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Kampf um die schwarze Null: SPD stellt die Schuldenfrage

Die künftigen SPD-Chefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans wollen eine Abkehr vom Haushalt ohne neue Schulden. Der Konflikt wird zur Belastungsprobe für die GroKo.

Der Bundesfinanzminister hat künftig einen schweren Stand in der SPD. Foto: dpa
Der Bundesfinanzminister hat künftig einen schweren Stand in der SPD. Foto: dpa

Olaf Scholz (SPD) macht erst einmal so weiter, als wäre nichts geschehen. Am Dienstag wird der Vizekanzler an der Sitzung des SPD-Parteivorstands teilnehmen, der über die Halbzeitbilanz der Großen Koalition debattiert. Am Mittwoch reist der Bundesfinanzminister dann nach Brüssel, wo er seine europäischen Kollegen in der Euro-Gruppe trifft. Und am Donnerstag ist Scholz wieder in Berlin, wenn das SPD-Präsidium über den Parteitag am Wochenende berät.

In Scholz' Arbeitsprogramm wird das Spannungsfeld deutlich, in dem er sich jetzt befindet. Als Bundesfinanzminister steht er weiter für die Politik der Großen Koalition, vertritt sie in Brüssel gegenüber den europäischen Partnern. Doch in der eigenen Partei hat diese Politik keine Mehrheit.

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Zumindest haben sich die SPD-Mitglieder gegen ihn und Klara Geywitz entschieden und stattdessen für den früheren Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, Norbert Walter-Borjans, und die linke Bundestagsabgeordnete Saskia Esken gestimmt. Die beiden GroKo-Gegner sollen nun auf dem Parteitag zur neuen Doppelspitze gewählt werden.

Die Frage ist nun, ob und wie die neuen Parteichefs mit dem Vizekanzler zusammenarbeiten können. Schließlich haben Walter-Borjans und Esken nicht nur die bisherigen GroKo-Beschlüsse wie das Klimapaket kritisiert, die Scholz maßgeblich mitverhandelt hatte. Sie verlangen auch einen Kurswechsel in der Finanzpolitik.

Besonders deutlich wird der Konflikt bei der schwarzen Null, also dem ausgeglichenen Haushalt. Den hat Scholz eisern verteidigt und ist davon auch im SPD-internen Wahlkampf nicht abgerückt. Walter-Borjans und Esken fordern hingegen ein schuldenfinanziertes Investitionsprogramm. Der frühere NRW-Finanzminister hält 45 Milliarden Euro jährlich für notwendig. Esken hat sogar einen Nachtragshaushalt für das gerade erst vom Bundestag verabschiedete Budget 2020 ins Spiel gebracht.

Walter-Borjans setzt sich dafür ein, dass die SPD nun eine Abkehr von der schwarzen Null beschließt. „Ich gehe davon aus, dass es auf dem Parteitag eine klare Entscheidung dafür geben wird“, sagte er. Am Donnerstag wird im Präsidium über den Leitantrag beraten. Es gibt für den Parteitag bereits mehrere Anträge, welche die schwarze Null und auch die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse zur Disposition stellen. „Schwarze Null und Schuldenbremse sind kein finanzpolitisches Programm und kein eigenständiges Ziel. Sie sind vielmehr an vielen Stellen volkswirtschaftlich kontraproduktiv und ein Hemmnis für notwendige Investitionen“, heißt es in einem Antrag einiger SPD-Bundestagsabgeordneter für den Parteitag.

In der SPD ist die Schuldenfrage allerdings umstritten. Die schwarze Null hat neben Scholz noch weitere Befürworter. Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) verweist auf die gestiegenen Investitionen im Bundesetat von Scholz. „Ehe man über neue Schulden und den Abschied von der schwarzen Null nachdenkt, sollten wir in Deutschland erst mal gewährleisten, dass die Planungs- und Baukapazitäten so ausgebaut werden, dass man mehr Geld auch real auf die Straße bekommt“, sagte Dressel.

Einige Sozialdemokraten fordern Reform der Schuldenbremse

Auch der SPD-Finanzminister aus Mecklenburg-Vorpommern, Reinhard Meyer, verteidigt den ausgeglichenen Haushalt. „Es gibt zurzeit keine Veranlassung, an der schwarzen Null etwas zu ändern“, sagte Meyer. Der Bund stelle mit seinem Haushalt genügend Investitionen sicher. „Aufgrund langer Planungsphasen hapert es aber an der Umsetzung. Hier gilt es, den Hebel anzusetzen.“

Auf der anderen Seite gibt es gewichtige Stimmen, die eine Reform der Schuldenbremse fordern. So verweist Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) auf Studien des Gewerkschaftsbunds DGB und des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), die Deutschland einen immensen Investitionsbedarf attestieren. „Darin wird aus unverdächtiger Sicht zum Ausdruck gebracht, wie viel die öffentliche Hand in den nächsten Jahren allein in Infrastruktur, Klimaschutz und Bildung investieren muss, um die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft zu sichern“, sagte Weil. „Vor diesem Hintergrund müssen wir über die Ausgestaltung der Schuldenbremse sicher noch einmal reden.“

Die Wahrscheinlichkeit ist jedenfalls groß, dass die Delegierten auf dem SPD-Parteitag einen Beschluss fassen, der eine Neuverschuldung des Bundes zur Investitionsfinanzierung anmahnt. Und dann stellt sich für Scholz die Frage, wie er damit umgeht. Seine eigene Partei würde ihn damit zum Kurswechsel auffordern.

Erst kürzlich hatte sich Scholz in der Haushaltsdebatte dafür gelobt, dass er die Investitionen auf 43 Milliarden Euro gesteigert habe, ohne dafür ins Defizit gehen zu müssen: „Ein wenig irritierend ist, dass einige das immer schnell beiseitepacken, um dann zu überlegen, warum sie neue Schulden machen müssen, statt zu sagen, sie finden es richtig, dass wir so schnell und in solchem Umfang investieren.“

Zu diesen „einigen“, die Scholz in seiner Rede ansprach, gehören auch die neuen Parteichefs der SPD. Die haben zwar gleichzeitig verkündet, Scholz solle Finanzminister bleiben. Doch nach der bitteren Niederlage im Rennen um den SPD-Vorsitz könnte bei Scholz die Schmerzgrenze erreicht sein. Zumindest wird den Beschlüssen und der Stimmung auf dem SPD-Parteitag in Scholz‘ Umfeld einige Bedeutung beigemessen, wenn es um die Frage geht, ob er Finanzminister und Vizekanzler bleibt.

Union zeigt sich unbeeindruckt

Sollten die Delegierten lauter Dinge beschließen, die mit seinen Positionen nicht vereinbar sind, könnte er sich auch zurückziehen. So oder so würde sich die Frage stellen, wie die Beschlüsse in der Großen Koalition umgesetzt werden sollen. Der Koalitionsvertrag ist eindeutig. Dort heißt es: „Wir sind uns über das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts ohne neue Schulden und unter Einhaltung der entsprechenden grundgesetzlichen Vorgaben einig.“

Esken und Walter-Borjans haben deshalb bereits gefordert, den Koalitionsvertrag nachzuverhandeln. „Wenn dann eine Blockadehaltung des Koalitionspartners da ist für diese neuen Aufgaben, dann muss man die Entscheidung treffen, dass es nicht weitergeht“, drohte Walter-Borjans andernfalls mit einem Ausstieg aus der Großen Koalition.

Bisher zeigt sich die Union unbeeindruckt. Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer und CSU-Chef Markus Söder haben deutlich gemacht, dass sie keine Neuverhandlung wollen. Die Koalitionsvereinbarung gelte für die gesamte Legislaturperiode, sagte Kramp-Karrenbauer. Eine neue SPD-Führung gehöre „nicht zu den schwerwiegenden Fällen“, die dem Vertrag zufolge Änderungen zuließen.

Dieser Kurs wurde am Montagmorgen in einer Telefonkonferenz des CDU-Vorstands bestätigt. Bei der Besprechung habe Einigkeit bestanden, einer Neuverhandlung des schwarz-roten Koalitionsvertrags nicht zuzustimmen, hieß es in Parteikreisen. Es habe die Devise geherrscht, sich als Union ruhig zu verhalten und abzuwarten, was die SPD auf ihrem Parteitag entscheide. Neben Kramp-Karrenbauer nahm auch Kanzlerin Angela Merkel an der Telefonschalte teil.

Der ausgeglichene Bundeshaushalt hat sich seit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zum Markenkern der Union entwickelt und hohe politische Bedeutung. In den vergangenen Wahlkämpfen diente er den Unionspolitikern als einer der wenigen Leistungsnachweise, mit denen sie an der Basis punkten konnten. Umso erbitterter wird man ihn verteidigen. „Bei der schwarzen Null bleiben wir beinhart“, sagte CDU-Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann.

Die Forderung nach neuen Schulden, sollte sie von der SPD vehement erhoben werden, könnte sich als Bruchstelle für die Große Koalition erweisen. Und für Vizekanzler Scholz als eine Forderung, die er nicht bereit ist, gegen die Union und seine eigene Überzeugung durchzusetzen.