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Köchin auf Ebay zu ersteigern: Die Not machte diese beiden Schwestern erfinderisch

Viktoria und Kristin Fuchs führen ein Landhotel mit Spitzenküche. Durch den Lockdown brach ihr Geschäft über Nacht weg. Dann wurden sie kreativ.

Als Viktoria und Kristin Fuchs ihr „Romantikhotel Spielweg“ Ende März im Zuge der Corona-Beschränkungen schließen mussten, waren die beiden Schwestern erst einmal ratlos. In sechster Generation schon führen sie mit ihrer Familie das 100-Betten-Hotel samt Restaurant in Münstertal im beschaulichen Schwarzwald.

Die Auswirkungen von Corona: historisch. „Von einem Tag auf den anderen hatten wir kein Geschäft mehr, aber irgendwie musste Geld reinkommen“, sagen die Gastronominnen.

Die Not machte die beiden erfinderisch – und trieb die Digitalisierung voran. Viktoria kam auf die Idee, sich als Köchin meistbietend auf dem Online-Marktplatz Ebay zu versteigern. „Da kommt gleich Kohle rein und nicht erst nach Corona, wenn ich wieder meine Kochkurse veranstalten kann“, sagt die Küchenchefin, die eine Passion für asiatisch angehauchte Wildgerichte hat.

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Ein lohnenswerter Einfall: Für 3260 Euro ersteigerte ein Gourmet in Freiburg ein Vier-Gänge-Diner für zehn Personen. Dass die Ebay-Gebote so hoch waren, liegt daran, dass die 29-Jährige nicht irgendeine Köchin ist, sondern zu den Nachwuchsstars ihrer Zunft zählt. Als eines der jüngsten Mitglieder wurde Viktoria Fuchs 2018 in den elitären Zirkel der „Jeunes Restaurateurs“ aufgenommen. Dort tauschen sich junge Spitzenköche von mehr als 350 Restaurants in 16 Ländern aus.

Die Schwestern hatten einen weiteren Einfall, der anderen Gastronomen in der Krise Mut machen kann. Das Problem: Im Kühllager des Restaurants drohten die frischen Produkte zu verderben. „Unsere 15 Azubis haben unzählige Weckgläser eingekocht“, erzählt die Hotelchefin. Die 31-Jährige hat ein duales BWL-Studium mit Schwerpunkt Hotelmanagement absolviert.

Anfangs hatte die Familie noch frisches Essen ausgeliefert. Doch die Stammkunden sind Urlaubsgäste, wohnen in ganz Deutschland verstreut. „Die mussten wir anders erreichen“, sagt die Hotelmanagerin. Kurzentschlossen mailten sie eine Bestellliste mit hausgemachter Wurst, Bergkäse, Marmeladen und Bärlauchpesto an die Stammgäste. Die Liste posteten sie auf den sozialen Netzwerken Instagram und Facebook.

Ein Posting mit Folgen: „Das ging so krass ab! Wir mussten sofort in Serienproduktion gehen, um die Nachfrage bedienen zu können“, berichtet Viktoria Fuchs. Um die vielen Bestellungen besser handeln zu können, bastelte sie mit ihrem Partner, Patisseriechef Johannes Schneider, nächtelang an einem Onlineshop. Der ging schon eine Woche später an den Start.

Digitalisierung in der Krise

„Tagsüber mussten wir für unseren Take-away kochen. Papa hat mit den Azubis den ganzen Tag Wurst gemacht. Mama hat Hunderte Pakete zur Post gebracht und Rechnungen geschrieben“, sagt Viktoria Fuchs. Pure Hektik! Erst als sie alles per Paypal und Paketdienst abwickelten, wurde der Onlinevertrieb stressfreier. „Unsere Lernkurve war steil.“

Bestseller im Onlineshop sind Spielweger Bergkäse, Wild-Salamettis und Leberwurst vom Hirsch. Was die Unternehmerinnen besonders freut: 30 Prozent der Besteller sind Neukunden. Ein „Lädele“ mit ihren Hausmacherprodukten gab es zwar schon im Spielweg. Doch schon länger hatte Familie Fuchs mit einem Online-Lädele geliebäugelt. Der Aufwand erschien ihnen aber immer zu hoch. „Corona hat uns nun dazu gezwungen. Letztlich war es einfacher als gedacht“, sagt Kristin Fuchs. Eine Erfahrung, von der auch andere in der Branche profitieren könnten.

In gewisser Hinsicht sind die umtriebigen Schwestern schon krisenerfahren. Das Haus sei alt, ständig gebe es irgendwo einen Rohrbruch. Vor fünf Jahren erlitt ihr Vater eine Hirnblutung. Von heute auf morgen mussten die Töchter den Betrieb übernehmen. Da waren sie gerade Mitte zwanzig. Viktoria kochte damals im renommierten Schloss Elmau und kam nach Hause. Ein Jahr war der Vater in der Reha.

„Damals haben wir gelernt: Es bringt nichts zu verzweifeln. Man muss etwas tun. Gute Ideen helfen einem aus der Krise“, sagt Kristin Fuchs. Ein Vorsatz, den sie auch in der Pandemie nicht aus den Augen verloren haben.

„Kongeniales Team“

Sternekoch Harald Rüssel kennt die Familie Fuchs gut. Viktoria hat bei ihm im Gourmetrestaurant „Rüssels Landhaus“ in der Nähe von Trier gearbeitet. „Viki ist nicht nur eine ganz hervorragende Köchin, sie führt auch konsequent in der Küche“, urteilt Rüssel. Gerade wenn es stressig werde, packe sie an und bewahre einen kühlen Kopf. Gemeinsam seien die Schwestern Fuchs ein „kongeniales und kreatives Team“.

Diese Eigenschaften bewahren sie sich auch in der Pandemie. Die acht Wochen ohne Gäste hat Familie Fuchs aber auch genossen. Abends konnten sie auf der großen Terrasse in aller Ruhe Wein trinken. „Dazu kommen wir ja sonst nie“, sagt Kristin Fuchs.

So langsam kehrt im Schwarzwald die Normalität zurück: Mitte Mai hat das Restaurant wieder seinen Betrieb aufgenommen, das Hotel empfängt seit Pfingsten Gäste. Das Spielweg ist ausgebucht – soweit es die Corona-Beschränkungen zulassen. „Wir können höchstens 70 Prozent Umsatz machen, haben aber mehr Aufwand“, sagt Kristin Fuchs. Weil Büffets verboten sind, muss etwa das Frühstück an jedem Tisch nach Wunsch einzeln zusammengestellt werden. „Allein dafür brauchen wir zwei Leute mehr, abgesehen von den aufwendigen Hygieneregeln.“

Die Krise beeinträchtigt das Geschäft erheblich. Alle Tagungen im Hotel Spielweg wurden bis Jahresende storniert ebenso das Catering für externe Events. Außerdem gibt es so gut wie keine Feiern im Romantikhotel. Damit fallen lukrative Einnahmequellen weg. Doch eine Schließung kommt nicht infrage. „Unsere ganze Familie lebt vom Hotel und Restaurant“, sagt Kristin Fuchs. Und auch das Personal: „Mit Kurzarbeitergeld kommen unsere 55 Mitarbeiter nicht lange rund, wenn das wichtige Trinkgeld fehlt.“

Insgesamt zieht die Gastronomie nach der Wiedereröffnung von Restaurants eine ernüchternde Bilanz: 81,5 Prozent der Betriebe sagen, dass ein wirtschaftliches Handeln unter Corona-Auflagen nicht möglich sei. Das zeigt eine Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands. Überbrückungshilfen des Staates sollen den Umsatzausfall nun abfedern.

Auch wenn das Romantikhotel im Schwarzwald nun wieder geöffnet hat – unterschwellig bleibt die Angst, dass ein Gast oder Mitarbeiter unwissentlich Corona mitbringt. Dann müsste das Spielweg wieder schließen – mit allen finanziellen Folgen.

Doch die Schwestern bleiben zuversichtlich. „Unser Hotel gibt es seit fast 160 Jahren, da sind ein paar Monate Corona-Lockdown ein Wimpernschlag“, sagen Viktoria und Kristin Fuchs. „Unser Optimismus und das neue Online-Lädele helfen uns, das Beste aus der Krise zu machen.“

Alle Beiträge unter: www.handelsblatt.com/hoffnungstraeger