Werbung
Deutsche Märkte geschlossen
  • DAX

    18.159,97
    +242,69 (+1,35%)
     
  • Euro Stoxx 50

    5.006,01
    +67,00 (+1,36%)
     
  • Dow Jones 30

    38.203,07
    +117,27 (+0,31%)
     
  • Gold

    2.344,70
    +2,20 (+0,09%)
     
  • EUR/USD

    1,0689
    -0,0044 (-0,41%)
     
  • Bitcoin EUR

    59.304,38
    -485,10 (-0,81%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.383,71
    -12,82 (-0,96%)
     
  • Öl (Brent)

    84,10
    +0,53 (+0,63%)
     
  • MDAX

    26.219,00
    +175,82 (+0,68%)
     
  • TecDAX

    3.323,40
    +56,64 (+1,73%)
     
  • SDAX

    14.269,32
    +273,55 (+1,95%)
     
  • Nikkei 225

    37.934,76
    +306,28 (+0,81%)
     
  • FTSE 100

    8.143,89
    +65,03 (+0,80%)
     
  • CAC 40

    8.091,63
    +74,98 (+0,94%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.919,50
    +307,74 (+1,97%)
     

Entsorgungskrise verteuert das Bauen

Giftmüll an der Fassade - Entsorgungskrise verteuert das Bauen

Deutschland gilt als Recyclingvorreiter. Jährlich werden von der Bauwirtschaft über 190 Millionen Tonnen mineralischer Bauabfälle zur Wiederverwendung aufbereitet, wiederverwertet oder entsorgt. Dazu kommen jede Menge Dämmstoffe, seit aus Gründen des Klimaschutzes Gebäude zunehmend energieeffizient verpackt werden. Jetzt aber steht die Branche vor einem Entsorgungsengpass. Der Grund ist eine Chemikalie mit dem sperrigen Namen Hexabromcyclododecan, kurz HBCD, das vor allem in Dämmmaterial steckt, aber auch in Textil-Beschichtungen und Kunststoffgehäusen von elektrischen Geräten.

Seit per Anfang Oktober eine EU-Richtlinie in deutsches Recht umgewandelt wurde und HBCD als gefährlicher Abfall gilt, dürfen die meisten Müllverbrennungsanlagen HBCD-haltiges Dämmmaterial nicht mehr annehmen. „Eine fachgerechte Entsorgung ist derzeit vielerorts nicht möglich“, kritisiert der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE). Berichtete der Verband schon vor Tagen, dass Entsorger und Baubetriebe auf den Abfällen sitzenblieben und ein Entsorgungsnotstand drohe, legte er jetzt nach: „Nach unseren Schätzungen droht den Bauherren in Deutschland eine jährliche Mehrbelastung von bis zu 240 Millionen Euro im Jahr, wenn sich nichts ändert.“

HBCD soll die Entflammbarkeit entzündlicher Materialien minimieren. Wegen seiner umweltschädlichen Eigenschaften steht die Chemikalie allerdings schon seit Jahren im Fokus der Behörden. Seit 2014 gilt weltweit ein Herstellungs- und Verwendungsverbot. Eine Ausnahme davon nimmt die EU in Anspruch, heißt es auf der Website des Umweltbundesamtes. Zwar gebe es für die Verwendung als Flammschutzmittel in Dämmstoffen einen Ersatzstoff für HBCD, der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen günstigere Umwelteigenschaften habe. Damit die Hersteller von Dämmstoffen aber ausreichend Zeit hätten, HBCD zu ersetzen, habe die europäische Kommission die Verwendung von HBCD in Dämmmaterialien bis August 2017 zugelassen.

Damit wird indes immer neuer gefährlicher Abfall produziert, der immer dann verwertet werden muss, wenn Häuser abgerissen oder saniert werden. „Mit Inkrafttreten der europäischen Verordnung haben tausende Haushalte in Deutschland faktisch Sondermüll an der Fassade kleben“, kritisiert Chris Kühn, wohnungs- und baupolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. „Die Bundesregierung kennt die Problematik, hat es aber wiederholt versäumt, rechtzeitig zu reagieren.“ Viele Hausbesitzer bekämen nun die Quittung dafür, dass die Große Koalition sich nicht von der materialoffenen Förderung verabschieden wollte, sagte Kühn dem Handelsblatt. Die Förderkriterien der -Bank müssten dringend geändert werden. Kühn forderte ein Programm, das gezielt nachwachsende Baustoffe fördert. „Wir wollen Öko statt Giftmüll an den Wänden“, sagte er. Bei der Förderung von Baustoffen müsse der gesamte Lebenszyklus betrachtet werden, nicht nur die Produktionskosten.

WERBUNG

Aus Sicht der Wirtschaft ist nicht die Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht problematisch, sondern dass Deutschland die Brüsseler Vorgaben noch übertrifft. Der Bundesrat sei mit der Einstufung als gefährlicher Abfall deutlich weiter gegangen als es die EU verlangt, sagte BDE-Präsident Peter Kurth dem Handelsblatt. Die EU-Regelung sehe nur vor, dass HBCD-haltiges Material verbrannt werde. Das sei in der Vergangenheit aber in Deutschland ohnehin geschehen. Jetzt müsse HBCD-haltiges Dämmmaterial aber gesondert entsorgt und schon auf der Baustelle getrennt erfasst werden. „Immerhin sprechen wir von bis zu 60.000 Tonnen Dämmstoffabfällen im Jahr und Verbrennungspreisen von bis zu 4.000 Euro pro Tonne“, sagte Kurth. Zum Vergleich: Vor Inkrafttreten der Regelung lagen die Preise bei rund 200 Euro pro Tonne Baumischabfall, in den auch Dämmstoffplatten hineingemischt werden durften.


Bauindustrie schlägt Alarm

Der Verband bekräftigte darum seine Forderung, die Rechtslage schnellstmöglich zu korrigieren. Die Einstufung HBCD-haltiger Dämmstoffe als gefährlicher Abfall müsse vom Bundesrat rückgängig gemacht werden. „Alles andere sind nur Behelfslösungen, die keinesfalls zum Dauerzustand werden dürfen“, sagte Kurth. Er warnte vor dem Entstehen wilder Müllkippen: „Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass die Dämmstoffplatten jetzt einfach in den Wald gefahren werden.“

Ein weiteres Problem, neben der Kosten: Nicht jede Müllverbrennungsanlage in Deutschland besitzt die Genehmigung zur Verwertung von als gefährlich deklarierter Abfälle. Um das zu ändern, sind aufwendige Änderungsgenehmigungen erforderlich. Dazu kommt, dass HBCD-haltige Dämmplatten allein meist ohnehin nicht verbrannt werden können, weil sie zu heiß werden. Sie müssen vorbehandelt werden, um sie dann mit anderem Abfall zu mischen und dann zu verbrennen.

Aus Sicht der Wirtschaft sind HBCD-haltige Dämmplatten sowohl beim Abbruch als auch beim Transport umwelt- und arbeitsschutzrechtlich unbedenklich. Eine abfallwirtschaftliche Sonderbehandlung sei nicht erforderlich, so BDE-Präsident Kurth. Auch die spätere thermische Entsorgung zusammen mit anderem Bauabfall sei problemlos. Eine getrennte Erfassung und gesonderte Entsorgung sei dagegen bürokratisch aufwendig und verteuere die Entsorgung.

Auch die Bauindustrie schlägt Alarm. „Die Entsorgungsunternehmen holen dieses Material erst gar nicht mehr von den Baustellen ab“, sagt Michael Knipper, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB). „Damit droht die ganze Baustellenlogistik zusammenzubrechen.“ Zeitliche Verzögerungen und Mehrkosten seien vorprogrammiert – „und das in einer Zeit, in der dringend Wohnungen saniert werden müssen“.

Die Wohnungswirtschaft schlägt in dieselbe Kerbe. Höhere Entsorgungskosten verteuerten die energetische Sanierung von Gebäuden und konterkarierten damit die Ziele der Bundesregierung, preisgünstiger zu bauen. Ein Widerspruch, sagt Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW. „Dies alles läuft den Ergebnissen des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen zuwider, die eindeutig darauf abzielen, dass weitere Kostensteigerungen beim Wohnen vermieden werden sollen.“ Die Unternehmen bräuchten nun dringend praktische Lösungen zur rechtssicheren Entsorgung dieser Abfälle, forderte Gedaschko. „Es kann nicht sein, dass die Politik neue Regelungen beschließt und die Unternehmer dann mit den negativen Auswirkungen alleine lässt.“

KONTEXT

Die größten Baukonzerne Europas (nach Umsatz)

Platz 9

Bilfinger SE - 7,7 Milliarden Euro Umsatz (Stand: 2014)

Deutschlands zweitgrößter Baukonzern schafft es trotz eines Umsatzeinbruchs auf den neunten Rang. Neben dem klassischen Baugeschäft setzen die Mannheimer auch auf Dienstleistungen für Industrieanlagen, Kraftwerke und Immobilien.

Platz 8

Ferrovial (Spanien) - 8,8 Milliarden Euro Umsatz

Das Unternehmen aus Madrid baut und betreibt auch Autobahnen und Flughäfen. Der Konzern errichtete unter anderem das Guggenheim-Museum in Bilbao.

Platz 7

Balfour Beatty (Großbritannien) - 10,91 Milliarden Euro Umsatz

Bereits seit 1909 sind die Briten im Baugeschäft tätig und gehören europaweit zu den Platzhirschen. Die Londoner beschäftigen europaweit rund 30.000 Mitarbeiter.

Platz 6

Strabag (Österreich) - 12,48 Milliarden Euro Umsatz

Aus Wien in die Welt: Die Österreicher haben vor allem in Osteuropa expandiert. 2014 konnte der Konzern den zuvor stark abgerutschten Umsatz stabil halten.

Platz 5

Eiffage (Frankreich) - 13,95 Milliarden Euro Umsatz

Neben einigen TGV-Trassen gehört auch die Erweiterung des EU-Parlaments zu den großen Projekten des Konzerns. Beheimatet sind die Franzosen in AsniÁ¨res-sur-Seine.

Platz 4

Skanska (Schweden) - 15,75 Milliarden Euro Umsatz

Kaum eine Straße, ein Kraftwerk oder Bürogebäude in Schweden ist ohne Beteiligung des skandinavischen Bauriesen entstanden. Auch international sind die Schweden aus Solna mittlerweile breit aufgestellt.

Platz 3

Bouygues (Frankreich) - 33,35 Milliarden Euro Umsatz

Neben Immobilien und dem Straßenbau ist der Pariser Konzern Großaktionär des französischen Fernsehsenders TF1. Auch in der Telekommunikation ist der Konzern aktiv.

Platz 2

ACS (Spanien) - 38,37 Milliarden Euro Umsatz

Die Spanier haben in den vergangenen Jahren ein rasantes Wachstum hingelegt. Allein in den vergangenen zwei Jahren stieg der Umsatz um fast zehn Milliarden Euro und ACS klettert das Treppchen weiter hoch.

Platz 1

Vinci (Frankreich) - 38,7 Milliarden Euro Umsatz

Der größte Baukonzern Europas ist auch der größte Baukonzern der Welt und ist in der Kleinstadt Rueil-Malmaison nahe Paris beheimatet. Dem Konzern gehört unter anderem die Hälfte aller französischen Autobahnen.

Quelle: Deloitte