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Kommentar: Die Geister des Horst Seehofer

Steht er auf oder setzt er sich? Bundesinnenminister Horst Seehofer. (Bild: REUTERS/Fabrizio Bensch)
Steht er auf oder setzt er sich? Bundesinnenminister Horst Seehofer. (Bild: REUTERS/Fabrizio Bensch)

Ein Zufallsfund legt eine rechtsextreme WhatsApp-Gruppe unter Polizisten frei. Es ist genau der Bumerang, den Horst Seehofer befürchtet hat: Der Bundesinnenminister lehnt eine Rassismusstudie ab. So kriegt er seinen Laden nicht in den Griff.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Was man halt so alles findet, in einem Handy. Bei der Polizeiwache in Mülheim an der Ruhr wird es heute vor allem ein Gesprächsthema geben: Wer was postete und las – in jener WhatsApp-Gruppe, in der Mitglieder einer einzigen Dienstgruppe in Mülheim über Jahre hinweg über 100 Bilder verschickten. Nazikram.

Nur zufällig kam es zum Fund. Einer der Beamten stand unter dem Verdacht, Informationen an einen Journalisten weitergegeben zu haben; sein Privathandy wurde eingezogen und siehe da: Plötzlich schauten die Ermittler auf jede Menge Hakenkreuze, Hitler-Bilder, wieder Hakenkreuze auf Geburtstagskuchen und mitunter ein fiktives Bild eines Geflüchteten in einer Gaskammer.

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Hat sowas möglicherweise mit Rassismus zu tun? Immerhin ist die Vorstellung eines nach Deutschland vor Krieg, Armut und Gewalt fliehenden Menschen, der dann in einer Gaskammer genauso elendig verstirbt, wie es hunderttausenden Juden während der offiziellen Hakenkreuzzeit geschah, nicht gerade menschenfreundlich.

Gegen 29 Polizisten wird nun ermittelt. Beamte, die entweder aktiv sowas verschickten oder es als passive Empfänger nicht meldeten. Alle, die einmal am gleichen Dienstort ihre wichtige Arbeit verrichteten. Das sagt schon eine Menge aus.

Fragen über Fragen

Zum Beispiel, dass solch ein Zufallsfund einen Hinweis auf tieferliegende Strukturen abgibt. Natürlich würden die allermeisten Polizisten in Deutschland nicht im Traum an solchen Chatgruppen teilnehmen oder ihre Inhalte gutheißen. Aber wenn es Strukturen gibt, sollte man sie sich anschauen.

Genau das aber verweigert der Bundesinnenminister. Seit Monaten versucht Horst Seehofer vergeblich eine lästige wie überflüssige Diskussion auszutreten: Soll es eine Studie über Rassismus in der Polizei geben? Der Christsoziale tat bisher immer so, die Fragestellung solch einer Studie impliziere, die Polizei an und für sich sei ein rassistischer Haufen. Das ist Quatsch. Seehofer lehnte im Juli eine Studie ab, weil Rassismus bei der Polizei laut Vorschrift verboten ist. Racial Profiling, also die Behandlung von Menschen je nach Einteilung in „Gruppen“ ist offiziell nicht vorgesehen – also gibt es das alles nicht in Horsts Welt. Öffentlicher kann man den Kopf nicht in den Sand stecken.

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Und nun taucht da so ein blödes Handy auf, und diese Welt kriegt plötzlich viele kleine Risse. Dennoch ist Seehofer eine Person, die nicht schnell klein beigibt. Auch im Angesicht des Mülheimer Fundes sagte er nun: "Dieser Vorgang bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen tut weh", leitete er gegenüber der "SZ" ein. Er sei aber überzeugt, "dass die überwältigende Mehrheit unserer Polizistinnen und Polizisten solche Machenschaften ablehnen".

Wie definiert man eigentlich überwältigende Mehrheit? Und was machen wir mit dem Rest? Ist es ok, wenn zehn Prozent der Polizisten solchen „Machenschaften“ frönen? Oder fünf? 15?

Versagen auf mehreren Ebenen

Der Mülheimer Skandal dokumentiert menschenverachtendes Verhalten und Führungsversagen. Eine falsch verstandene Kollegialität und vielleicht auch einen Korpsgeist unter Waffentragenden, der sie für eben jenes disqualifiziert. Logischer Schluss aus dieser Affäre ist eine Studie. Denn wie viele Handys solchen Inhalts wird es geben? Was ist mit den bis heute noch nicht ermittelten Polizisten, die als „NSU 2.0“ Bürger mit Todesdrohungen heimsuchen?

Polizisten sind, es ist oft gesagt worden, Spiegel unserer Gesellschaft. Sie sind nicht besser oder schlechter als die Leute in anderen Berufen. Nur haben sie eine besondere Verantwortung. Daher wird diese Studie kommen, und Seehofer wird bald gehen. Denn seine Worte vom Juli kommen nun wie ein Bumerang zurückgeflogen. Wie im „Zauberlehrling“-Gedicht von Goethe wird Seehofer bald an Kanzlerin Angela Merkel adressieren: Ach, da kommt der Meister! / Herr, die Not ist groß! / Die ich rief, die Geister / werd ich nun nicht los.

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