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Europa und die USA – Eine mühsame Annäherung

Das Wahlprogramm der Demokraten lässt auf eine Wiederbelebung der transatlantischen Partnerschaft hoffen. Doch selbst wenn Trump geht – viele Streitthemen bleiben.

Auch wenn Trump geht, bleiben viele Konfliktfelder bestehen. Foto: dpa
Auch wenn Trump geht, bleiben viele Konfliktfelder bestehen. Foto: dpa

Das Europakapitel findet sich am Ende des Wahlprogramms, auf Seite 78, hinter den Absätzen zu Afrika und Asien. Außenpolitik spielt im US-Wahlkampf selten eine Schlüsselrolle, innenpolitische Themen dominieren, gerade in diesem Jahr, in dem die USA pandemiegeschwächt und demoralisiert von einer Krise in die nächste taumeln.

Auf die erste Coronawelle folgte der Protest gegen Polizeigewalt und Rassismus; auf die zweite die Angst um Wahlmanipulation durch den Machthaber im Weißen Haus.

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Die Sorge um das transatlantische Verhältnis wird die Wahl zwischen Präsident Donald Trump und seinem demokratischen Herausforderer Joe Biden nicht entscheiden, so viel ist sicher.

Gerade deshalb aber ist der europapolitische Teil des Wahlprogramms so bemerkenswert, das die Demokratische Partei diese Woche auf Bidens virtueller Nominierungsfeier offiziell verabschieden will. Das Europakapitel bietet mehr als die übliche Partnerschaftslyrik. Es ist ein Versöhnungsversuch nach den Zumutungen der Trump-Ära – und eine Offerte für eine neue Zusammenarbeit.

Donald Trump wisse nicht oder habe vergessen, wer Amerikas Verbündete seien, schreiben die Demokraten: „Er betrachtet Europa als Feind – nicht als Freund. Er betrachtet Wladimir Putins Russland als strategischen Partner – nicht als strategischen Rivalen. Er betrachtet antieuropäische, rechtsextreme Nationalisten als politische Verbündete – nicht als destruktive Antagonisten.“

Dagegen unterstreicht die demokratische Partei, „dass ein vereintes, demokratisches und wohlhabendes Europa vital für die Vereinigten Staaten ist“.

Und sie verspricht: „Die Demokraten werden die transatlantische Partnerschaft neu beleben, um die Schäden der Trump-Ära zu beheben und den Risiken einer breiteren strukturellen Divergenz zwischen den USA und Europa vorzubeugen.“ Die transatlantische Kooperation sei entscheidend, „um jede globale Herausforderung zu bewältigen, der wir gegenüberstehen“.

Sollte Biden seinen derzeitigen Vorsprung in den Umfragen halten und die Wahl gewinnen, wird die Erleichterung in Europa groß sein. Vor allem in Berlin, wo sich aufgrund amerikanischer Sanktionsdrohungen gegen deutsche Firmen besonders viel Frust aufgestaut hat.

Eine demokratische Regierung würde gegenüber den Europäern in Vorleistung gehen, sich wieder zu den Pariser Klimazielen bekennen und versuchen, dass Atomabkommen mit dem Iran zu retten, sagt Tyson Barker, stellvertretender Direktor des Aspen-Instituts in Berlin. Auch der von Trump angeordnete Abzug amerikanischer Truppen aus Deutschland würde hinterfragt werden. „Aber Biden wird auch Forderungen stellen“, betont Barker.

Nicht alle Differenzen werden aus der Welt sein, wenn Trump abgewählt wird, wichtige Streitthemen bleiben. Die Auseinandersetzung um die Ostseepipeline Nord Stream 2, der Umgang mit den Machtambitionen Chinas, die Debatte um den deutschen Verteidigungshaushalt und wohl auch die Kontroverse über die Exportüberschüsse der Bundesrepublik: all diese Konflikte werden Europäer und Amerikaner weiter beschäftigen. Im Ton werden die Demokraten konzilianter sein, in der Sache aber kaum weniger entschieden.

„Berlin muss Angebote machen“

„Wir sollten ebenfalls programmatisch-inhaltliche Angebote machen“, schlägt Peter Beyer, Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung und CDU-Bundestagsabgeordneter, im Gespräch mit dem Handelsblatt daher vor. Europa sollte eine neue Initiative für Freihandelsabkommen mit den USA starten, speziell die Bundesrepublik sollte mehr Führungswillen in der Außenpolitik zeigen. Zugleich warnt Beyer davor zu glauben, die Wahl sei schon entschieden: „Es wird knapp. Und selbst wenn Biden am Ende als Sieger feststeht, wird er sich zunächst primär um den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes kümmern müssen.“

Immerhin aber biete das Wahlprogramm die Basis für eine Zusammenarbeit – „und damit für etwas, das derzeit ja praktisch nicht mehr stattfindet“, sagt Beyer.

Die Sehnsucht nach einer Normalisierung des Verhältnisses ist stark. Die Resonanz, auf die die Parteitagsrede der früheren First Lady Michelle Obama am Dienstagmorgen in deutschen Medien stieß, hat das eindrucksvoll belegt. Die Obama-Jahre erscheinen im Rückblick geradezu als Blütezeit der transatlantischen Beziehungen, auch wenn es schon damals heftige Kontroversen gab.

Obama beschimpfte die Europäer als sicherheitspolitische „Trittbrettfahrer“, beklagte das deutsche Spardiktat in der Euro-Krise und verschob den Fokus der US-Außenpolitik nach Asien. Doch in Erinnerung ist vor allem der wehmütige Abschied geblieben.

Aus dem anfangs kühlen Verhältnis zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Präsident Barack Obama entwickelte sich politische Freundschaft. Als sich die beiden kurz vor Trumps Amtsantritt ein letztes Mal in Berlin trafen, meinte Obamas Berater Ben Rhodes eine Träne in Merkels Auge erkannt zu haben.

Nur: Die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen, die Trump-Ära sich nicht ungeschehen machen. Bei aller Scham über das Verhalten des derzeitigen Präsidenten, bei aller Demut angesichts der gewaltigen innenpolitischen Herausforderungen und der eigenen Zerrissenheit – auch ein demokratisch regiertes Amerika wird sich vor Europa nicht in den Staub werfen und um Verzeihung bitten. Biden hat Erwartungen an die Europäer. Insbesondere was den Umgang mit autoritären Regimen angeht.

Im Wahlprogramm der Demokraten heißt es: „Wir glauben, dass Europa unser natürlicher Partner bei der Bewältigung jener Problemfelder ist, in denen wir im Wettbewerb mit China stehen, und werden gemeinsam daran arbeiten, Prioritäten, Strategien und Instrumente zu finden.“

Dieses Angebot zur Zusammenarbeit ist zugleich eine Aufforderung, sagt Franziska Brantner, europapolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag: „Die Demokraten stellen klar, dass sie sich gemeinsam mit Europa China entgegenstellen wollen, um Regeln durchzusetzen und Werte zu verteidigen.“ Hier müsse sich auch die deutsche Politik bewegen, da sich der autoritäre Charakter des chinesischen Regimes verschärft habe, wie derzeit das Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Hongkong zeige.

„Der Umgang mit einem Systemrivalen China muss anders sein als mit einem Handelspartner China: Diese Erkenntnis hat sich im Kanzleramt bisher noch nicht durchgesetzt“, kritisiert Brantner.

Weiterer Ärger um Nord Stream 2

Ein Schlüsselsatz in der Europapassage des demokratischen Wahlprogramms lautet: „Wir werden eine tiefere europäische Integration, stärkere Verteidigungsfähigkeiten und größere Energiesicherheit unterstützen.“ Das ist freundlich formuliert, zeigt aber zum einen, dass die Amerikaner von ihrer Forderung nicht abrücken, Europa müsse mehr zur Schlagkraft der Nato-Allianz beitragen. Und zum anderen, dass es weiter Ärger um Nord Stream 2 geben dürfte.

Denn hinter dem Hinweis auf die „größere Energiesicherheit“ verbirgt sich das Beharren auf einer Politik, die die Abhängigkeit von russischem Gas verringert, nicht verstärkt. Es ist also längst nicht ausgemacht, dass die USA unter Biden von den Sanktionsdrohungen gegen Firmen abrücken, die am Bau der Ostseepipeline beteiligt sind.

Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sieht auch die Bundesregierung in der Pflicht: „Wir können nicht einfach sagen: Trump hat überzogen, und wir machen so weiter wie bisher. Wir können nicht nur eine engere Abstimmung einfordern, wir müssen auch mitmachen.“

Dazu zählt für Schmid, dass die EU bereit sein muss, mehr Verantwortung für außenpolitische Stabilität zu übernehmen und mehr Engagement in Krisensituationen zu zeigen, in Osteuropa genauso wie in Afrika und im Nahen Osten.

Zugleich aber dürfe man nicht kleinreden, was ein Wahlsieg der Demokraten für das transatlantische Verhältnis bedeuten würde. Ein Machtwechsel in Washington würde endlich wieder „normale Kommunikation“ ermöglichen, „auch über strittige Themen“.

Schmid gibt zu bedenken, dass das Amerikabild trotz der enormen Breite der transatlantischen Beziehungen stark vom Präsidenten geprägt werde, viel stärker jedenfalls als vom Kongress. „Da ist durch Trump viel kaputtgegangen“, sagt Schmid. Trump sei der erste Präsident in der US-Geschichte, der den europäischen Einigungsprozess bekämpft habe.

Sicher, auch mit einer demokratischen US-Regierung würde es Kontroversen geben, räumt Schmid ein. Aber: „Mit Biden im Weißen Haus würden Europäer und Amerikaner wieder wissen, dass sie im selben Team spielen.“