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El Niño heizt Klima zusätzlich an: „1,5 Grad-Ziel“ wird bald überschritten – Ökonomen fürchten Missernten und neue Preisschocks

Das Wettterphänomen El Niño bringt in Amerikas Westen viel Regen, in Australien und Asien dagegen Dürre.  - Copyright: Getty Images
Das Wettterphänomen El Niño bringt in Amerikas Westen viel Regen, in Australien und Asien dagegen Dürre. - Copyright: Getty Images

Über der Weltwirtschaft braut sich ein neues Unwetter zusammen. Nach der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg geht es jetzt wirklich ums Wetter. Bei Meteorologen wächst die Gewissheit, dass 2023 ein El Niño-Jahr wird. Das Wetterphänomen El Niño geht oft mit schweren Dürren und Unwettern einher. El Niño birgt die Gefahr von Missernten, steigender Preisen wichtiger Lebensmittel und einem Comeback der Inflation.

Anders als der Klimawandel ist El Niño zwar ein natürliches Phänomen. Es heizt das Klima aber zusätzlich an. Die Weltwetterorganisation (WMO) rechnet daher damit, dass die globale Durchschnittstemperatur in einem der nächsten fünf Jahre erstmals mehr als 1,5 Grad über das vorindustrielle Niveau steigt.

Bei der UN-Klimakonferenz in Paris wurde 2015 das Ziel vereinbart, die Erderwärmung im Vergleich zum Ende des 19. Jahrhunderts auf 1,5 Grad zu begrenzen, um Klimaschäden einzudämmen. Die WMO geht nicht davon aus, dass die Erderwärmung schon in den nächsten Jahren permanent über diese Marke klettert - das sei erst in 15 bis 20 Jahren zu erwarten. „Die WMO schlägt jedoch Alarm, weil wir die Stufe von 1,5 Grad immer häufiger temporär durchbrechen werden“, sagte Generalsekretär Petteri Taalas.

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Der aktuelle Grund ist: El Niño kommt zurück. Ausgangspunkt für die gefährliche Großwetterlage ist eine Erwärmung des Wassers im Pazifik. Die Folge sind extreme Veränderungen des Wetters, vor allem auf der Südhalbkugel. An der Westküste Südamerikas bis in den Süden der USA bringt El Niño Starkregen und Überflutungen, aber auch große Fischsterben. Auf der anderen Seite des Pazifiks, im Osten Australiens, Ozeanien und Asien drohen Dürre, Hitze und Brände.

Die WMO rechnet damit, dass die mittlere Jahrestemperatur bis 2027 mindestens einmal einen Rekord erreicht. Grund sei eine Kombination aus dem von Menschen gemachten Klimawandel und dem natürlichen El Niño. „Dies wird weitreichende Auswirkungen auf Gesundheit, Nahrungsmittelsicherheit, Wassermanagement und die Umwelt haben“, warnte Taalas. „Wir müssen uns vorbereiten.“

Klimaforscher Andreas Fink vom Karlsruher Institut für Technologie wertete , das Überschreiten des Schwellenwertes in einem der fünf kommenden Jahre als „starkes Zeichen dafür, dass das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommen nicht mehr zu halten ist“.

El Niño und das Gegenstück La Niña begünstigen Extremwetter in vielen Weltregionen. El Niño treibt die globale Durchschnittstemperatur in die Höhe, während La Niña einen kühlenden Effekt hat. Sie tauchen abwechselnd alle paar Jahre auf.

Die WMO erwartet in den Sommermonaten bis 2027 mehr Regen in Sibirien, Nordeuropa und der Sahelzone in Afrika. Der Amazonasregion stehe hingegen geringer Niederschlag bevor. Taalas sprach vom Risiko einer Dürre in der riesigen südamerikanischen Regenwaldzone, die zu steigenden Emissionen des Treibhausgases CO2 führen würde.

El Niño 2023: So hoch ist die Wahrscheinlichkeit

Wetterexperten beobachten seit Monaten, dass sich eine neue El Niño-Lage aufbaut. Zunächst bemerkte die US-Ozean-Behörde NOAA eine Zunahme der Warmwasserpools im Pazifik. Auch die Luftdruckgebiete entwickelten sich im typischen El Niño-Muster. Mittlerweile gibt die NOAA die Wahrscheinlichkeit für El Niño-Bedingungen im Sommer mit 62 Prozent und für den Herbst mit 80 Prozent an. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) berechnet die Wahrscheinlichkeit zum Jahresende mit 89 Prozent. Auch japanische Meteorologen halten einen El Niño bis August zu 60 Prozent für wahrscheinlich.

El Niño ist die warme Phase der Southern Oscillation (ENSO) im tropischen Pazifik. Häufig beginnt sie mit einer starken Erwärmung des Wassers vor der Westküste Südamerikas.  - Copyright: Getty Images
El Niño ist die warme Phase der Southern Oscillation (ENSO) im tropischen Pazifik. Häufig beginnt sie mit einer starken Erwärmung des Wassers vor der Westküste Südamerikas. - Copyright: Getty Images

Wie immer sind Wetterprognosen unsicher. „Es ist immer noch möglich, dass sich ein El Niño in Luft auflöst“, sagte die Forscherin Emily Becker der NOAA. Die Wahrscheinlichkeit dafür sei aber nur minimal. Das US Climate Prediction Center richtete das Warnsystem El Niño-Watch ein. Die Entwicklung ist nun ständig auf dem Radar.

Dass El Niño zurückkommt, ist also sehr wahrscheinlich. Aber wie stark wird er? Die Potsdamer Modelle lassen erwarten, dass er „moderat bis stark“ ausfällt. Das Climate Prediction Center der USA bewertet die Wahrscheinlichkeit für einen „starken“ El Niño gegen Jahresende derzeit mit 41 Prozent.

Das an sich natürliche Phänomen El Niño könnte durch die Erderwärmung verstärkt werden. „Die meisten Modelle zeigen, dass durch den Klimawandel starke El Niños häufiger werden und die Auswirkungen stärker werden, da wärmere Luft mehr Wasser aufnehmen kann“, sagt Josef Ludescher vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung.

Direkt ist Europa von den Wetterveränderungen am wenigsten betroffen. Doch indirekt betrifft El Niño auch uns. In starken El Niño Perioden kommt es weltweit immer wieder zu Ernteausfällen und in der Folge zu Preissteigerungen für Nahrungsmittel. Auch vermehrte Unruhen, sogar Bürgerkriege und Migrationsbewegungen werden mit El Nino-Perioden in Verbindung gebracht.

Sorge der Ökonomen vor neuen Preisschocks

 - Copyright: Deutsche Bank Research
- Copyright: Deutsche Bank Research

„Sollte es zu einem El Niño kommen, könnte dies in erster Linie zu höheren Lebensmittelpreisen und Spannungen in Schwellenländern führen, die für einen solchen Schock anfälliger sind“, warnten nun die Ökonomen von Deutsche Bank (DB) Research. Bedrohlich werde das Szenario angesichts der ohnehin hohen weltweiten Inflation. Wie in 1970er Jahren könne eine Reihe scheinbar vorübergehender Inflationsschocks zusammenkommen und die Inflation verfestigen. „Der sehr starke El Niño von 1972/73 fiel mit dem Ölschock von Ende 1973 zusammen und ließ sowohl die Energie- als auch die Lebensmittelpreise in die Höhe schnellen.“ Es folgte eine der längsten und stärksten Inflationsphasen der vergangenen Jahrzehnte.

DB-Ökonom Henry Allen schreibt: „Ein El-Niño-Ereignis könnte sich negativ auf die Ernte auswirken, was wiederum auf die Lebensmittelpreise durchschlagen kann. Agrarprodukte wie Zucker oder Kakao könnten besonders betroffen sein.“ Historische Daten zeigten, dass Preisspitzen bei Zucker regelmäßig mit El Niño-Phasen zusammenfielen. Dies hätte unmittelbaren Einfluss auf die Inflationsraten auch in den USA und Europa. So würden Nahrungsmittel in den USA 13,5 Prozent des Warenkorbes ausmachen.

Dürre in Australien. Eine der Folgen des Wetterphänomens El Niño.   - Copyright: Getty Inmages
Dürre in Australien. Eine der Folgen des Wetterphänomens El Niño. - Copyright: Getty Inmages

„Ein El-Nino-Schock käme außerdem zu einem Zeitpunkt, an dem die Inflation bereits durch mehrere Schocks in die Höhe getrieben wurde“, schreibt Allen unter Bezug auf die Corona-Pandemie mit ihren Lockdowns und den Ukraine-Krieg mit Preisschocks für Energie wie Nahrungsmittel. „Jedes Risiko eines weiteren Inflationsschocks wäre also eine schlechte Nachricht, wie wir im Jahr 2022 gesehen haben.“

Allen weist auch auf das besondere Risiko für die Schwellenländer hin. Zum einen seien sie geografisch stärker unmittelbar von El Niño betroffen. Zum anderen machten Nahrungsmittel dort oft mehr als ein Drittel aller Ausgaben der Haushalte aus.

Der Höhepunkt der Inflationswelle ist vorüber. Die Inflationsrate geht zurück. Aber werden die Preise auch sinken?
Der Höhepunkt der Inflationswelle ist vorüber. Die Inflationsrate geht zurück. Aber werden die Preise auch sinken?