Das sagt Twitter zu den Lockerungen im Lockdown
Bis zum 28. März wird der Lockdown fortgesetzt, allerdings gibt es bis dahin bereits zahlreiche Öffnungsmöglichkeiten – abhängig von regionalen Infektionszahlen. Die Beschlüsse sind dabei kleinteilig bis unübersichtlich, was sich auch in den Reaktionen auf Twitter spiegelt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht mit „berechtigten Hoffnungen“ in die Zukunft, warnte nach der neunstündigen Bund-Länder-Beratung am Mittwoch aber auch vor zu großer Sorglosigkeit im Umgang mit möglichen Lockerungen.
Diese Zwiespältigkeit drückt sich auch in dem beschlossenen Fahrplan für die kommenden Wochen aus. Der ist nicht nur in fünf Zwischen- und mehrere Unterschritte eingeteilt, sondern beinhaltet auch eine Notbremse. Die stoppt sämtliche Erleichterungen ab einer Inzidenz von über 100 sofort.
Lockerungen abhängig von regionalen Entwicklungen
Auch wenn der Fahrplan diffus wirkt, ist er damit Ausdruck des Föderalismus. Oder anders gesagt: Ein Kompromiss, den die Ministerpräsident*innen der Bundesländer erstritten haben.
Die Inzidenzwerte unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland, noch viel stärker von Landkreis zu Landkreis. Zwei Kreise etwa weisen aktuell eine 7-Tages-Inzidenz von über 250 Infektionen pro 100.000 Einwohner*innen auf, die allermeisten der 412 Kreise in Deutschland liegen aber zwischen 50 und 100. Manche darunter.
Mit dem neuen Fahrplan ist es möglich, kleinteilig auf regionale Unterschiede zu reagieren und politisch Lockerungen oder Verschärfungen durchzusetzen.
Lockerungen trotz ansteckender Virus-Variante
Dennoch verstehen viele die neu ausgegebenen Inzidenz-Ziele nicht: Lange hat die Politik einen Wert von 35 als Voraussetzung für Lockerungen gepredigt. Es sah auch so aus, als könnte in Deutschland diese Zahl – wenn auch langsam – mit dem Lockdown flächendeckend erreicht werden.
Doch spätestens mit Aufkommen der im Vergleich zum Wildtyp weitaus ansteckenderen Virus-Variante B.1.1.7. steigt die Inzidenz wieder generell, mancherorts sogar stark. Und die Variante breitet sich weiter aus, sie dürfte bald schon für die Mehrzahl der Neuinfektionen verantwortlich sein.
Hingegen steigt die Impfquote nur langsam, derzeit sind 5,5 Prozent der Bevölkerung einmal und 2,7 Prozent zweimal geimpft worden. Dass die Politik jetzt dennoch Lockerungen beschlossen hat, können viele Menschen nicht nachvollziehen. Und sie drücken das – manche mit mehr, andere mit weniger Augenzwinkern – so auch auf Twitter aus.
Karl Lauterbach mahnt
Dazu zählt SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach. Der Chefmahner von Twitter, wie man seine öffentliche Rolle in der Pandemie bezeichnen könnte, ist „insgesamt sehr besorgt“. Denn er glaubt, dass mit den Beschlüssen die dritte Infektionswelle langsam anlaufen wird und es sich bei den Lockerungen nur um ein „Intermezzo“ handelt. Das werde spätestens Anfang April beendet sein. Dann, hofft er, gebe es zwar Selbsttests zu kaufen. Die Wochen bis dahin würden aber viele Covidfälle kosten und der Wirtschaft wenig bringen.
(1) Hier die Beschlüsse in der Übersicht. Gut ist: Impfintervalle strecken, Astra für Ältere. Auch gut: freie Schnelltests kommen. Die Teststrategie in Schulen und Betrieben ist aber unklar, weil die nötigen Schnelltests noch fehlen. Insgesamt bin ich aber sehr besorgt, weil: pic.twitter.com/zkQI87x2xq
— Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) March 3, 2021
Andere setzen sich weniger differenziert mit den Beschlüssen von Bund und Ländern auseinander, sie kritisieren eher die Denkweise hinter dem Anheben des kritischen Inzidenzwerts.
Die Ziel-Inzidenz von kleiner 35 aufzugeben und jetzt auf kleiner 50 oder sogar auf kleiner 100 anzuheben, ist genauso blödsinnig, wie die Grenzwerte für den Cholesterinspiegel anzuheben, nur weil man keine Lust mehr hat, seine Ernährung umzustellen. #MPK
— Dr. Christian Lübbers (@drluebbers) March 3, 2021
Komplizierte und unübersichtliche Regelungen
Die meisten arbeiten sich dabei eher an dem diffusen Fahrplan ab:
Ministerpräsidenten Konferenz 2044:
„Unter einer Inzidenz von 2000 kann die Aussengastronomie mit Terminvergabe an geraden Sonntagen geöffnet werden. Nur ein Gast auf 800 qm. Ausschließlich vegane Speisen, kein Alkohol. Maximal eine halbe Person pro Haushalt!“— 𝔾𝕖𝕙𝕖𝕚𝕞𝕣𝕒𝕥🦠👀𝔽𝕣𝕖𝕒𝕜𝕠𝕦𝕥™️ (@Doktor_FreakOut) March 3, 2021
Oder:
Ich fasse zusammen:
Bei Inzidenz unter 50 dürfen Döner Läden öffnen, wenn sie rote Gartenstühle haben und sich im Landkreis mindestens 70 Personen bei Aldi um die 1 Packung Selbsttest geprügelt haben. Bei Inzidenz über 100 schließen automatisch die Flussschleusen an der Elbe.— MiRAbelle (@MamaSuiGeneris) March 4, 2021
Und:
Bei einer Inzidenz von 42 dürfen 3 Menschen aus 4 Haushalten 1 Gartenmarkt eröffnen, wenn der Frisör mehr als 20qm pro 100.000 Einwohner als Geschäftsfläche in einem Neubau anbietet, außer es sind Paare.
— Mark Lane (@rst_fn0rd) March 4, 2021
Die kommenden Wochen werden nun zeigen, wohin die Entscheidungen führen und ob die Maßnahmen mit Notbremse ausreichen, um eine dritte Infektionswelle aufzuhalten. Überzeugt sind davon die wenigstens auf Twitter.
MPK: Wir lockern erst bei Inzidenz 35
Realität: 35 wird nicht erreicht.
MPK: Ok, lockern bis 50, denn wir haben Impfungen
Realität: Zu langsames Impfen.
MPK: Ok, bis 100, weil neue Schnellteststrategie
Realität: Keine Schnelltests.
MPK: Egal wir lockern trotzdem
Realität: pic.twitter.com/gK0d6aFS1m— Brain Drain (🏡 & 🚶.......🚶) (@braindrain21) March 3, 2021
VIDEO: Spahn zu Corona-Lockerungen: "Ringen um die richtige Balance"