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Für wen sich jetzt ein Quereinstieg als Berater lohnen könnte

Während viele Firmen ums Überleben kämpfen, floriert die Beraterbranche. In etlichen Zweigen ist Verstärkung gefragt. Für manche womöglich eine Chance zum Comeback.

Rund um die Uhr könnte Dennis Bücker derzeit arbeiten. Sein Know-how, wie ein Unternehmen in der Krise flüssig bleibt, sich Kosten senken oder neue Einnahmequellen erschließen lassen, ist gefragt.

Der Berater aus Berlin hat momentan kaum eine freie Minute. Auf sein Peloton-Rad zum Kardiotraining schafft er es allenfalls spät abends. Der ehemalige Roland-Berger-Mitarbeiter hat sich vor einem Jahr selbstständig gemacht, seine Mandanten sind Finanzchefs. Vor Corona besuchte er seine Kunden vor Ort, heute bleibt der Rollkoffer zu Hause. Videokonferenz statt Vielfliegerstatus.

Cash is King. Klar. Aber nicht nur in Finanzfragen ist guter Rat nötig. Ralf Strehlau, Präsident des Verbands der Unternehmensberater (BDU), sagt: „Von Lieferketten-Optimierung bis hin zur Digitalisierung der Geschäftsmodelle – Unternehmen benötigen in der nächsten Zeit viel Unterstützung. Die Notwendigkeit zur Anpassung ist immens.“

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Es gilt, zusätzliche Einkaufsquellen außerhalb Asiens zu erschließen, die Onlineanbindung vom Homeoffice zu sichern oder den Warenverkauf ins Web zu verlagern und neue Kunden zu gewinnen.

Arbeit gibt es genug. Und so kehrt auch der Optimismus der Berater zurück. Nach dem historischen Tiefpunkt von 70,4 des BDU-Geschäftsklima-Indexes im März 2020, ausgelöst durch den Shutdown, stieg der Wert in der Mai-Befragung der BDU-Mitgliedsfirmen auf 75,7 Punkte.

Während Sanierungsberater, IT-Spezialisten und Outplacementberater – die dabei helfen, Personal loszuwerden, indem sie die berufliche Neuorientierung unterstützen – unmittelbar von der Krise profitieren und einen guten bis zufriedenstellenden Auftragsbestand vermelden, erwartet die Mehrheit der Unternehmensberatungen ab dem vierten Quartal 2020 wieder vergleichbare Umsätze wie im Vorjahresquartal.

So verwundert es nicht, dass in etlichen Beratungszweigen trotz Corona schon dauerhafte Verstärkung gesucht wird: 43 Prozent der IT-Beratungen planen, neue Experten fest anzustellen. In den Strategie- und Organisationsberatungen beabsichtigt jeweils ein Viertel der BDU-Mitglieder weitere Einstellungen. Erfahrene, kompetente Quereinsteiger sind durchaus willkommen. Eine Möglichkeit für Fach- und Führungskräfte aus der Industrie, die ihren Job verloren haben, zu reüssieren.

Zu denen, die an ihren Einstellungsplänen festhalten, gehört etwa der Branchenprimus McKinsey. 850 Neueinstellungen, davon etwa 600 Berater, sollen 2020 insgesamt neu an Bord kommen. Bei Bain & Company, eine weitere Branchengröße, wird gezielt Know-how rund um die digitale Transformation, aber auch zu neuen Formen von Führung und Zusammenarbeit aufgerüstet.

Rund 250 neue Mitarbeiter sollen 2020 im deutschsprachigen Raum hinzukommen. Gesucht werden neben Consultants auch Data Scientists und Product Designer für den Digital Discovery Hub in Berlin, wo Spezialisten an innovativen Konzepten für Kunden arbeiten.

Um für erfahrene Quereinsteiger attraktiv zu sein, wirbt Bain mit dem „Expert-Track“. Vor allem für IT-Cracks, aber auch für Experten mit industriespezifischem Wissen, etwa aus der Elektromobilität oder dem Risikomanagement im Finanzwesen, dürfte das interessant sein. Zwar kann man es mit diesem Karrieremodell nicht zum Partner bringen, und auch gehaltstechnisch ist früher als in der klassischen Berater-Laufbahn Schluss – aber es kann trotzdem eine Perspektive sein.

„Auch mittelständische Beratungen stellen gern Fachleute oder ehemalige Führungskräfte ein, sofern sie über gefragtes Know-how verfügen“, sagt BDU-Präsident Strehlau. „Dazu zählen etwa Manager aus dem Controlling, die sich darauf verstehen, Kosten zu reduzieren. Besonders gesucht ist aber auch Erfahrung in Sachen Einkauf und Logistik.“ Vorausgesetzt, die Bewerber überzeugen durch Flexibilität und schnelle Auffassungsgabe sowie Teamorientierung und Kommunikationsstärke.

Auf die Frage, ob sich ein Wechsel in die Beraterbranche vergütungstechnisch lohnt, gibt es keine allgemeine Antwort. Strehlau erklärt, das Gehalt hänge von der zu beratenden Branche und vom Fachgebiet eines Beraters ab. Während ein vormaliger, erfahrender Supply-Chain-Manager beim Wechsel ins Consulting-Fach vergleichbar verdienen dürfte, müsse ein ehemaliger Chief Digital Officer wohl Einbußen hinnehmen.

Wer bislang wegen der Reiserei vor einem Beraterjob zurückscheute, dürfte sich über die Aussage von Bain-Chef Walter Sinn zur „neuen Normalität Homeoffice“ freuen. Verbrachten Berater vor Corona den größten Teil ihrer Arbeitszeit beim Kunden, hat sich inzwischen die virtuelle Projektarbeit bewährt. Für Sinn „eine gewaltige Lernkurve“. Er schätzt, dass 30 bis 50 Prozent des Reiseaufkommens überflüssig werden könnte.

Welche Aufgaben erwarten Interessenten aber konkret? Drei aktuelle Beraterjobs im Fokus – und welche Qualifikation Kandidaten dafür mitbringen müssen.

Job in der IT-Beratung: Webshop aufbauen

Die Situation beim Kunden: Mit dem Lockdown mussten die acht Shops der Modekette Defshop in bester Großstadtlage wie den Köln Arcaden schließen. Und auch der Handel mit eigenen Kreationen an Hiphop-Mode und Streetwear, die andere Händler verkauften, brach wegen des bundesweiten Ladenöffnungsverbots weg.

Als gleichzeitig auch noch der Onlinehandel um 30 Prozent nachgab, „waren wir geschockt“, berichtet Geschäftsführer Franco Lucá. Doch für ihn war auch klar, „jetzt brauchen wir nicht nur kluge Marketing-Ideen, sondern unser Webshop muss auf den neuesten technologischen Stand gebracht werden“. Bislang war der Digitalauftritt nämlich Marke Eigenbau.

Der Chef von rund 200 Mitarbeitern verfuhr nach dem Motto „Jetzt erst recht“: Um wettbewerbsfähig zu bleiben und den Versandhandel über die EU-Grenzen hinaus auszuweiten, investierte der Berliner Unternehmer, der jährlich rund 110 Millionen Euro mit Mode umsetzt, mehr als eine Million Euro in einen neuen Onlineshop.

Die Lösung: Bei Nexum, einem Beratungsspezialisten für Plattformsysteme aus Köln, wurde ein Masterplan erarbeitet. Eine moderne Optik des Webshops und etliche zusätzliche multimediale Gimmicks, um den Kauf von Sneakers, Shirts und Co. zum Erlebnis zu machen, waren das eine. So etwa die Möglichkeit, Newsletter zu versenden, um Kunden gezielt auf für sie relevante Sonderangebote aufmerksam zu machen.

Im Hintergrund zeigte sich aber die weitaus größere Baustelle: Die selbstentwickelte Shoplösung muss in ein neues, erweiterbares System überführt werden, das darauf ausgelegt ist, reibungslos auch mit Dienstleistern Daten auszutauschen – etwa bei Bezahlvorgängen oder in der Logistik.

Inzwischen arbeitet das virtuell miteinander verbundene zehnköpfige Beraterteam unter Hochdruck daran, den Plan umzusetzen. Dazu gehören auch ein UX-Berater, der sich mit Nutzerführung auskennt, IT-Spezialisten, Entwickler. Nexum-Chef Georg Kühl sagt: „Unsere Systemarchitekten, die für die Prozessoptimierung sorgen und sicherstellen, dass die Datenintegration innerhalb der komplexen Softwareumgebung reibungslos klappt, haben hier besonders viel zu tun.“

Die Tücke steckt im Detail. Täglich tauscht sich ein Tandem, das aus einem Kundenvertreter und einem Berater besteht, aus, um die anstehenden Arbeiten zu priorisieren. Einmal pro Woche tagt zusätzlich das Steering Committee, in dem der Nexum-Projektleiter der Defshop-Geschäftsführung berichtet, wie es vorangeht oder wo sich Risiken abzeichnen.

Denn der Zeitrahmen für das Investment ist sportlich: Zum Black Friday am 27. November, dem Tag der großen Rabattschlacht im Internet, muss das neue System einwandfrei laufen. Defshop-Chef Lucá: „Da will ich keine bösen Überraschungen erleben.“

Berater-Qualifikation: Know-how in E-Commerce, Webdesign- und Nutzererlebnis-, Programmierkenntnisse im Cloudcomputing.

Job in der Transformationsberatung: Lieferkette optimieren

Die Situation beim Kunden: Als Gewerbekunden ihre Betriebe von heute auf morgen schlossen, kamen teilweise die von ihnen bestellten Leitern, Baugerüste, Schubkarren, Metallboxen und Schrankwagen zurück zu den europäischen Material- und Warenzentren von Werner Co. in Frankreich, Großbritannien, Ungarn, Deutschland und Skandinavien, von wo aus sie losgeschickt worden waren.

„Wenn wir die Ware nicht an der Laderampe abgeben konnten, ging aber nicht nur alles den ganzen Weg retour. Anschließend musste die Ware auch noch zwischengelagert und die Zustellung neu terminiert werden, und dann mussten erneut Lieferungen mit Speditionsunternehmen organisiert werden“, berichtet Thomas Erbeldinger, Direktor Supply Chain Europe.

So stiegen die Kosten für Versand und Zustellung, während der Umsatz zurückging. Erbeldinger hatte schon vor der Krise daran gedacht, die Lieferkette hin zum Kunden zu optimieren. Durch diverse Zukäufe waren die Lager- und Logistikstrukturen von Werner Co., das mit den Produkten für Gewerbekunden einen Umsatz von einer Milliarde Dollar pro Jahr weltweit macht, wild gewachsen.

Das führte schon vor der Pandemie dazu, dass etwa ein Handwerksbetrieb in Deutschland länger als üblich warten musste, weil die Lieferung bislang aus verschiedenen Lagern erfolgte. Und er die Ware daher nicht schon am nächsten Tag erhielt. „Das geht besser und effizienter“, war Erbeldinger überzeugt.

Die Lösung: Die Düsseldorfer Strategieberatung Advyce, die den Beratungsauftrag kurz vor dem Shutdown gewann, setzte das Projekt „Supplychain Network Design Europe“ schnellstens auf. Stefan Hecht, Advyce-Partner und Projektleiter, erklärt, was sich dahinter verbirgt: „Um Werner-Co-Kunden künftig schneller, zuverlässiger und kostengünstiger zu beliefern, muss der Material- und Warenfluss in den europäischen Konzern‧gesellschaften optimiert werden.“

Damit sich Transportzeiten verkürzen, der Service verbessern und Lagerkapazitäten reduzieren lassen, müssen zunächst Daten aus zehn verschiedenen EDV-Systemen extrahiert und harmonisiert werden. Drei erfahrene Datenspezialisten sind derzeit mit der Erhebung und Analyse beschäftigt, um anschließend ein spezielles Softwaretool anzuwenden.

Mittels Künstlicher Intelligenz werden Lagerkapazitäten, Bestellmengen einzelner Produkte, Sendungsstrukturen, Sitz der Großkunden, Transportmittel und Frachtkosten verglichen, um Einspar- und Leistungspotenziale zu identifizieren.

Darauf basierend werden im August in mehreren Workshops mit dem Kunden Logistikszenarien entwickelt werden, von denen das geeignetste schließlich ab November realisiert wird. Ziel: eine neue effiziente Distributionsstruktur in Europa zu etablieren, die gleichzeitig besser gegen Logistikprobleme gewappnet ist – ob durch Streik oder eine weitere Pandemie.

Berater-Qualifikation: Expertise und Erfahrung in IT und Digitalisierungsprojekten, Englischkenntnisse, Präsentationsstärke.

Job in der Personalberatung: Schwächen aufdecken

Die Situation beim Kunden: Der Corona-Shutdown bestätigte, was alle beim mittelständischen Konsumgüterhersteller ahnten: Der Vertrieb über Läden ist ein Auslaufmodell. Der Umsatz ging stetig zurück. Doch die langjährige Geschäftsführung betrieb die Digitalisierung halbherzig. Für den Umstieg auf E-Commerce fehlte wegen roter Zahlen das Geld.

Talentierte Mitarbeiter, eingestellt, um den digitalen Wandel voranzutreiben, kündigten von sich aus. Bei vielen anderen breitete sich Frust und Mutlosigkeit aus. „So kann es nicht weitergehen“, konstatierte der Aufsichtsratschef des Unternehmens, das ungenannt bleiben soll. Und er gab der Geschäftsführung als neues Ziel vor: innerhalb von zwei Jahren wieder nachhaltig profitabel zu wirtschaften.

Die Lösung: Der Aufsichtsrat beauftragte den weltweiten Chef der Personalberatung Eric Salmon & Partners, Raoul Nacke. Er sollte überprüfen, ob sich für einen Radikalumbau inklusive harter Personalmaßnahmen die richtigen Köpfe in der Geschäftsführung befinden. Und ob sie an einem Strang ziehen.

Um das herauszufinden, führte Nacke mit einem Kollegen für die vier Geschäftsführer eine sogenannte „Leadership Journey“ durch. Dieses mehrtägige Programm findet üblicherweise fern vom Büro statt, etwa in einem Kloster. Momentan greift man zur Videokonferenz.

Zuerst verschafften sich die Berater in Einzelgesprächen mit den Teilnehmern ein Bild der Ist-Situation aus verschiedenen Perspektiven. Ganz konkret sollen die Geschäftsführer zur geplanten Neuausrichtung Stellung nehmen. Nacke: „Wir wollen sehen, wie sie mit unvorhergesehenen Dingen umgehen. Wer an altbewährten, aber unpassenden Lösungen festhält, wer sich flexibel zeigt, wer ein Teamplayer ist.“

Dazu werden danach Gruppengespräche durchgeführt. Jeweils zwei Teilnehmer erarbeiten Vorschläge zu konkreten Fragen: Wie lässt sich der Vertrieb von Produkt A von stationär auf online umstellen? Was sind realistische Profitabilitätsziele? Was bedeutet dies für die Organisation? Nach der Ergebnispräsentation der Tandems erarbeiteten die vier einen konkreten Plan, der in der Gruppe kontrovers diskutiert wurde – unter Beobachtung der Personalexperten.

Einzel- und Gruppencheck ergaben schließlich, dass sich das Management neu aufstellen muss. Einer der Geschäftsführer Marke „allwissend“, der sich dem Wandel generell verschloss und auf seine Machtstellung nicht verzichten wollte, musste gehen. Ein neuer Manager wurde eingestellt.

Nackes Fazit: „Das Geschäftsführungsteam hat gemeinsam entschieden, das Onlinegeschäft durch gezielte Investments über die kommenden zwei Jahre zu stärken und die Organisation radikal auf das neue Ziel auszurichten. Mit dem neuen Mitglied ist ein Experte gewonnen, der eine solche Transformation bereits erfolgreich praktiziert hat. Gute Voraussetzungen für den Wandel.“

Berater-Qualifikation: Profundes Wissen zu Führungskompetenzen, Einfühlungsvermögen.