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Die europäische Armee wird konkret

Die Bürger wollen eine europäische Verteidigung. Frankreich und Deutschland treiben sie voran. Trotz aller Widerstände sind sie dabei erstaunlich erfolgreich.

In der europäischen Verteidigungspolitik entwickeln Deutsche und Franzosen Ehrgeiz. „Da haben wir enorme Fortschritte erzielt“, meint Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Man habe beschlossen, zusammen ein Kampfflugzeug und einen Panzer zu entwickeln.

„Es ist doch ein großes gegenseitiges Kompliment und ein Zeichen des Vertrauens, wenn man sich in der Verteidigungspolitik stärker aufeinander verlässt“, sagte sie diese Woche im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“.

Für Frankreichs Präsident Emmanuel Macron steht die gemeinsame Verteidigung sogar im Mittelpunkt seiner Europavision. „Unsere Priorität ist es, voranzugehen zu einer europäischen Armee“, schreibt seine Partei La République en Marche in ihrem Europa-Wahlprogramm. Zwar solle jedes Land seine Armee behalten, doch müsse es eine „gemeinsame Interventionskapazität“ geben.

Eine gemeinsame europäische Verteidigung gehört zu den wichtigsten Anliegen der europäischen Bürger, zeigen Umfragen. Jahrzehntelang blockierte Großbritannien jeden Schritt in diese Richtung. Seit die Briten im Juni 2016 für den EU-Austritt stimmten, sehen viele andere Staaten die Chance, ihre Armeen zumindest enger aneinanderzubinden.

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Druck entsteht durch die Annexion der Krim durch Russland. Osteuropäische Staaten fühlen sich seitdem bedroht. Die USA ziehen weltweit Truppen ab, mancherorts versuchen europäische Staaten, die Lücken zu füllen.

Die Einsätze jenseits der eigenen Außengrenzen, vor allem in Afrika, sollen dort Entwicklungschancen verbessern und somit auch Migration nach Europa vorbeugen. Finanzielle Engpässe sind die Folge und damit auch ein Umdenken. Die einzelnen EU-Staaten fühlen sich mit ihren nationalen Armeen zu klein.

Vor allem Frankreich und Deutschland wollen die Argumente nationaler Bremser zügig überwinden: Zu unterschiedlich seien die militärischen Traditionen, heißt es, zu verschieden die Bedingungen für den Einsatz militärischer Gewalt in den Verfassungen und zu stark der Wunsch, jeden Arbeitsplatz in der nationalen Rüstungsindustrie zu erhalten.

Im Dezember 2017 einigten sich die nach dem Austritt der Briten verbleibenden EU-27-Staaten außer Dänemark und Malta auf eine „ständige strukturierte Zusammenarbeit“, englisch abgekürzt Pesco. Sie bildet die erste Säule der neuen Verteidigungsunion. In 34 Pesco-Projekten arbeiten unterschiedliche Staatengruppen zusammen.

Deutschland beteiligt sich an 14 und koordiniert sechs davon, darunter die Entwicklung einer europäischen Drohne, die 2025 fertig sein soll. Als zweite Säule der Verteidigungsunion soll ein Fonds mit 13 Milliarden Euro für die Jahre 2021 bis 2027 Rüstungsprojekte finanzieren.

Und als dritte Säule soll es koordinierte Jahresberichte zur Verteidigung (englisch abgekürzt: Card) geben. Das Ziel: Die EU-Staaten wollen ihre Verteidigungsvorhaben abgleichen, um Waffenkäufe zu koordinieren und so die Zahl der Modelle von Kampfpanzern, Flugzeugen und Kriegsschiffen zu reduzieren.

Aus Sicht Macrons kommen die Pesco-Projekte zu langsam voran. Nach der Europawahl will seine Partei einen „Vertrag über Europas Sicherheit“ schließen. Mit ihm sollen sich alle Teilnehmer zu höheren Militärausgaben verpflichten und die – im EU-Vertrag schon bestehende Beistandsklausel – operativ klarer anwendbar gestalten.

Frankreichs Tempo wollen jedoch längst nicht alle Europäer mitgehen. Die Bundesregierung im Prinzip zwar schon. Sie will aber gleichzeitig niemanden in Europa zurücklassen oder überfordern. Denn das, sagt Sven Biscop, Direktor beim Egmont Institut für Internationale Beziehungen, wäre in der EU wohl der Fall, wenn Merkel und Macron die Pesco stets als Teilschritt in Richtung europäischer Armee bezeichneten.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) spricht denn auch seit Monaten zurückhaltender von „Schritten auf dem Weg zu einer Armee der Europäer“. Die EU-Kommission klingt noch vorsichtiger: Sie bezeichnet die Pesco als ein Instrument, das „die Anstrengungen der Mitgliedstaaten zur Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit unterstützt“.

Von der Leyen und Frankreichs Verteidigungsministerin Florence Parly sind sich einig darin, enge Kooperationen der Armeen und der Rüstungsindustrien erreichen zu wollen – auch um die Mittel der nationalen Wehretats effizienter zu nutzen: Vergleicht man die EU als Ganzes mit China, Russland oder den USA, bestellen die Europäer eine absurd hohe Zahl unterschiedlicher Waffensysteme in kleinsten Stückzahlen – das macht die Beschaffung teuer und die Zusammenarbeit schwierig.

„Es ist ein großer Erfolg, dass es die Pesco gibt“, sagt Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. „Aber gerade weil sie breit und inklusiv gestaltet ist, ist sie in der Umsetzung langsam und limitiert.“ CDU und CSU würden gerne schneller zu militärischer Schlagkraft kommen. Dann aber bestünde die Gefahr, dass viele der Partner abspringen.

„Ich finde, die EU muss perspektivisch in der Lage sein, den UN Truppen für Einsätze anbieten zu können“, verlangt etwa Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Und Röttgen träumt von einer „Avantgarde-Gruppe europäischer Staaten“, die bereit und in der Lage ist, eine gemeinsame Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik zu entwickeln.

Deutschland, Frankreich, Polen und Großbritannien sollten unbedingt dazugehören.

Initiative mit britischer Beteiligung

Weil es Macron zu langsam vorangeht, initiierte er ein weiteres Forum mit anderem Zuschnitt: Die Europäische Interventions Initiative (EII), an der sich Deutschland und 13 weitere überwiegend westliche EU-Staaten beteiligen – darunter auch die Briten: Je näher der Brexit rückt, desto mehr entdecken die Militärs beider Seiten, dass sie nicht aufeinander verzichten wollen.

Denn die britische Armee gilt neben der französischen als die fähigste und am besten im Kampf erprobte Europas.

Was die EII aber konkret leisten soll, bleibt umstritten. Frankreich, Deutschland und Großbritannien bilden inzwischen ihren Kern. Doch bei einem wichtigen Treffen der EII im Herbst verzichtete von der Leyen auf die Teilnahme, weil sie gerade mit ihrer französischen Kollegin im Streit lag.

Ein typischer Vorfall: Man ist sich in den Zielen einig, doch der Weg von der eigenbrötlerischen Vergangenheit zur europäischen Zukunft ist keine Schnellstraße. Deutschland etwa beharrt darauf, die Pesco auch für Drittstaaten, etwa Norwegen, zu öffnen.

Und perspektivisch, meint man in Berlin, sollte auch die EII in die EU-Verteidigungsstrukturen integriert werden. Frankreich will beides nicht. An den grundsätzlichen Problemen ändern auch neue Gesprächsformate nichts.

„Wir müssen eine gemeinsame Sichtweise finden“, sagt Jean-Charles Larsonneur, verteidigungspolitischer Sprecher der Macron-Fraktion in der Nationalversammlung. Auf französischer Seite geht es vor allem um gemeinsame Operationen, eventuell auch gemeinsame Kapazitäten. Die Deutschen dagegen wollten mehr über Bedrohungsanalysen und Planung reden.

Aus von der Leyens Ministerium heißt es bestätigend: Es gehe um gemeinsame Lagebilder und darum, Bedrohungen schneller zu erkennen. Die französische Verteidigungsministerin Parly sagt dagegen ganz schnörkellos, was Frankreich mit „Kapazitäten“ meint: „In Mali sind wir nicht dazu in der Lage, unsere Partner mit tödlichem Material auszurüsten.“

Deutschlands Rüstungsexportregeln bremsen hier: Die Armeen der Sahel-Staaten brauchen vor allem Kleinwaffen, die in Deutschland die SPD keinesfalls in derartige Konfliktgebiete geliefert sehen will.

Auch das Zusammenfinden der Rüstungsindustrien ist kein Selbstläufer. Immerhin: Anders als in der Vergangenheit wollen Deutsche, Franzosen und Spanier das Kampfflugzeug der Zukunft (FCAS) gemeinsam entwickeln. Die Basis dafür ist gelegt, in vier Wochen bei der Luftfahrtschau in Le Bourget sollen Verträge für konkrete Aufträge an die Industrie unterzeichnet werden. Lange gab es Reibereien darum, wer wo die Führung haben soll.

Auch beim Kampfpanzer der nächsten Generation, der deutsch-französisch entwickelt und gebaut werden soll, hakt es manchmal. Die Aufträge, um die es geht, erreichen aber so hohe Milliardenbeträge, dass keine Seite ein Interesse daran haben kann, den Streit hochkochen zu lassen.

Das führt zu neuartiger Flexibilität: Beim FCAS sorgten die Erzrivalen Dassault und Airbus dafür, dass der französische Elektronik- und KI-Spezialist Thales seine Ansprüche zurücksteckte. Beim Panzer zeigen die Franzosen nun Bereitschaft, Rheinmetall die Teilnahme zu ermöglichen.

Meinungsverschiedenheiten tauchen immer wieder auf. Doch jeder weiß mittlerweile, was ein französischer Industrieller so auf den Punkt bringt: „Entweder wir raufen uns zusammen, oder wir kaufen künftig alle in Amerika ein.“

Der Abgeordnete Larsonneur sieht wie Kanzlerin Merkel große Fortschritte auf dem Weg zur gemeinsamen Verteidigung: Es gebe ein gemeinsames Verständnis der Bedrohungen. „Meine Kollegen im Bundestag verstehen sehr gut, was in Afrika los ist“, sagt Larsonneur.

Früher habe man ihm vorgehalten, französische Soldaten stünden dort aus neokolonialem Interesse. „Heute hat man verstanden, dass die Sicherheit aller Europäer auf dem Spiel steht.“

Unabhängig von den Plänen zur europäischen Zusammenarbeit hat Deutschland jüngst dem transatlantischen Verteidigungsbündnis Nato den größten Anstieg der Verteidigungsausgaben seit Jahrzehnten gemeldet. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur rechnet die Bundesregierung in diesem Jahr mit für das Bündnis relevanten Ausgaben in Höhe von 47,32 Milliarden Euro.

Dies entspricht einem Plus von mehr als fünf Milliarden Euro im Vergleich zu 2018 und einem Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Höhe von 1,35 Prozent.

In der Vergangenheit hatte gerade die US-Regierung immer wieder kritisiert, dass die deutschen Verteidigungsausgaben weit unter dem Nato-Ziel von zwei Prozent des BIP lägen.