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Wie Julia Bijaoui es als einzige Frau unter Frankreichs Top-Gründer geschafft hat

Frichti bietet frisch gekochtes Essen zum Bestellen an. Mitgründerin Julia Bijaoui ist die einzige Frau, deren Start-up von der Regierung besonders gefördert wird.

Einen eigenwilligen Namen haben sich Julia Bijaoui und Mitgründer Quentin Vacher für ihr Unternehmen ausgedacht: Frichti. Sie bieten mit ihrem Food-Tech-Start-up selbst gekochtes frisches Essen zum Bestellen per App oder Website an. Frichti ist ursprünglich eher eine altmodische Bezeichnung für schnell zubereitetes Essen. Doch Frichti ist auch in Corona-Zeiten buchstäblich in aller Munde.

Das 2015 gegründete Unternehmen ist äußerst erfolgreich, erhielt insgesamt schon 43 Millionen Euro Finanzierung von mehreren Fonds. Julia Bijaoui bestätigt im Interview mit dem Handelsblatt, dass es dennoch weiterhin ein Familienunternehmen ist, ohne ins Detail zu gehen: „Wir haben noch einen erheblichen Anteil.“ Mehr als 25 Prozent seien es auf jeden Fall.

Die 31-jährige dunkelhaarige Französin ist die einzige Frau in der Gruppe der 40 aussichtsreichsten Start-ups der Grande Nation. Präsident Emmanuel Macron hat entschieden, diese jungen Firmen besonders zu fördern. „In die Next 40 aufgenommen zu werden war für uns eine große Auszeichnung und ein Privileg“, sagt Bijaoui. Sie ist der Ansicht, dass die Regierung unter Macron unternehmerfreundlich ist und auch die Start-ups besonders im Blick hat.

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Bijaoui hat das klassische Profil der französischen Start-up-Gründer. Die gebürtige Pariserin besuchte die Wirtschaftselite-Hochschule HEC. Mitgründer Quentin Vacher (33), ihr Lebensgefährte und Vater ihr zwei kleinen Töchter, besuchte die Pariser Wirtschaftselite-Universität Dauphine. Die beiden hatten vorher zusammen in einer Firma für Schönheitsprodukte gearbeitet, die online bestellt werden – das war Vachers erste Firmengründung.

Ihr gemeinsames Unternehmen Frichti liegt derzeit im Trend der Food-Techs. Über die Idee zu Frichti erzählt sie, dass sie sich aus eigener Erfahrung für das Thema Ernährung interessierte. „Viele haben keine Zeit mehr zu kochen wie wir auch.“ Und sie fügt das passende Bedürfnis noch hinzu: „Wir wollten den Leuten helfen, trotzdem jeden Tag gut zu essen.“

Das passte in den Trend von Ökologie und Bioernährung, zum gewachsenen Bewusstsein in der Gesellschaft, sich gut ernähren zu wollen. Bijaoui wählt deshalb ihre Händler für die Produkte sehr sorgfältig aus. Gekocht wird selbst, es wird kein Essen von anderen Restaurants angeboten wie bei dem britischen Food-Lieferservice Deliveroo, der in zahlreichen Ländern aktiv ist.

Nahe an der Produktion

Für eine Vorspeise muss man zwischen drei und vier Euro zahlen, Hauptgerichte gibt es ab 6,90 Euro. Von Klassikern wie Quiche Lorraine bis zu italienischen Nudelgerichten und asiatischen Bowls mit viel Gemüse ist die Auswahl groß, insgesamt rund 30 Vorspeisen und 40 Hauptspeisen.

Sie betont: „Das Essen wird innerhalb von 20 Minuten in Paris und der näheren Umgebung geliefert.“ Bestellt wird über eine App. Es sei eine große Herausforderung, das mit frischen Produkten logistisch zu organisieren und dabei nicht zu viele Nahrungsmittel zu bestellen. Mit Algorithmen wird die Nachfrage nach frischem Gemüse, Käse, Fisch und Fleisch vorhergesagt. Über die Jahre haben die beiden Gründer vor allem an der Qualität gearbeitet, gleichzeitig aber versucht, das Preis-Leistungs-Verhältnis attraktiv zu halten.

Mittlerweile kocht Bijaoui natürlich längst nicht mehr allein. Innerhalb weniger Wochen nach der Firmengründung erhielt das Paar die erste Millionenfinanzierung. Frichti hat heute 350 Angestellte und legt viel Wert auf Organisation und Logistik. „Wir haben ein 2000 Quadratmeter großes Kochatelier direkt neben dem Großmarkt Rungis vor den Toren von Paris.“

Man müsse nahe bei den Produkten sein. Dort werden die Zutaten mit der Hand geschnitten und zubereitet und dann in die 19 Pariser Filialen geliefert, darunter ein Büro mit Kochlabor im Marais, in dem viele junge Franzosen arbeiten, die Bijaouis Begeisterung für gutes und gesundes Essen teilen. In den kleinen Ateliers werden die Bestellungen vorbereitet. So ist garantiert, dass das Essen schnell zu den Kunden gelangt.

Ihre zubereiteten Speisen sind vor allem bei Firmenkunden, Kanzleien und Agenturen gefragt, Privatleute sind die kleinere Kundengruppe. Das hatte die beiden Gründer selbst überrascht, die eher damit gerechnet hatten, bei vielbeschäftigten Familien – in Frankreich arbeiten viele Frauen in Vollzeit – Furore zu machen. Der Markt der Bestellungen von Unternehmen war explodiert. „Wir hatten jährliche Zuwächse von mehreren Hundert Prozent“, sagt Bijaoui. Umsatzzahlen verrät sie aber nicht, nur: „Pro Tag haben wir mehrere Tausend Bestellungen.“

Als zweites Standbein haben Bijaoui und Vacher einen weiteren Service aufgebaut. Sie kaufen für Kunden ein und verschicken die Lebensmittel innerhalb von Frankreich bis zum nächsten Tag über den Service „Chronofresh“ mit der Post. Das hat die Jungunternehmer auch während der Coronakrise gerettet, denn seit dem Shutdown waren die fertigen Speisen deutlich weniger gefragt.

Dafür kochten die Leute mehr selbst und bestellten von Frichti die zusammengestellten Lebensmittelkörbe. Außerdem laufen auch die Rezeptkits, die Frichti ebenfalls seit der Coronakrise anbietet, sehr gut. „Wir haben es geschafft, innerhalb einiger Wochen den Ausgleich hinzubekommen.“ Sie sieht auch weiter großen Bedarf für den Food-Bereich.

Bijaoui beobachtet die Start-up-Szene seit Jahren. Stolz darauf, die einzige Frau unter den Top-40-Start-ups Frankreichs zu sein, ist sie nicht: „Das ist eher zum Verzweifeln.“ Aber im französischen Börsenindex CAC 40 sehe es nicht besser aus. Seit Isabelle Kocher den Versorger Engie verlassen hat, gibt es dort keine einzige Frau mehr an der Spitze. In den 120 größten börsennotierten Unternehmen in Frankreich stehen nur rund zehn Frauen an der Spitze.

Von vier Fonds unterstützt

Bijaoui hat beobachtet: „Männern gelingt es mit Start-ups viel leichter, an Finanzierung zu gelangen und mehr Geld zu bekommen als Frauen.“ Das hinge aber oft mit ihrer Ausbildung zusammen. Denn viele Männer, die Start-ups aufbauen, sind Ingenieure. Die seien bei den Investoren besonders gefragt.

Der Informatiker Jérémy Uzan, ihr erster Investor, der lange bei dem Fonds Alven Capital war, sagt, „Ich bin kein Food-Spezialist und kein Tech-Spezialist, aber ich suche menschliche Talente mit hohem Potenzial.“ Julia habe es mit ihrer Redegewandtheit und ihrem Ehrgeiz geschafft, zu überzeugen, dass der potenzielle Markt von Frichti riesig ist.

Für Frichti war es nützlich, dass Mitgründer Vacher vorher schon ein anderes Unternehmen aufgebaut hatte. Das Powerpaar bei Frichti wird derzeit von vier Fonds unterstützt. Die beiden französischen Risikokapitalgeber Alven Capital und Idinvest Partners sind auf Tech-Unternehmen spezialisiert. Verlinvest aus Belgien investiert im Food-Bereich und Felix Capital aus London ebenfalls im Tech-Bereich.

Für Bijaoui war es schon immer klar, dass sie selbst nach dem Studium mal ein Unternehmen gründen will. Wie ihre Eltern hat sie mit ihrem Lebenspartner ihre Firma geschaffen. Ihre Eltern betrieben gemeinsam eine Gruppe von biologischen Laboren.

Trotz Corona geht Bijaoui davon aus, dass in den nächsten Jahren immer noch Zuwächse von mehr als 100 Prozent möglich sind. Allerdings will Frichti nun erst einmal abwarten, bevor das Unternehmen in andere Städte in Frankreich expandiert. Angedacht sind dabei Lyon, Lille und Bordeaux.

Außerdem will Frichti noch mehr mit Kantinen von Unternehmen zusammenarbeiten. „Später könnten wir auch international expandieren“, hofft Bijaoui. Sie sieht eine große Perspektive für Food-Tech, weil das Bewusstsein in der Gesellschaft für gute Nahrungsmittel steige.

In Frankreich ist der Bereich im Trend, bei Kunden und Investoren. Bijaoui und ihr Lebensgefährte sind selbst Gourmets, eines ihrer großen Hobbys ist es, in Restaurants zu gehen und neue Speisen zu entdecken, was während des Shutdowns seit Monaten allerdings ausfiel.