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Home24-Aktionäre machen Rocket Internet für Kursdesaster verantwortlich

Der Möbel-Versender bezieht bei der ersten Hauptversammlung Prügel, weil die Aktie enttäuscht hat. Besonders Investor Samwer steht in der Kritik.

Rocket-Internet-Gründer Oliver Samwer hat die Anteile an Home24 reduziert – zum Ärger der Aktionäre. Foto: dpa
Rocket-Internet-Gründer Oliver Samwer hat die Anteile an Home24 reduziert – zum Ärger der Aktionäre. Foto: dpa

Es waren drastische Worte, die Oliver Samwer im Pariser Louvre den Chefs von Walmart, Metro und Carrefour 2014 vor den Kopf knallte: „Geschäfte sind Mittelalter. Sie wurden nur gebaut, weil es kein Internet gab“, dozierte der Gründer von Rocket Internet bei einem Kongress der globalen Einzelhändler. „Sie verstehen das nicht, weil Sie zu alt sind.“ Er konnte sich die Unverschämtheiten leisten: Die verunsicherten Manager standen Schlange beim Internet-Wunderkind Samwer. Der damalige Rewe-Chef Alain Caparros etwa investierte kräftig in Samwers Online-Möbelhändler Home24.

Doch der Mythos ist verblasst. Auf den Tag genau fünf Jahre nach Samwers Auftritt in Paris, diesen Mittwoch, veranstaltete Home24 seine erste Hauptversammlung. Nur ein gutes Dutzend Aktionäre fand sich in Berlin ein- doch sie waren umso erzürnter. „Wir haben innerhalb nur eines Jahres nach dem Börsengang ein Kursdesaster erlebt. Das hinterlässt verbrannte Erde und ist beispiellos“, wetterte Michael Kunert von der Aktionärsvereinigung SdK.

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Für 23 Euro war die Aktie im vergangenen Sommer aufs Parkett gekommen, heute notiert sie unter vier Euro. Der Zorn richtete sich auch gegen Samwers Unternehmen Rocket Internet, das Home24 an die Börse gebracht hatte.

Denn nicht nur mehrere Gewinnwarnungen drückten den Aktienkurs in den Keller, sondern auch ständige Aktienverkäufe von Rocket Internet. Derzeit halten die Berliner noch 18,8 Prozent der Anteile, haben also fast die Hälfte ihrer Aktien seit dem Börsengang verkauft. „Der Teilausstieg von Rocket ist kein gutes Zeichen“, zürnte Kunert.

Analysten stützen diese Einschätzung: „Der willkürliche Verkauf von Anteilen durch Alteigentümer ist eine Belastung, die ein andauerndes Risiko darstellt“, schreibt Berenberg-Analyst Graham Renwick. Eine Sprecherin von Rocket Internet wollte die Kritik auf Anfrage nicht kommentieren. Oliver Samwers Bruder Alexander, scheidender Home24-Aufsichtsrat, ließ sich auf der Hauptversammlung wegen Auslandsterminen entschuldigen.

Er hätte drängende Fragen beantworten können. Denn das Börsendesaster von Home24 ist kein Einzelfall: Rocket Internet hatte im vergangenen Jahr auch die stärker auf Deko-Artikel ausgerichtete Schwester-Firma Westwing an die Börse gebracht. Deren Kurs hat sich seitdem gefünftelt – einerseits leidet Westwing unter Problemen etwa im Italien-Geschäft, vor allem aber verkaufte Rocket Internet nach dem Börsengang seinen Anteil von gut 30 Prozent komplett über die Börse und drückte so den Kurs. Dabei braucht Rocket Internet eigentlich gar kein Bargeld. Angesichts von 3,1 Milliarden Euro auf Tagesgeldkonten beklagte Oliver Samwer vor zwei Wochen sogar, er habe momentan mehr Geld als Ideen.

„Wir sind uns bewusst, dass wir Vertrauen verloren haben“

Der Niedrig-Kurs irritiert die Börse. „Die gegenwärtige Bewertung impliziert, das Geschäftsmodell sei kaputt“, analysiert Berenberg-Experte Renwick. Doch das sei falsch: Allein das Brasilien-Geschäft von Home24 sei rechnerisch 115 Millionen Euro wert – das Doppelte der gegenwärtigen Bewertung des Gesamtkonzerns an der Börse. Zudem stünden die Chancen gut, dass Home24-Chef Marc Appelhoff sein Ziel, operativ (Ebitda) zum Jahresende in die Gewinnzone zu kommen, erreichen kann. Dann habe die Aktie gutes Erholungspotenzial.

Dazu kündigte Appelhoff erneut mehrere Maßnahmen an: Neu eröffnete Outlet-Center sollen Retouren verkaufen und so zusätzliches Geld einbringen, mehr Eigenmarken den Gewinn steigern, die Logistik dank eines neuen Lagers effizienter arbeiten. Zudem hat Home24 den Vorstand umgebaut: Mitgründer Philipp Kreibohm hatte das Gremium im März nach zehn Jahren verlassen und sollte eigentlich in den Aufsichtsrat wechseln. Darauf verzichte er nun auf eigenen Wunsch, hieß es am Mittwoch.

„Wir sind uns bewusst, dass wir Vertrauen verloren haben und arbeiten hart daran, es zurückzugewinnen“, kündigte Appelhoff an. Der Zeitpunkt für den Börsengang neun Jahre nach Gründung sei richtig gewesen. Allerdings hätten zwei Effekte Home24 im vergangenen Jahr zeitgleich erwischt: Eine Umstellung des Warenwirtschaftssystems habe für Verzögerungen bei den Auslieferungen gesorgt, der heiße Sommer die Kunden branchenweit vom Möbelkauf abgehalten.

Der Aktienkurs sei zusätzlich belastet durch „den Verkauf größerer Aktienpakete einzelner Investoren“, warnte er, ohne Rocket Internet namentlich zu nennen. „Wir sind längst noch nicht da, wo wir sein wollen. Für diesen Weg bitte ich noch um etwas Geduld und setze auf ihr Vertrauen.“

Bei Aktionärsschützer Kunert kam Appelhoffs Appell an: „So skurril ich die Erklärung mit dem heißen Sommer finde – die Hoffnung, dass sich der Kurs wieder hocharbeiten kann, ist durchaus da“, sagte er.

Tot ist allerdings die Erwartung, Home24 werde die Möbelbranche disruptiv umkrempeln. Die 312 Millionen Euro Jahresumsatz in acht Ländern sind gerade einmal ein Prozent des deutschen Gesamt-Möbelmarkts. Denn die Kunden ändern ihre Gewohnheiten nicht so stark wie einst von Oliver Samwer angenommen. Der typische Kunde kaufe bei Home24 erst, nachdem er sich ausgiebig in herkömmlichen Möbelhäusern umgeschaut habe, sagte Appelhoff am Mittwoch.

Also, um es mit Oliver Samwers Worten aus Paris zu fassen: doch irgendwie wie im Mittelalter.

Mehr: Der Gründer von Rocket Internet will in neue Geschäftsfelder vorstoßen. Doch auf der Hauptversammlung seines Unternehmens musste Samwer gegen ungeahnte Widerstände kämpfen.