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Warum IT-Spezialisten ihr Glück bei Banken suchen

Thomas Nielsen hatte ziemlich klare Vorstellungen von seinem neuen Job. Die Branche, in der er arbeiten wollte, sollte vor „tektonischen Verschiebungen“ stehen. Das Unternehmen selbst sollte international sein, die Aufgabe komplex und die Führungsspitze den Willen zum Wandel verinnerlicht haben. Dann habe er losgelegt „mit seiner umfangreichen Recherche“, erzählt er fast ein Jahr später, um herauszufinden, auf welche Stelle diese Kriterien passen könnten.

Das Ergebnis: Seit Herbst vergangenen Jahres arbeitet Nielsen bei der Deutschen Bank. Er ist für die Digitalstrategie im Zahlungsverkehr verantwortlich. Er habe all das gefunden, was er gesucht habe, sagt der 48-jährige Däne. Und noch viel mehr: „Die Bank ist sogar komplexer, als ich ursprünglich dachte.“

Nielsen hat Informatik studiert und den Großteil seiner beruflichen Karriere im Silicon Valley verbracht. Microsoft, Adobe, Corel Corporation waren einige der Stationen. Mit diesem Lebenslauf gehört er zu einer Spezies, die im Finanzsektor derzeit sehr begehrt ist. Banken und Vermögensverwalter müssen sich im Zeitalter der Digitalisierung auf den zunehmenden Wettbewerb durch junge Technologiefirmen – sogenannte Fintechs – einstellen und ihr Geschäftsmodell anpassen.

Sie brauchen dafür viel mehr technisches Know-how als bisher. Experten wie Nielsen haben das. Ein anderes Beispiel ist Kerem Tomak, ein ehemaliger Google- und Yahoo-Manager, der jetzt bei der Commerzbank Big Data und künstliche Intelligenz verantwortet.

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Beide gehören zu der wachsenden Gruppe an Managern aus der Tech-Welt, die die Bankenbranche für sich entdecken. Und das hat vor allem einen Grund: „Dass ich jetzt im Finanzsektor gelandet bin, hat viel mit der enormen Menge an Daten zu tun, über die die Branche verfügt“, sagt Tomak. „Es geht jetzt darum, diese Daten sinnvoll zu nutzen“, erklärt der 49-Jährige. Das habe ihn gereizt, daher habe er die Branche gewechselt.

Konkurrenz durch Fintechs

Seit mehr als drei Jahren beobachten Personalberater, dass Banken in der IT- und Hightech-Branche wildern, um der zunehmenden Konkurrenz durch Fintechs besser Paroli bieten zu können und ihre Kosten zu senken. Zuletzt hat sich der Trend deutlich verstärkt.

Die Zahl der Stellengesuche für IT-Experten im europäischen Bankensektor hat sich seit Anfang 2015 verzehnfacht. Das geht aus einer Analyse von LinkedIn im Auftrag der „Financial Times“ hervor. Hatten IT-Jobs vor drei Jahren noch einen Anteil von gerade mal sieben Prozent an allen Jobausschreibungen europäischer Finanzinstitute, sind es inzwischen 17 Prozent.

Auch bei der Besetzung klassischer Bankenstellen macht sich diese Entwicklung bemerkbar. „Technische Qualifikationen – etwa in der Datenanalyse – werden verstärkt nachgefragt und weniger die ganz traditionellen Bankqualifikationen“, sagt Andreas Krischke, Geschäftsführer der Frankfurter Personalberatung Indigo, die sich auf die Finanzbranche spezialisiert hat.

Die steigende Nachfrage nach IT-Kenntnissen bekommen auch Beratungsgesellschaften zu spüren, die Banken bei der Umsetzung ihrer Digitalisierungspläne helfen. „Da zeichnet sich wirklich ein Kampf um die besten Köpfe ab“, so Krischke.

Helsinki, Austin, Istanbul, San Francisco – was waren die Stationen seiner Karriere, bevor Kerem Tomak im Herbst vergangenen Jahres nach Frankfurt zur Commerzbank kam. Er änderte aber nicht nur seine Wohnorte, sondern auch seinen Beruf. Tomak, der Mathematik, Ökonomie und Wirtschaftsingenieurwesen studiert hatte, war lange Zeit Hochschullehrer. „Ich bin einen gewissen Umweg über die Wissenschaft gegangen, aber ich war schon immer ein Mann der Praxis, den es in die Wirtschaft zog“, sagt Tomak.

Vor zwölf Jahren vollzog er diesen Schritt und wechselte von der Universität Austin im US-Bundesstaat Texas ins Silicon Valley. Er arbeitete dort nicht nur bei den Großen der Tech-Branche, sondern kümmerte sich zuletzt um die Digitalstrategie der Kaufhauskette Sears, bevor er zur Commerzbank kam. „Ich hab im Vorfeld meine Hausaufgaben gemacht und dabei herausgefunden, dass Deutschland all die richtigen Zutaten hat für jemanden wie mich, der sich mit Technologie beschäftigt und am liebsten große praktische Probleme lösen will“, erzählt Tomak.

In der Finanzbranche sieht er eine ganze Reihe davon. Bei der Commerzbank hat sein Team seit seinem Jobantritt bereits für ein Problem eine Lösung vorgelegt: ein Algorithmus hilft, betrügerische Attacken über E-Mails frühzeitig zu erkennen und abzuwehren. In 99 Prozent der Fälle sei man erfolgreich gewesen, so Tomak. Sein Team konnte so allein 2017 Auszahlungen von mehr als 100 Millionen Euro stoppen, die auf Betrug zurückgingen.

Die Lösung für das nächste Problem ist in Arbeit. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage: Wie kann man die Menge an Daten, über die das Finanzhaus in den einzelnen Geschäftsbereichen verfügt, abteilungsübergreifend für alle Mitarbeiter öffnen? Eine Datenplattform ist die Antwort, die offenbar schon bald fertig sein soll.

Durch den Wandel im Finanzsektor haben Banken inzwischen die passenden Positionen für Fachleute aus der Technologiebranche. Es kommen aber auch noch weitere Faktoren hinzu, die Banken zu attraktiveren Arbeitgebern für Tech-Experten machen. So sind Gehälter für Datenwissenschaftler und Softwareentwick- lung im Finanzsektor teilweise höher als in der Technologiebranche, wie aus einem Vergleich des Online-Vergütungsportals Emolument für Großbritannien hervorgeht. Eine Entwicklung, die sich auf dem Kontinent ebenfalls abzeichnet, bestätigen Personalberater.

Top-Banker denken um

In den Führungsetagen der Bankbranche haben Tech-Themen auch nach und nach mehr Bedeutung bekommen. So haben Topmanager der Branche jüngst in einer Umfrage des Bankensoftwarespezialisten Temenos und des Londoner Analysehauses Economist Intelligence Unit die technologische Entwicklung zum ersten Mal als wichtiger für ihr Institut bezeichnet als das Thema Regulierung

Bereits seit Längerem bezeichnen sich Investmentbanken wie Goldman Sachs gerne selbst als Technologieunternehmen und investieren Milliarden in technische Plattformen und Systeme, um etwa den Handel zu beschleunigen und Daten in dem Geschäftsbereich besser auszuwerten.

Auch andere Veränderungen in der Finanzbranche, etwa eine lockerere Kleiderordnung, erleichtern IT-Experten den Wechsel „Der Dresscode in unserem Team lautet: Zieht einfach irgendwas an“, sagt Nielsen von der Deutschen Bank. Bei ihm heißt das an diesem warmen Frühlingstag Jeans und kariertes Hemd.

Sein liebstes Oberteil ist aber ein anderes, und darauf bezieht er sich immer wieder im Gespräch: ein T-Shirt mit der Aufschrift „Change is good – you go first“ (Veränderung ist gut – gehe du als Erster voran). Diese Einstellung wolle er ausmerzen, damit sich seine neuen Kollegen nicht immer selbst im Weg stünden.

„Ein Teil meines Jobs besteht daraus, die Denkweise der Menschen zu ändern und etwa bei der Einführung neuer Produkte den Kollegen hier die Mentalität näherzubringen, wie sie bei Tech-Unternehmen herrscht“, erzählt Nielsen, „sodass die Produkte schneller auf den Markt kommen.“ Ein langer Weg, das ist ihm bewusst.