Werbung
Deutsche Märkte schließen in 7 Stunden 3 Minuten
  • DAX

    18.041,34
    +124,06 (+0,69%)
     
  • Euro Stoxx 50

    4.971,57
    +32,56 (+0,66%)
     
  • Dow Jones 30

    38.085,80
    -375,12 (-0,98%)
     
  • Gold

    2.358,30
    +15,80 (+0,67%)
     
  • EUR/USD

    1,0748
    +0,0015 (+0,14%)
     
  • Bitcoin EUR

    59.929,78
    +310,54 (+0,52%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.389,83
    -6,71 (-0,48%)
     
  • Öl (Brent)

    83,86
    +0,29 (+0,35%)
     
  • MDAX

    26.267,10
    +223,92 (+0,86%)
     
  • TecDAX

    3.304,85
    +38,09 (+1,17%)
     
  • SDAX

    14.273,92
    +278,15 (+1,99%)
     
  • Nikkei 225

    37.934,76
    +306,28 (+0,81%)
     
  • FTSE 100

    8.119,07
    +40,21 (+0,50%)
     
  • CAC 40

    8.045,85
    +29,20 (+0,36%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.611,76
    -100,99 (-0,64%)
     

In China bahnt sich ein Börsengang der Superlative an

Der Börsengang des chinesischen Fintech-Konzerns Ant Group rückt näher. Das könnte die Spannungen zwischen China und den USA weiter verschärfen.

BRAZIL - 2020/07/26: In this photo illustration the Ant Financial Services Group logo seen displayed on a smartphone. (Photo Illustration by Rafael Henrique/SOPA Images/LightRocket via Getty Images)
Der chinesische Fintech-Konzerns Ant Group (Bild: Rafael Henrique/SOPA Images/LightRocket via Getty Images)

Es könnte der größte Börsengang aller Zeiten werden: Der Finanzdienstleister Ant Group aus dem Hause Alibaba plant Insidern zufolge ein Doppellisting an den Börsen in Hongkong und Schanghai, das mehr als 20 Milliarden Dollar frisches Kapital einbringen würde.

Bei der chinesischen Wertpapieraufsichtsbehörde wurde der entsprechende Antrag für den geplanten Börsengang veröffentlicht. Marktkenner rechnen damit, dass es schon im September losgehen könnte. Es wäre das erste Mal, dass ein chinesisches Tech-Unternehmen mit dieser Größenordnung nicht an die bekannten Börsen in den USA geht.

WERBUNG

Laut Medienberichten soll das von Jack Ma gegründete Unternehmen, das hinter dem Bezahldienst Alipay steckt, eine Bewertung von 200 Milliarden US-Dollar anstreben. Bei seiner letzten großen Finanzierungsrunde im Jahr 2018 wurde der Wert des Unternehmens auf 150 Milliarden US-Dollar geschätzt. Ant könnte bis zu 15 Prozent seiner Anteile anbieten – und damit das Einspielergebnis von Saudi Aramco beim bislang größten Börsengang der Welt übertreffen.

US-Wahl: Worauf sich Deutschland in der Wirtschaftspolitik einstellen muss

Der IPO ist auch Ausdruck der Spannungen zwischen den USA und China. In der Vergangenheit haben chinesische Tech-Unternehmen die New Yorker Börse als den prominenteren und unkomplizierteren Finanzplatz vorgezogen.

Auch der Onlinehändler Alibaba hatte in den USA debütiert. Doch nachdem die US-Regierung immer stärker gegen chinesische Firmen vorgeht, hatte es zuletzt mehrfach Zweitnotierungen in Hongkong gegeben.

Zwei Giganten teilen den Markt

Weixin oder Zhifubao? Ob man in China die Taxifahrt, die Radwerkstatt am Straßenrand oder das Essen im Sternerestaurant bezahlen will – immer gibt es diese zwei Möglichkeiten: Seine Rechnung begleicht man in dem 1,4-Milliarden-Einwohner Land per QR-Code – entweder per Weixin (sprich: Wei-Chin oder Englisch WeChat) oder per Zhifubao (sprich Dschifubao oder Englisch Alipay).

Die beiden Zahlungsdienstleistungsunternehmen Tencent und Ant Group, die hinter WeChat und Alipay stecken, haben Chinas Milliarden-Markt für mobiles Zahlen fast komplett unter sich aufgeteilt.

Ant Group will sich für den harten Wettbewerb auf dem umkämpften Markt nun frisches Geld an der Börse holen. Wann genau das Unternehmen starten will, darüber gibt es noch keine genaueren Angaben. Das chinesische Wirtschaftsmagazin Caixin zitierte jüngst einen Insider damit, dass es schon im September oder Oktober so weit sein könnte.

Europa und die USA: Eine mühsame Annäherung

Beraten wird das Unternehmen dabei laut der Veröffentlichung auf der Webseite der Chinesischen Wertpapieraufsicht von den beiden einheimischen Investmentbanken CICC und CSC Financial. Auch die großen Wall-Street-Häuser dürften sich Hoffnungen machen, noch ein Stück vom großen Kuchen abzubekommen.

Ant wurde im Jahr 2004 unter dem Namen Alipay von Jack Ma als Zahlungsabwickler für dessen Onlinehandelsunternehmen Alibaba gegründet. Im Jahr 2011 löste Ma Alipay aus Alibaba heraus in ein eigenes Unternehmen, das er selbst kontrollierte.

Das Unternehmen mit Hauptsitz im ostchinesischen Hangzhou strebt nun ein Listing an der Hongkonger Börse und am sogenannten Star Market in Schanghai an. Alibaba, der ehemalige Mutterkonzern von Ant, hatte bei seinem Börsengang im Jahr 2014 noch prestigeträchtig New York als Standort gewählt.

Börsengang im US-China-Konflikt

Dass sich Ant nun offenkundig anders entscheidet, spiegelt das schwierige Umfeld wider, dem sich chinesische Unternehmen durch die US-Regierung ausgesetzt sehen. Erst in der vergangenen Woche hatte US-Finanzminister Steven Mnuchin angekündigt, dass Firmen aus der Volksrepublik, die sich nicht an US-amerikanische Bilanzierungsregeln halten, bis Ende nächsten Jahres von der Börse genommen werden müssen.

Der US-Senat hatte zudem im Mai einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der IPOs von chinesischen Firmen in den USA erschwert. Nach diesem Gesetz müssten ausländische Unternehmen einen Nachweis darüber bringen, dass sie nicht im Besitz oder unter der Kontrolle ausländischer Regierungen sind, bevor sie an einer US-Börse gelistet werden können.

Daraufhin hatten mehrere in den USA gelistete chinesische Firmen eine Zweit-Listung in Hongkong in die Wege geleitet, etwa der E-Commerce-Riese JD.com und das IT-Unternehmen Netease.

Mit dem Listing in Schanghai stärkt Ant den Star Market, was bei der chinesischen Regierung gut ankommen dürfte. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hatte die Einrichtung der Technologiebörse inmitten des Handelsstreits mit den USA vor rund zwei Jahren angeordnet.

Chinesische Tech-Unternehmen sollen an der Technologiebörse leichter an Geld kommen. Und die Wirtschaft der Volksrepublik soll so unabhängiger von den USA werden. Ants Börsengang könnte dem Finanzplatz zusätzlichen Auftrieb geben.

Trump: USA haben geplante Handelsgespräche mit China abgesagt

“Es ist wie Apple im Nasdaq zu haben”, sagte Fred Hu, Gründer der Pekinger Primavera Capital Group, die in Ant investiert ist, gegenüber dem “Wall Street Journal”. Ants Börsengang in seiner Heimat werde einen riesigen Schub für die Börse geben und gleichzeitig Hongkongs Status als globalen Finanzstandort stärken. Der Star Market habe Unternehmen einen besseren Zugang zu den Kapitalmärkten ermöglicht, sagte Eric Jing, Executive Chairman der Ant Group.

Ant hat eine illustre Geschichte. Die Herauslösung aus dem Alibaba-Imperium führte 2011 zu einem heftigen Streit mit dem damals größten Anteilseigner Yahoo. Das Unternehmen hatte sich nicht ausreichend informiert gefühlt. Ma rechtfertigte den Spin-Off damals damit, dass es nur durch eine Anpassung der Eigentümerstruktur möglich gewesen sei, die Anforderungen der chinesischen Regierung zur Erlangung einer Banklizenz zu erfüllen. Die Unternehmen einigten sich später.

Jack Ma hat auch heute noch den kontrollierenden Einfluss auf das Unternehmen. Alibaba hält ein Drittel der Anteile an Ant, weitere 50 Prozent werden von den Unternehmen Junhan und Junao gehalten. Im aktuellen Jahresbericht von Alibaba steht, dass Jack Ma die Stimmrechte über diese Anteile ausübt.

Laut dem Marktforschungsunternehmen Analysys haben Tencent und Ant Group einen Anteil am Markt für mobile Zahlungsdienstleistungen in China von fast 94 Prozent. Ant hält dabei den Löwenanteil mit rund 55 Prozent, Tencent 39 Prozent. Die “digitale Brieftasche” von Alipay gemeinsam mit seinen Partnern umfasst laut Unternehmen weltweit 1,3 Milliarden Nutzer.

Der Konzern erhofft sich vom Börsengang, mehr Geld zur Verfügung zu haben, um die Digitalisierung der Dienstleistungsindustrie in China voranzutreiben. Zudem wolle das Unternehmen damit seine Internationalisierung vorantreiben und die Investitionen in Technologie und Innovation erhöhen. Bislang richtet sich das Unternehmen vor allem an chinesische Touristen, die außerhalb Chinas shoppen gehen.

In Deutschland etwa können chinesische Kunden bei DM-Drogeriemärkten mit Alipay bezahlen. Die Produkte des Unternehmens sind bei chinesischen Verbrauchern sehr beliebt. In anderen Ländern kooperiert Ant auch mit lokalen Anbietern, wie dem Zahlungsdienstleister Kakao in Südkorea oder True Money in Thailand.

Wachstum ohne Ende

Der Markt für Zahlungsdienstleistungen in China wächst zwar noch immer, allerdings deutlich langsamer als noch vor ein paar Jahren. Laut dem Marktforschungsunternehmen Analysys betrug die Wachstumsrate zwischen 2016 und 2017 noch mehr als 200 Prozent, zwischen 2018 und 2019 lag sie nur noch bei 20 Prozent.

Um weiter zu wachsen, will Ant laut eigenen Angaben nicht mehr nur Partner von Finanzdienstleistern, sondern künftig auch eine Plattform für Unternehmen aus dem nicht-finanziellen Bereich sein.

“Der Dienstleistungssektor in China befindet sich noch im Anfangsstadium der digitalen Transformation”, sagte Simon Hu, CEO von Ant, “und das bedeutet, dass er ein riesiges ungenutztes Potenzial hat.”

Ant hat sich vorgenommen, die 40 Millionen Dienstleistungsunternehmen in China an seine Plattform zu binden. Der Konzern bietet dabei nicht nur die Abwicklung von Zahlungen durch Alipay an, sondern etwa auch Unterstützung beim Marketing. Ant verdient zum einen Geld mit diesen Dienstleistungen, auf der anderen Seite erhöht sich aber auch die sogenannte “stickiness”, also die Zeit, die der Nutzer auf der App verbringt.

USA: Ehemaliger Mitarbeiter von US-Geheimdienst wegen Spionage für China angeklagt

Ähnlich wie der WeChat-Konzern Tencent hat Ant Group Alipay in den vergangenen Jahren immer mehr zu einer One-App-for-All ausgebaut. Inzwischen kann man mit der App nicht nur Zahlungen transferieren. Andere Unternehmen nutzen das Programm auch, um darüber ihre Produkte zu vertreiben, etwa Restaurants, Essenslieferdienste oder Supermärkte. Ähnlich wie bei WeChat muss der Nutzer die App nicht mehr verlassen.

Anders als bei WeChat hat es Alipay allerdings bislang nicht geschafft, sich als Social-Media-Player zu etablieren. Ein Versuch im Jahr 2016 schlug fehl. Das Unternehmen installierte eine Funktion namens “Circle”, die es Nutzern ermöglichte, Fotos und andere Beiträge mit Freunden zu teilen. Doch die Funktion entwickelte sich schnell zu einer Art Verkupplungstool und stieß auf große Kritik.

Unter Beobachtung – auch zu Hause

Wie alle Unternehmen in China, die im Bereich der Finanzdienstleistungen arbeiten, steht auch Ant unter besonderer Beobachtung der chinesischen Aufsichtsbehörden. Im Jahr 2017 untersagten es die Regulierer, dass Zahlungsdienstleister wie Ant Group weiterhin das Geld, das ihre Kunden in ihren digitalen Börsen hielten, für Investments nutzen. Stattdessen sollte es zu Nullzinsen bei chinesischen Staatsbanken geparkt werden.

Wohl auch um aus der Schusslinie zu treten, betont das Unternehmen inzwischen stets, dass es vor allem ein Technologieunternehmen ist. Erst im Juli benannte es sich von Ant Financial Group zu Ant Technology Group um. Auf seiner Webseite nutzt es die Kurzform Ant Group.

VIDEO: Spannungen zwischen China und USA nehmen zu