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Hublot-Chef Guadalupe: „Cash ist jetzt für viele das Hauptproblem“

Der Hublot-Chef Ricardo Guadalupe spricht im Interview über die akuten Nöte der Uhrenindustrie, Luxus in Coronazeiten und Smartwatches für 5000 Euro.

Corona ist für die Schweizer Uhrenindustrie „die schlimmste Krise in der Geschichte“, bilanziert Ricardo Guadalupe, Chef der Uhrenmarke Hublot aus Nyon bei Genf, im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Die Branche wird übers Jahr gesehen ein Minus von 20, 30 Prozent verbuchen“, prophezeit der 55-Jährige.

Auf die Frage, ob er auch damit rechnet, dass Manufakturen schließen müssen, sagte der Schweizer: „Es ist wie so oft und nicht nur in meiner Branche: Die Starken werden überleben, die Schwachen bekommen echte Probleme.“ Cash sei jetzt für viele Marken „das Hauptproblem. Man sollte schon in der Lage sein, mindestens 18 Monate durchzuhalten, wenn es sein muss.“

Guadalupe warnte gegenüber dem Handelsblatt vor den Folgen von Corona, aber auch jenen der weltweiten Shutdowns: „Auf das medizinische Drama folgte ein ökonomisches. Nun finden wir uns in einer weltweiten Verbraucherkrise wieder. Der Konsum wurde ja völlig zum Erliegen gebracht. Es ist bislang nicht klar, wann was wieder geöffnet werden darf. Und dann wird noch die Frage sein, wie schnell das Vertrauen der Menschen zurückkehrt.“ 80 Prozent seines eigenen Verkaufsnetzes seien in den ersten Wochen der Pandemie „wie tot“ gewesen. „Das können Sie dann auch auf unseren Umsatz übertragen.“

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Einen Hoffnungsschimmer sieht der Luxus-Experte immerhin: „Die Chinesen sind mittlerweile die wichtigsten Kunden der globalen Luxusgüterindustrie. Und ich sehe das Land durchaus schon wieder sehr positiv. Hublot verzeichnet in Festland-China bereits wieder ein Wachstum von über 30 Prozent.“

Guadalupes Einschränkung: „Das kompensiert natürlich längst nicht jene Summen, die dadurch verloren gehen, dass die Chinesen derzeit nicht mehr reisen, keine Urlaube in Europa oder den USA verbringen, wo sie sonst auch gern in unseren Boutiquen vorbeischauten.“ Hublot gehört zum französischen Luxuskonglomerat LVMH und ist mit zuletzt rund 700 Millionen Schweizer Franken Umsatz eine der erfolgreichsten Marken des Landes.

Lesen Sie hier das komplette Interview:

Monsieur Guadalupe, dieses Jahr feiert Hublot den 40. Geburtstag. Was hat Corona bei Ihren Jubiläumsplanungen alles verändert oder zunichtegemacht?
Corona hat auf viele Dinge einen enormen Einfluss – da gehören unsere Partypläne zu den kleineren Problemen, auch wenn wir den Geburtstag schon im Frühjahr auf unserer Branchenmesse Baselworld feiern wollten, die dann ja auch abgesagt werden musste. Uns blieb nichts anderes übrig, als dann nur über Social Media zu feiern und zu hoffen, dass wir die Party irgendwann nachholen können.

Die Schweizer Uhrenindustrie hat schon viele Krisen erlebt. Was ist diesmal anders?
Corona trifft nicht bestimmte Länder oder Regionen, sondern den gesamten Erdball. Es ist eine wahrlich globale Krise – und die schlimmste in der Geschichte. Auf das medizinische Drama folgte ein ökonomisches. Nun finden wir uns in einer weltweiten Verbraucherkrise wieder. Der Konsum wurde ja völlig zum Erliegen gebracht. Schauen Sie sich den Tourismus an! Dieser Branche geht es noch schlechter als der Uhrenindustrie. Es ist bislang nicht klar, wann was wieder geöffnet werden darf. Und dann wird noch die Frage sein, wie schnell das Vertrauen der Menschen zurückkehrt.

Wann wurde Ihnen klar, was Corona für Hublot, aber auch Ihre ganze Branche bedeuten würde?
Am 17. März haben wir unsere Produktion in Nyon am Genfer See eingestellt. So etwas gab es in den 40 Jahren unseres Bestehens noch nie. Wenn ich keine Uhren baue, kann ich keine Uhren verkaufen. Und die Kunden reagierten ja ähnlich: In solchen Phasen haben Menschen andere Probleme als die Frage, welche schöne Uhr sie sich kaufen können. 80 Prozent unseres Verkaufsnetzes waren wie tot. Das können Sie dann auch auf unseren Umsatz übertragen.

Wie viele Shops führen Sie weltweit?
Von unseren Boutiquen gibt es weltweit 104, 47 davon betreiben wir selbst. Insgesamt sind wir an rund 800 Verkaufspunkten vertreten.

Rechnen Sie damit, dass manche Uhrenmarken in dieser Krise aufgeben müssen?
Es ist wie so oft und nicht nur in meiner Branche: Die Starken werden überleben, die Schwachen bekommen echte Probleme. Das sehen Sie ja auch in der Gastronomie: Ein Restaurant kann noch so gut gewesen sein. Wenn nur Liquidität für einen Monat vorhanden ist, wird es schnell eng.

Hublot gehört zu den Starken?
Sicher. Wir blicken auf 15 sehr gute Jahre zurück und haben entsprechende Mittel, nicht nur für ein, zwei Monate. Cash ist jetzt für viele das Hauptproblem. Man sollte schon in der Lage sein, mindestens 18 Monate durchzuhalten, wenn es sein muss. Zudem sind wir ja Teil einer sehr starken Gruppe.

… des französischen Konglomerats LVMH, der Nummer eins im Luxusgeschäft.
Und jede der Marken in dieser Gruppe ist einerseits unabhängig und kann ihren eigenen Weg suchen und finden. Andererseits haben wir natürlich auch Unterstützung in unserem Headquarter.

LVMH steuert vielerlei Luxusmarken aus unterschiedlichsten Bereichen – von Champagner über Leder-Accessoires und Mode, von Schmuck bis zu Uhren. Welchen Bereichen macht die Pandemie mehr Probleme, welchen weniger?
Ich denke, dass es die Uhren- und Schmuckmarken am härtesten trifft.

Warum?
Parfüms kosten nicht so wahnsinnig viel Geld. Das gönnt man sich mal zwischendurch. Ebenso wie einen guten Champagner oder Whisky. Auch Lederwaren bekommen Sie schon ab ein paar Hundert Euro. Da kann man sich auch online etwas bestellen. Und wenn es einem nicht gefällt, schickt man es zurück. Die Preise unserer Uhren fangen dagegen bei rund 6000 Euro an. So ein Produkt wollen Sie sehen, anfassen, spüren.

Ihre Schwestermarke im Konzern, TAG Heuer, wird künftig von Fréderic Arnault geführt, dem erst 25-jährigen Sohn des LVMH-Haupteigentümers Bernard Arnault. Erhöht das auch auf Sie den Druck, Ergebnisse abzuliefern?
Wir tummeln uns ja in völlig verschiedenen Kunden- und Preisregionen. Wenn das Uhrengeschäft von LVMH eine Pyramide ist, dann steht Hublot da sicher an der Spitze. Es folgt Zenith. Dann kommt TAG Heuer. Unsere Durchschnittsuhr kostet rund 18.000 Euro, bei Zenith sind es vielleicht 11.000, bei TAG Heuer etwa 3000. Wir konkurrieren also nicht untereinander, sondern im jeweiligen Segment mit anderen Marken. In unserem Fall eher zum Beispiel mit Audemars Piguet oder Panerai. Der LVMH-interne Zusammenhalt macht uns nach draußen nur stärker.

Es mussten wegen Corona nicht nur Stores und Manufakturen geschlossen werden. Auch jetzt fehlt weltweit der Tourismus – und die Kauflaune kehrt nur langsam zurück. Mit was für einem Minus rechnen Sie dieses Jahr – für die Branche wie für Hublot?
Schon der März brach um 15, 20 Prozent ein. Das zweite Quartal – also April, Mai, Juni – sah dann noch sehr, sehr viel schlimmer aus. Da müssen wir ja nicht drumherum reden. Die Branche wird übers Jahr gesehen ein Minus von 20, 30 Prozent verbuchen, fürchte ich. Es wird darauf ankommen, wie das Konsumenteninteresse und auch der weltweite Tourismus im vierten Quartal zurückkommen werden.

Sehen Sie denn in Asien schon Licht am Ende des Tunnels?
Die Chinesen sind mittlerweile die wichtigsten Kunden der globalen Luxusgüterindustrie. Und ich sehe das Land durchaus schon wieder sehr positiv. Hublot verzeichnet in Festlandchina bereits wieder ein Wachstum von über 30 Prozent. Aber das kompensiert natürlich längst nicht jene Summen, die dadurch verloren gehen, dass die Chinesen derzeit nicht mehr reisen, keine Urlaube in Europa oder den USA verbringen, wo sie sonst auch gern in unseren Boutiquen vorbeischauten.

Sie sponsern viel, etwa im Fußball, wo Hublot auch Partner der Fifa bis zur WM 2022 in Katar ist. Auch dieser Sport leidet gerade extrem. Wie erleben Sie Ihre Partner dort: Funktionäre, Vereinsbosse, Spieler?
Auch die Europameisterschaft musste ja schon verschoben werden. Der Sport hat es generell sehr schwer gerade, was uns natürlich auch trifft. Das Gute am Fußball ist, dass wenigstens Spiele stattfinden, wenn auch vor leeren Rängen. Aber immerhin können die Fans ihren Stars via TV, Internet und Streamingdiensten folgen. Die Marke Fußball ist also wenigstens sicht-, wenn auch nicht unbedingt hautnah erlebbar. Die Erfahrung, das Live-Erlebnis fehlt natürlich auch uns als Werbepartner. Ich hoffe, dass die Europameisterschaft nächstes Jahr wieder vor vollen Rängen stattfinden kann. Aber ich bin mir da, Stand heute, wirklich noch nicht sicher.

Wie sieht es bei der Formel 1 aus, wo Sie mit Ferrari kooperieren?
Dort gilt das Gleiche wie für den Fußball: Die Rennen finden immerhin statt. Wir werden sehen, ob es den Leuten ausreicht, einen Grand Prix im Fernsehen zu verfolgen.

Hublot lebt von dem Modell Big Bang wie vielleicht Audemars Piguet von der Royal Oak. Was sind die Vor- und Nachteile, wenn man als Uhrenmarke so ein „One Trick Pony“ ist?
So abhängig sind wir von der Big Bang gar nicht, aber natürlich ist sie unsere größte Ikone. Und ich denke, dass jede große Marke so eine Ikone braucht. Bei Audemars Piguet ist es die Royal Oak. Bei Patek Philippe die Nautilus, bei Rolex die Oyster, bei Omega die Seamaster.

Und nun gibt’s die Big Bang auch noch als Smartwatch. Was erhoffen Sie sich von der Big Bang E?
Dass wir damit diesen Nischenmarkt von Smartwatches im Luxusbereich für uns erobern. Es gibt ja durchaus Leute, die solche elektronischen Uhren mögen, aber nicht das Massenprodukt Apple Watch wollen. Denen bieten wir eine Alternative …

… die bei Hublot dann auch schon über 5000 Euro kostet und damit die teuerste Smartwatch der Welt sein dürfte.
Das ist sie, ja. Aber wir sprechen ja auch über eine kleine Auflage von vielleicht 2000 Stück und feinste Materialen – von Keramik bis Titan.

Apple verkauft heute mehr Uhren als die gesamte Schweizer Uhrenindustrie. Was bedeuten solche Zahlen?
Apple hat es immer wieder geschafft, eine komplette Produktgruppe zu revolutionieren: iPod, iPad, iPhone, die MacBooks – das waren ja immer auch sehr glaubwürdige Produkte. Ich denke, dass für uns als Industrie auch die Apple Watch ein Vorteil ist. Weil viele Kunden dadurch auch irgendwann auf die Idee kommen, ihr Handgelenk für etwas zu entdecken, das vielleicht weniger praktisch, dafür aber umso wertvoller ist: eine mechanische Uhr.

Wie steht es eigentlich um die Digitalisierung Ihrer Branche?
Sie wird vor allem in einem Feld immer wichtiger: bei der Kundenerfahrung. Je emotionaler wir dieses Erlebnis gestalten, umso besser in Zeiten, da die Leute einfach nicht mehr so viel reisen können oder wollen.

Glauben Sie eher an E-Commerce oder an stationären Handel?
Wenn der reine E-Commerce einmal fünf Prozent unseres Umsatzes ausmacht, werde ich schon von einem großen Erfolg sprechen. Für mich ist Online weiterhin vor allem ein Werkzeug, die Leute für unsere Produkte zu begeistern und dann auch in unsere Stores zu locken.

Welche Bedeutung hat Social Media heute? Sie selbst sind bei Instagram schon ein Star mit rund 128.000 Followern …
… die ich nur habe, weil ich eben der CEO von Hublot bin. Auch das ist für mich eine Möglichkeit, mit unseren potenziellen Kunden in Kontakt zu kommen.

Sie sind in Neuchâtel aufgewachsen, haben in den USA studiert und erzählen offen, dass Sie aus einfachen Verhältnissen stammen. Was bedeutet das? Und was ist Ihnen aus dieser Jugend geblieben – an Werten oder Einstellungen?
Meine Familie stammte aus Spanien. Mein Vater kämpfte, wenn Sie so wollen, im Bürgerkrieg auf der falschen Seite, der republikanischen. Deshalb musste er das Land verlassen. So wurde die Schweiz für ihn und uns zu einem Paradebeispiel für ein integrationsfreudiges Land. Ich ging mit den Kindern von Ärzten und Ingenieuren auf die Schule und wusste immer: Ich bekomme zumindest die gleichen Chancen wie sie. Was ich daraus mache, ist dann meine Sache. Dafür kann ich dem Land nur danken.

Haben Sie je unter Rassismus gelitten?
Gelitten nicht. Aber erlebt habe ich ihn natürlich schon, obwohl meine Kindheit eben auch schon lange her ist. Mit dem, was teils aus den USA berichtet wird, hatte das aber nie zu tun.

Nächstes Jahr wird es nur noch eine große Uhrenmesse geben: die „Watches and Wonders“ in Genf. Zuletzt haben auch Hublot und die anderen LVMH-Marken die bisherige Konkurrenzmesse Baselworld verlassen. Tut es Ihnen leid um das Ende in Basel – oder sind Sie ganz froh?
Ich bin schon traurig, denn ich kam vor rund 30 Jahre zur Baselworld. Andererseits war es schon länger ziemlich verrückt, dass sich eine so überschaubare Branche wie unsere zwei derart teure Messen leistet – und das auch noch zu höchst unterschiedlichen Zeiten, was bedeutete, dass gerade Händler und Kunden aus Asien zweimal in die ferne Schweiz fliegen mussten. Genf ist sicher der logischere Standort für unsere Industrie, weil es die Hauptstadt der Uhrmacher ist – und die Heimat der größten Marken.

Was wird Corona in Ihrer Branche alles verändern?
Corona verändert die Welt, also wird das Virus auch uns verändern. Es wird künftig noch mehr um Nachhaltigkeit und Glaubwürdigkeit gehen.
Monsieur Guadalupe, vielen Dank für das Interview.