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Anwälte geraten durch die Coronakrise zunehmend in Existenznot

Geht ein Anwalt pleite, wird ihm seine Zulassung entzogen. Der Deutsche Anwaltverein fordert nun eine Corona-Sonderregelung. Doch die stößt auf Kritik.

Rechtsorgane haben während der Coronakrise oftmals große Einbußen. Foto: dpa
Rechtsorgane haben während der Coronakrise oftmals große Einbußen. Foto: dpa

Durch die Coronakrise geraten zunehmend auch Anwälte in finanzielle Nöte. Weniger Menschen suchen Rat in einer Kanzlei, Mandanten können aufgrund eigener finanzieller Schwierigkeiten ihre Rechnungen nicht mehr begleichen, Gerichtstermine werden weitgehend abgesetzt. Die Rechtsanwaltskammer München gewährt Anwälten, die coronabedingte Einbußen erlitten haben, nun sogar unbürokratisch finanzielle Unterstützung aus einem Spendenfonds.

Die Lage könnte mit anhaltender Coronakrise brisant werden. Denn die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) sieht vor, dass die anwaltliche Zulassung zu entziehen ist, wenn ein Anwalt in „Vermögensverfall“ gerät – auch zum Schutz der Mandanten als Verbraucher.

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Die Präsidentin des Deutschen Anwaltvereins, Edith Kindermann, hat sich darum mit einem Schreiben an Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) gewandt. Darin fordert sie eine Übergangsvorschrift, die Anwälte vor einem Zulassungsverlust allein aufgrund der Coronakrise schützt.

Die betreffende BRAO-Regelung soll bis Ende 2021 nicht angewendet werden, wenn der Anwalt nachweist, dass der Vermögensverfall allein auf Corona-Umstände zurückzuführen ist, die nach dem 7. März 2020 eingetreten sind.

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hingegen lehnt eine solche Sonderregelung „nachdrücklich“ ab. „Der BRAK ist gegenwärtig kein einziger Fall eines coronabedingten Zulassungswiderrufs bei den regionalen Kammern bekannt“, heißt es in einem Schreiben der Standesvertretung ebenfalls an die Justizministerin, das dem Handelsblatt vorliegt. 2018 seien bundesweit überhaupt nur 49 Ausschließungen aus der Anwaltschaft erfasst worden.

Keine Änderung notwendig?

Es sei keinerlei Notwendigkeit ersichtlich, in einer Art „Kurzschlussreaktion“ sachgerechte Regelungen zu ändern oder zu ergänzen, heißt es in dem BRAK-Schreiben weiter. Für den rechtsuchenden Mandanten sei es im Übrigen einerlei, ob ein Anwalt wegen der Pandemie oder aus sonstigen Gründen in Vermögensverfall gerate: „Die schützenswerten Interessen sind stets gleich und gleich wichtig.“

Der Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln, Martin W. Huff, bekräftigte: „Wir müssen die Mandanten vor Rechtsanwälten schützen, die nicht wirtschaften können.“ Er weist zudem darauf hin, dass die Betroffenen ihre Anwaltszulassung „sehr schnell“ wieder zurückerhalten, „wenn das Schuldnerverzeichnis wieder sauber ist“.

Die BRAK verweist zudem auf eine aktuelle Umfrage der Kammer, an der sich bisher über 12.000 Anwälte beteiligt haben. Demnach haben 44,6 Prozent der Befragten entweder bereits Soforthilfe beantragt, oder sie gehen davon aus, künftig Soforthilfen beantragen zu müssen.

Die Anwälte zeigten sich jedoch laut BRAK zu einem „nicht unerheblichen Teil“ auch zuversichtlich, die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie überwinden zu können. Für die Kammer liegt der Fall klar: Kurzfristige Liquiditätsengpässe infolge einer Pandemie lassen sich nicht mit einem nachhaltigen Vermögensverfall vergleichen.

Insolvenzrechtsexperte Volker Römermann, der auf Berufsrecht für Anwälte spezialisiert ist, fordert angesichts der Kontroverse, den Widerruf der Zulassung gleich ganz abzuschaffen: „Wer nichts weiter verbrochen hat als private Fehlschläge wie eine Scheidung, unternehmerische Fehlentscheidungen wie die Wahl eines falschen Anwaltspartners oder eben Opfer einer Naturkatastrophe zu werden, der verdient den Fortbestand seiner Lebensgrundlage.“

Ein „entspannter Umgang“ mit dem Scheitern würde die Ängste und Nöte betroffener Anwälte reduzieren und damit das Risiko für deren Klientel. Überhaupt sei der Gedanke, insolvente Anwälte seien tendenziell zu Straftaten bereit, irrig. „Sicher, es gibt schwarze Schafe, die Fremdgelder unterschlagen haben“, sagt Römermann. Statistisch sei das aber eine zu vernachlässigende Größe. Darum fordert er: „Der Widerruf der Zulassung wegen Vermögensverfalls ist aus dem Gesetz zu streichen, und zwar für immer.“ Eine Ausnahme aufgrund von Corona sei ungenügend.

Das Bundesjustizministerium teilte auf Anfrage mit, es stehe beim Thema Corona-bedingter Zulassungswiderruf im Austausch mit der BRAK und dem DAV. Unabhängig davon könnten Anwälte wie alle anderen Selbstständigen die von der Regierung beschlossenen Liquiditätshilfen beantragen oder etwa Steuerzahlungen stunden. Weitere Maßnahmen würden fortlaufend geprüft.