende 2021 auf 2022 wieder erreicht“. Er findet, auch mit Blick auf die starken Aktienmärkte: „Eigentlich müsste die EZB deshalb ihre Geldpolitik auf der nächsten Sitzung nicht mehr lockern.“

Weil die Wirtschaft im Lockdown ist und möglicherweise sogar eine dritte Corona-Welle droht, glaubt er aber nicht an einen Strategieschwenk der Notenbank. „Außerdem können die vielen Tauben im EZB-Rat darauf verweisen, dass die Inflation deutlich unter ihrem Ziel von knapp zwei Prozent liegt“, sagt er mit Blick auf die Vertreter einer weichen Geldpolitik im Rat, denen er eher kritisch gegenübersteht.

Krämer glaubt daher, dass die EZB, wie sie im Oktober schon recht deutlich angekündigt hat, das Notfallprogramm PEPP, das bisher Anleihen im Umfang von 1,35 Billionen Euro vorsieht, aufstockt und den Banken unter dem Kürzel TLRTO weitere günstige Kredite anbietet.

Wirtschaftsweise bleiben kritisch

Ganz ähnlich argumentiert Dirk Schumacher von Natixis: „Die EZB hat ja damit gerechnet, dass zu Beginn des Jahres ein Impfstoff kommen wird. Insofern ändert sich nichts Grundsätzliches am Basisszenario. Ich würde deshalb davon ausgehen, dass eine Ausweitung des PEPP im Dezember beschlossen wird.“ Und Frederik Ducrozet von Pictet weist darauf hin, dass die EZB sich im Oktober de facto schon auf eine weitere Lockerung festgelegt hat.

Weil die Inflationserwartungen in der Euro-Zone sehr niedrig sind, glaubt er, dass die EZB nicht PEPP, sondern auch das Anleihekaufprogramm APP aufstocken wird. Während bei PEPP als Notfallprogramm die Käufe recht flexibel eingesetzt werden, läuft APP nach einem festen Volumen von monatlich 20 Milliarden Euro ab. Der Rat der Wirtschaftsweisen hat allerdings gefordert, PEPP im Zuge der Konjunkturerholung möglichst bald wieder einzustellen.

Bei den anderen Notenbanken ist auch keine Kursänderung zu erwarten. In den USA hat die Fed kurz nach der Wahl eine relativ ereignislose Sitzung abgehalten. Im Rahmen ihres Strategiewechsels hatte sie bereits angekündigt, mehr als bisher das Gewicht auf Vollbeschäftigung zu legen und zeitweise auch eine Inflation oberhalb des Zielwerts von zwei Prozent zu akzeptieren.

Damit gibt es keinerlei Notwendigkeit zu handeln, auch wenn die Inflationserwartungen noch etwas weiter anziehen dürften. Für die USA rechnet zum Beispiel die US-Fondsgesellschaft Blackrock damit, dass es in absehbarer Zeit zu einer Überschreitung der zwei Prozent kommen könnte.

Die Bank of England wiederum hat gerade ihr Kaufprogramm um 150 Milliarden Pfund auf 895 Milliarden aufgestockt. Sie muss zusätzlich zu den weltweiten Problemen auch noch die Folgen des nahenden Brexits im Auge behalten.

Das sind die Instrumente der EZB:

Die EZB wird ihr aller Voraussicht nach im Dezember folgen und ebenfalls ihre Geldpolitik nochmal lockern. Dabei hat sie mehrere Optionen:

Anleihekäufe

Das wichtigste Instrument ist aktuell ihr Anleihekaufprogramm PEPP. Dieses hatte sie im März beschlossen, um die Folgen der Corona-Pandemie für Wirtschaft und Finanzmärkte zu lindern. Aktuell ist das Programm bis Ende Juni 2021 befristet und beläuft sich auf 1,35 Billionen Euro. Hiervon waren bis Ende Oktober 2020 629,2 Milliarden Euro ausgeschöpft.

Setzt die EZB ihre Käufe im bisherigen Tempo fort, würde sie mit dem verbleibenden Volumen noch etwa bis Oktober 2021 auskommen. Viele Ökonomen erwarten jedoch eine zeitliche Verlängerung des Programms bis Ende 2021 und eine Ausweitung des Volumens um 200 bis 500 Milliarden Euro.

Neben diesem neuen Anleihekaufprogramm läuft bis mindestens Ende des Jahres das ältere APP-Programm zum Ankauf von Anleihen und anderen Wertpapieren für 20 Milliarden Euro monatlich. Außerdem kann die EZB über dieses ältere Programm zusätzliche Käufe in Höhe von 120 Milliarden Euro zeitlich flexibel verteilen.

Viele Ökonomen erwarten eine Verlängerung dieses Programms, manche auch eine Aufstockung des monatlichen Kaufvolumens. Bei dem älteren Programm ist die EZB aber weniger flexibel bei den Käufen. Diese sind an den Kapitalschlüssel der Notenbank gebunden, der sich nach Bevölkerungsgröße und Wirtschaftskraft der Euro-Länder bemisst. Bei dem neuen PEPP-Programm hingegen behält sie sich vor, temporär davon abzuweichen.

Günstigere Langfristkredite für Banken

Eine weitere Möglichkeit wäre, dass die EZB den Banken noch günstigere langfristige Refinanzierungen bietet. Aktuell können die Institute bei der Notenbank auf drei Jahre Laufzeit ausgelegte langfristige Refinanzierungsgeschäfte abrufen – im Fachjargon TLTRO III genannt. Die Zinsbedingungen hierbei sind für die Banken äußerst günstig.

Bei den Liquiditätsspritzen wird als Zinskondition der Einlagesatz angesetzt, der aktuell bei minus 0,5 Prozent steht. Banken erhalten somit eine Prämie, wenn sie bei den Geldspritzen zugreifen. Diese kann sogar auf ein Prozent steigen, wenn die Institute ihre Kreditbücher nicht verringern. Auch hier erwarten Ökonomen sogar noch günstigere Konditionen für die Zukunft.

Zinssenkung

Eine weitere Stellschraube ist eine mögliche Zinssenkung. EZB-Direktorin Isabel Schnabel hatte einen solchen Schritt im Interview mit dem Handelsblatt als Option genannt. „Unsere Analysen zeigen, dass eine weitere Senkung möglich wäre, ohne an den Punkt zu gelangen, an dem sie nicht mehr wirkt oder sogar schadet“, sagte sie.

Aktuell liegt der für die Geldpolitik entscheidende Einlagenzins, den Banken für überschüssige Liquidität bei der Notenbank zahlen, bei minus 0,5 Prozent. Selbst in der Corona-Pandemie hatte die EZB auf eine weitere Senkung verzichtet. Laut Schnabel hat sich die wirtschaftliche Situation aber gegenüber März geändert, und dies werde sich vermutlich auch in der Ausgestaltung der Instrumente der EZB widerspiegeln.

Ökonomen gehen davon aus, dass Negativzinsen ab einem bestimmten Niveau nicht mehr stimulierend, sondern dämpfend auf die Wirtschaft wirken, unter anderem wegen negativer Nebenwirkungen für den Finanzsektor. In einer aktuellen Studie schätzen EZB-Ökonomen, dass dieser Punkt, wo negative Folgen die positiven Effekte überwiegen, bei einem Zins von minus einem Prozent erreicht ist. Demnach hätte die EZB noch etwas Spielraum.

Großzügigere Freibeträge für Banken

Bankenvertreter haben bereits vor einer weiteren Zinssenkung gewarnt. Die EZB könnte den Kreditinstituten aber auch an anderer Stelle entgegenkommen. Einige Ökonomen rechnen mit einer großzügigeren Gestaltung der Freibeträge für Banken bei den Minuszinsen.

Momentan fallen für überschüssige Liquidität minus 0,5 Prozent Zinsen an. Davon ausgenommen ist jedoch ein Freibetrag, der sich aktuell auf das Sechsfache der Mindestreserveanforderung eines Instituts beläuft. Dieser Multiplikator könnte angehoben werden, zum Beispiel auf das Achtfache der Mindestreserveanforderung.