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So rüsten sich deutsche Unternehmen für den Abschwung

Bereits im vergangenen Jahr büßte die Automobilbranche17 Prozent ihres Absatzes ein. Foto: dpa

Ölpreisschock, Exportschwäche, Autokrise – Deutschlands Firmen machen sich wetterfest für den Abschwung. Doch viele Manager haben keine Krisenerfahrung.

Das Treffen der Verlagssenioren wird verschoben, das Sommerfest fällt aus: Noch bis vor Kurzem hofften deutsche Unternehmen, mit simplen Sparideen wie diesen über die Runden zu kommen – und sich mit ihrer Hilfe für den drohenden Abschwung wetterfest zu machen. Nun sieht es danach aus, dass viele von ihnen nacharbeiten müssen.

Die Attacken auf saudi-arabische Bohrtürme verteuerten den Rohstoff Öl zum Wochenbeginn um 20 Prozent und verursachten damit den größten Kurssprung seit Januar 1991. Der ohnehin geschwächten Wirtschaft dürfte dies nun einen weiteren, erheblichen Dämpfer bescheren.

Tatenlosigkeit kann man der deutschen Wirtschaft mit Blick auf den konjunkturellen Gegenwind aber schon seit Monaten kaum vorwerfen. Um sich auf härtere Zeiten einzustellen, ersonnen Deutschlands Unternehmen zuweilen Maßnahmen, die in klassischen Lehrbüchern kaum zu finden sind.

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400 Millionen Euro gab etwa die Deutsche Post aus, um sich vorzeitig von 800 Beamten zu trennen. 900 könnten demnächst folgen. Der Mobilfunkanbieter Telefónica macht drei deutsche Niederlassungen dicht, ohne den dort arbeitenden Beschäftigten zu kündigen. Die 250 Angestellte müssen sich schlicht in anderen Städten ein Büro suchen.

Fit werden für den Abschwung, so lautet seit Kurzem die oberste Devise in Deutschlands Chefetagen. Für viele Vorstände und Geschäftsführer eine nahezu verlernte Übung. Zehn Jahre lang ging es in Deutschlands Wirtschaft schließlich nur in eine Richtung: mit voller Kraft nach oben. Entsprechend holprig starten in diesen Wochen die ersten Sparrunden.

Der Autozulieferer Continental versuchte es zunächst in mehreren Werken mit Kurzarbeit, was sich inzwischen als unzureichend herausstellte. Auch andere flüchten in die Defensive: Wettbewerber Elring-Klinger streicht massiv das Investitionsbudget zusammen, Schaeffler drosselte Anfang September bei 250 Mitarbeitern am Standort Frauenaurach die Arbeitszeit im Schnitt um ein Viertel.

Dass Sparideen in Deutschland Konjunktur bekommen, hatte schon vor dem Ölpreisschock triftige Gründe: Nicht nur aus Übersee sinkt die Nachfrage nach Exportgütern, längst klagt das verarbeitende Gewerbe auch über schrumpfendes Neugeschäft im Inland. Die Auftragsbücher werden dünner.

Ausgehend von der Automobilbranche, die bereits im vergangenen Jahr 17 Prozent ihres Absatzes einbüßte, droht sich die Krisenstimmung auszuweiten. Nach einem Rückgang von 0,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im zweiten Quartal 2019, könnte es auch im laufenden Vierteljahr zu einem leichten Minus kommen, fürchtet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

Laut Definition wäre die Wirtschaft dann in der Rezession. Um das eigene Unternehmen für den drohenden Abschwung wetterfest zu machen, heißt das Zauberwort im Jargon der Unternehmensberater: „Downturn Readiness“. Die Consultants merken schnell an ihrer Auftragslage, wenn sich der Wind bei den Kunden dreht und statt Experten für das nächste Wachstumsprojekt die Spar- und Restrukturierungsteams stärker gebucht werden.

Seit Anfang Juli habe genau diese Nachfrage deutlich angezogen, heißt es bei der Beratungsgesellschaft Roland Berger. Um sich für einen möglichen Gewinneinbruch zu wappnen, gehen viele Unternehmen zunächst an die sanften Hebel: Reisen werden eingeschränkt, es gibt inoffizielle Einstellungsstopps. Bestände werden abgebaut, die Kapazitäten neu ausgesteuert und die Einkaufskosten gedrückt.

Schonungslose Analyse und frühzeitiges Handeln

So soll die Liquidität gesichert und der Cashflow am Laufen gehalten werden. Es geht um das Dringliche: „Man verdurstet schneller, als dass man verhungert“, umschreibt dies Sascha Haghani, der als Partner und Co-CEO das Geschäft von Roland Berger im deutschsprachigen Raum leitet.

Er rät Unternehmenslenkern zu einer schonungslosen Analyse und zum frühzeitigen Handeln: „Manager sollten in einer solchen Phase nicht um jeden Preis an ihren Plänen festhalten. Manchmal ist es ratsam, die Unternehmensroute zu ändern und die Geschwindigkeit zu reduzieren.“

Doch bei den Sparprogrammen geraten nicht wenige Unternehmen in die Zwickmühle. Investitionen zurückfahren und Zukunftschancen verspielen? Entlassungsprogramme fahren und wertvolle Fachkräfte verlieren? Sich an den Maßnahmen der Finanzkrise von vor zehn Jahren orientieren und dabei die veränderten Grundprobleme übersehen?

Am härtesten müssen derzeit die Manager in der Autozulieferindustrie in Sachen Kostensenkung entscheiden, denn die Branche steckt bereits mitten in der Krise.

Die Krise als Chance zur Neuorientierung

Viele Firmen versuchen, selektiv vorzugehen und nur Projekte zu streichen, die die Innovationskraft nicht schwächen. „Ich halte nichts von Rasenmähermethoden“, sagt ZF-Chef Wolf-Henning Scheider. „Wir haben den Bau einer neuen Chinazentrale in Schanghai vorerst auf Eis gelegt. Den Bau des Forschungszentrums in China ziehen wir aber voll durch.“

Der Autozulieferer Mahle hat die Erweiterung der Firmenzentrale in Stuttgart gestoppt, geht aber noch weiter: 380 von insgesamt 4300 Stellen werden in der Verwaltung gestrichen, ein Werk mit 240 Beschäftigten wird dichtgemacht.

Auch das ist ein beliebtes Mittel in der Krise: Firmen sieben Standorte aus, die schon im Boom Mühe hatten, Geld zu verdienen, oder die Produkte herstellen, die veraltet oder anderswo günstiger herzustellen sind. Bei Continental aus Hannover sind angeblich bis zu neun Werke in Gefahr.

Firmenchef Elmar Degenhart stimmt die Beschäftigten schon mal auf ein dickes Sparprogramm ein und will betriebsbedingte Kündigungen bei dem Autozulieferer nicht ausschließen. „Es hilft nichts, die Dinge schönzureden“, sagt er. Degenhart kennt solche Phasen, er kam 2009 inmitten der letzten großen Wirtschaftskrise an die Spitze von Continental und musste direkt gegensteuern.

Damit hat er anderen Chefs an Erfahrung einiges voraus: „Viele Manager sind in einer Phase CEO geworden, in der es nur konjunkturellen Rückenwind gab“, sagt Roland-Berger-Berater Haghani. „Sie mussten nur das Thema Wachstum managen und haben leider kaum Krisenerfahrungen.“

Jetzt aber müssen sie sich als Schlechtwetterkapitäne in einer schwierigen Konjunkturphase beweisen. Die Erfahrung zeigt, dass viele Manager zu lange mit dem Gegensteuern warten. Bei einer aktuellen Umfrage der Münchener Beratungsfirma H & Z gaben 30 Prozent der Firmen an, die Wahrscheinlichkeit eines Abschwungs nicht zu analysieren – oder dabei allenfalls auf das eigenen Bauchgefühl zu hören.

Notfallpläne in der Schublade

Auf das Bauchgefühl will sich der Laser- und Werkzeugmaschinenhersteller Trumpf nicht verlassen – schon eher auf genaues Monitoring. Alle paar Wochen geht ein Führungsteam die Daten aus dem Auftragseingang und den Geschäften intensiv durch, analysiert die Lage der großen Kunden in aller Welt und bewertet Risiken neu.

Trumpf hat für sich mehrere Stufen einer Bedrohungslage beschrieben und passende Notfallpläne in der Schublade. Derzeit spüren die Schwaben eine aufziehende Konjunkturkrise, belassen es aber noch beim Abbau von Überstunden.

Wer aber zunächst die Probleme ignoriert und dann in Panik gerät, der kann der Firma langfristig Schaden zufügen. Mehrere Untersuchungen zeigen: Erfolgreiche Unternehmen haben die Krise als Chance für eine strategische Neuorientierung genutzt.

„Eine Rezession ist die beste Gelegenheit, um Konkurrenten zu überholen, denn jetzt werden die Karten neu gemischt“, sagt Christian von Dewitz, Partner bei der Managementberatung Bain. Seit der letzten Rezession im Zuge der Finanzkrise ist zu erkennen: Erfolgreiche Firmen haben den Rotstift an den richtigen Stellen angesetzt, ihre Gewinnschwelle schnell gesenkt, aber dennoch weiter in strategische Wachstumsbereiche investiert.

Dazu kommt: Sie haben zum richtigen Zeitpunkt wieder auf Wachstum geschaltet und Übernahmen gewagt, als die Kaufpreise noch im Keller waren. „Der Abschwung schafft oft überraschend neue Möglichkeiten“, lautet auch die Erfahrung von Christian Ketels, dem Chefökonomen der Beratungsfirma Boston Consulting Group.

BCG nennt als Positivbeispiel die Kreditkartenfirma American Express. Sie war während der Finanzkrise 2008 in Bedrängnis geraten, weil Konsumentenkredite platzten und die Verbrauchernachfrage schwand. Doch die US-Firma reagierte weitsichtig.

Nachdem sie ihre Kosten reduziert und Beteiligungen jenseits des Kerngeschäfts veräußert hatte, um den Abschwung zu überleben, konzentrierte sie sich auf neue Partnerschaften. Hinzu trat ein Fokus auf digitale Lösungen. Lohn des Umbaus: Seit März 2009 hat sich der Börsenkurs mehr als verzehnfacht.

Welche Digitalisierungsprojekte lohnen sich finanziell?

Mit Spannung blicken Experten darauf, wie die Unternehmen in der konjunkturellen Schwächephase mit dem Thema digitale Transformation umgehen. Im Boom der vergangenen Jahre haben die Firmen viel Geld über die verschiedensten Initiativen verteilt. Ohne großen Kostendruck wurde nicht ernsthaft geprüft, welche Digitalisierungsprojekte sich finanziell lohnen.

Das dürfte sich nun ändern, auch wenn die meisten Unternehmen aktuell noch gute Gewinne einfahren und deswegen Spielraum haben. „Ich gehe davon aus, dass die Unternehmen nun auch einige Projekte zur digitalen Transformation auf den Prüfstand stellen werden“, sagt Berater Haghani. „Die Frage lautet: Nice to have or need to have?“

Grundsätzlich sollten die Firmen dieses Thema aber mit Vehemenz vorantreiben. „Wer bei der Digitalisierung nicht auf der Strecke bleiben will“, warnt BCG-Ökonom Ketels, „sollte weiterhin an der langfristigen Strategie festhalten und dort investieren.“

Als leuchtendes Beispiel gilt hier der Silicon-Valley-Gigant Apple. Mitten in der US-Rezession 2001, die dem Konzern einen Umsatzeinbruch von 33 Prozent bescherte, brachte Apple den ersten iPod auf den Markt. Von der Krise unbeirrt baute der IT-Konzern sein Produktsortiment radikal um, investierte in Innovationen und erhöhte die Forschungsausgaben im zweistelligen Prozentbereich.

In der Folge eröffnet 2003 der iTunes-Music-Store, ein Jahr später folgte ein verbessertes iPod-Modell. Apple legte damit die Grundlage für seinen späteren Erfolg. Eines sollten die Konzernchefs nicht aus den Augen verlieren: Sinken in der Krise die Firmenbewertungen, werden gerade die Unternehmen, die als verschlafen gelten, rasch zum Ziel von Hedgefonds.

Bevor Manager zu Getriebenen werden, sollten sie besser selbst die Treiber beim Firmenumbau sein. Auch hier ist ein schonungsloser Blick gefragt. BCG-Ökonom Ketels rät: „Denken Sie selbst wie ein aktivistischer Anleger!“