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Die EU versucht, den Atomdeal mit dem Iran zu retten

Es könnte der letzte Reanimationsversuch sein – für den Atomdeal mit dem Iran. Doch intern gilt er, „wenn nicht noch ein Wunder geschieht, als tot“, wie es in diplomatischen Kreisen heißt. An diesem Freitag kommt Irans Außenminister Mohammed Javad Zarif in Wien sehr kurzfristig mit den Außenministern Chinas, Russlands, Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens und der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini zusammen, um von dem Abkommen zu retten, was noch zu retten ist.

Am 14. Mai hatte Teheran den verbliebenen Vertragsstaaten des Atomabkommens ein 60-Tage-Ultimatum gesetzt. Garantien sollten sie abgeben, dass die vor allem ökonomischen Vorteile des Nukleardeals für das Land erhalten bleiben. Sechs Tage zuvor war US-Präsident Donald Trump einseitig aus dem mehr als ein Jahrzehnt lang verhandelten Abkommen ausgestiegen, das er als „schlechtesten Deal aller Zeiten“ denunziert hatte. Die USA setzten ihrerseits ein Ultimatum: Bis 4. August sollten europäische Firmen aus dem Iran-Geschäft aussteigen, sonst würden gegen sie die „die Sanktionen aller Zeiten“ verhängt.

„Die EU hat keine Zeit zu verlieren“, mahnte EU-Energiekommissar Miguel Arias Canete bei seinem Teheran-Besuch Mitte Mai. Und er ließ mehrere Expertengruppen zusammenkommen, die seither nach Lösungen suchten. Doch gerade vor allem die Europäer stehen mit fast leeren Händen da.

Zuletzt hatte Irans Präsident Hassan Ruhani bei seiner Wien-Visite am Mittwoch angekündigt, dass sein Land nur dann dem Atomabkommen treu bleibe, „wenn wir die vollen ökonomischen Vorteile aus dem Vertrag bekommen“. Denn der vergleichsweise liberale Staatschef steht mit dem Rücken zur Wand: Die Landeswährung Rial ist im freien Fall, die Arbeitslosigkeit mangels großer Investitionen weiter sehr hoch, die Inflation zieht wieder an. Sollten die verbliebenen Vertragsstaaten nicht liefern, werde Iran mit der durch den Deal weitgehend ausgesetzten Atomanreicherung wieder anfangen.

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Ärger um Öllieferungen

Es steht zu befürchten, dass es so kommt. Denn die Hauptforderungen Irans kann oder will Europa nicht erfüllen: So hatte Teheran verlangt, dass seine Ölexporte so hoch bleiben wie vor Trumps Ausstiegserklärung vom 8. Mai. Doch während China, Indien und Türkei erklärt haben, sich von den USA nicht unter Druck setzen zu lassen, haben europäische Ölkonzerne klammheimlich ihre Käufe von iranischem Rohöl bereits reduziert. Vor allem Italien, Frankreich, Spanien, Griechenland und die Niederlande sind Irans Ölkunden. Die EU-Staaten kamen vor Trumps Worten auf eine Abnahme von 548.000 Barrel täglich. Deutschland bekommt laut EU-Statistik täglich 17.000 Fass.

Auch europäische Tankerflottenbetreiber wie Maersk Tankers und Torm nehmen kein iranisches Öl zur Verschiffung mehr an, Hapag-Lloyd beendet seine Iran-Fuhren, europäische Assekuranzen versichern keine iranischen Öltanker mehr. Selbst die mit ihrer Deutschlandzentrale in Hamburg ansässige iranische Staatsreederei Irisl, einer der weltweit größten Flottenbetreiber, kann kaum liefern. Ihre Schiffe dürfen manche Häfen nicht mehr anlaufen oder sie bekommen dort keinen Service mehr.

Zankapfel Finanzierung

Ein weiteres Problem ist die Finanzierung der Öllieferungen und der Zahlungsverkehr. So hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, dass EU-Regierungen über ihre Notenbanken und die EZB direkte Zahlungen an die iranische Zentralbank leisten, um US-Strafen für private europäische Geldhäuser zu vermeiden. Iran hat nach Handelsblatt-Informationen aus diplomatischen Kreisen zudem die Bundesregierung gebeten, seinem zweitgrößten Ölkunden Indien Gelder für das in Iran georderte Rohöl in Euro über die Bundesbank oder die EZB an Irans Zentralbank zu überweisen. Die EU will den Geldfluss nicht abreißen lassen, um das Abkommen zu retten. Der Ölhandel solle – um den USA den Zugriff auf den Finanzfluss zu vereiteln – auf Euro umgestellt werden.

Doch bisher, so ist aus EU-Kreisen zu hören, hat sich keine einzige EU-Zentralbank bereiterklärt, Ölgelder direkt an Teherans Notenbank zu überweisen. Auch die Europäische Investitionsbank (EIB) hat bereits abgewunken, wie von der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten gewünscht, große Iran-Projekte zu finanzieren.

Zur Begründung wird die Achillesferse der über US-Finanzmärkte erfolgenden Refinanzierung herangezogen. Das aber ist auch bei den bisher größten europäischen Iran-Investoren der Fall: dem französischen Ölkonzern Total und der Opel-Mutter Peugeot-Citroen PSA, die ihren Abgang aus Persien ebenso beschlossen haben wie der deutsche Chemieriese BASF.

Die EU wollte es europäischen Firmen eigentlich verbieten, sich an die neuen Iran-Sanktionen der USA zu halten und sie vor Strafen aus den USA schützen. Bei Verlusten können sie Schadenersatz beantragen. Das soll vor allem kleine und mittelständische Firmen ohne US-Bezug zum Iran-Geschäft ermuntern. Das Bundeswirtschaftsministerium hat sogar eine Iran-Hotline geschaltet.

Deutsche Unternehmen winken ab

Doch auch kleine, interessierte Unternehmen haben extreme Schwierigkeiten und große Angst: „Da hebt keiner mehr das Telefon ab“, berichtet ein auf Iran spezialisierter Unternehmensberater über bisher an Iran-Kontakten interessierte Kunden ebenso wie über die wenigen Volksbanken, die offiziell verkündet hatten, im Iran-Geschäft zu bleiben.

Zwar solle in den nächsten Wochen nochmals mit Hochdruck versucht werden, über wirtschaftliche Anreize Iran weiter an den Atomdeal zu binden. Doch wenn sich der Iran bei einem Scheitern wieder der Uran-Anreicherung widmet, müssten wieder harte Sanktionen, auch aus Europa, in Kraft treten. Für die deutsche Wirtschaft wäre das ein Einschnitt.

Derzeit sind etwa 120 deutsche Firmen mit eigenem Personal vor Ort, darunter auch Großkonzerne wie Henkel, BASF, Siemens. Die deutschen Warenexporte stiegen im vergangenen Jahr um 16 Prozent auf knapp drei Milliarden Euro, was etwa 0,2 Prozent der deutschen Gesamtexporte ausmacht.

Irans Präsident Ruhani rechnet auch bereits mit dem Ende des Atomdeals und harten Sanktionen: „Wir müssen der Welt zeigen, dass wir harte Zeiten durchstehen. Wir werden Schwierigkeiten überstehen, aber unsere Unabhängigkeit, unsere Freiheit und unsere Ehre nicht abgeben“, schwor er in einer TV-Ansprache bereits Anfang der Woche sein Volk ein. Zuletzt war es immer wieder zu Protesten und Demonstrationen gegen die katastrophale Wirtschaftslage im Land gekommen.

Immerhin scheinen die internen Rivalitäten zwischen Reformern und Hardlinern etwas abzuklingen: Erstmals stellte sich jetzt der Kommandeur der mächtigen, und direkt Revolutions- und Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei unterstellten Revolutionsgarden hinter Ruhani. Bisher hatte Chamenei den Öffnungskurs Ruhanis immer kritisiert.

Doch der Chef von Irans Atomprogramm, Ali Akbar Salehi, hat den Druck auf die Europäer bereits massiv erhöht: „Der Ball ist in ihrem Feld“, sagte Salehi bereits beim Canete-Besuch an die Europäer gerichtet, um dann hinzuzufügen: „Ich hoffe, ihre Bemühungen werden Erfolg haben“ – denn er wolle den Tag gar nicht erleben, an dem Iran wieder auf Atomkurs gehe. Denn dann werde Uran wieder statt bisher in geringen Mengen und auf 3,67 Prozent, auf dann 19,75 Prozent angereichert. Womit der Iran dann wie vor dem Atomdeal wieder näher an eine Atombombe käme.