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Nervenkampfstoff bei Nawalny nachgewiesen - Merkel fordert Erklärung von Russland

Der russische Regierungskritiker Alexej Nawalny ist nach Untersuchungen eines Spezial-Labors der Bundeswehr mit dem chemischen Nervenkampfstoff Nowitschok vergiftet worden. Das sieht die Bundesregierung nun als “zweifelsfrei” erwiesen an und hat die russische Regierung eindringlich zur Aufklärung des Falls aufgefordert. “Es stellen sich jetzt sehr schwerwiegende Fragen, die nur die russische Regierung beantworten kann und beantworten muss”, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch in Berlin. Sie kündigte an, mit den Verbündeten nun über eine “angemessene” Reaktion zu beraten.

Merkel wählte außerordentlich klare Worte zum Fall Nawalny und machte ihre persönliche Betroffenheit deutlich. “Es sind bestürzende Informationen über den versuchten Giftmord an einem der führenden Oppositionellen Russlands”, sagte sie. “Er sollte zum Schweigen gebracht werden.» Das Verbrechen gegen ihn richte sich «gegen die Grundwerte und Grundrechte, für die wir eintreten”. Sein Schicksal habe weltweite Aufmerksamkeit erlangt. “Die Welt wird auf Antworten warten.”

Das Auswärtige Amt bestellte den russischen Botschafter Sergej Netschajew ein, um Russland dazu aufzufordern, “vollumfänglich und mit voller Transparenz aufzuklären”. Russland müsse die Verantwortlichen ermitteln und zur Rechenschaft ziehen, sagte Außenminister Heiko Maas (SPD).

Das Untersuchungsergebnis könnte die ohnehin schon schwer angeschlagenen Beziehungen zwischen Russland und Deutschland sowie anderen westlichen Staaten noch einmal massiv erschüttern. Ein Nervengift der Nowitschok-Gruppe wurde auch bei der Vergiftung des ehemaligen russischen Doppelspions Sergej Skripal und seiner Tochter Julia im britischen Salisbury 2018 verwendet. Die beiden überlebten nur knapp.

Erneut scharfes Vorgehen möglich

Als Reaktion hatten zahlreiche westliche Staaten russische Diplomaten ausgewiesen. Auch diesmal strebt die Bundesregierung ein abgestimmtes Vorgehen der westlichen Verbündeten an. Das machten sowohl Merkel als auch Maas deutlich. Wie die Reaktion ausfällt, “werden wir auch im Lichte dessen entscheiden, wie Russland sich verhält”, sagte Maas.

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Merkel sprach auch mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier über den Fall, was ebenfalls zeigt, wie hoch sie die Bedeutung einschätzt. Die Bundesregierung informierte auch die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) über den Labor-Befund. Der Konvention für die Ächtung von Chemiewaffen ist auch Russland beigetreten.

Die US-Regierung hat sich “zutiefst beunruhigt” bezeigt. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus, John Ullyot, teilte am Mittwoch auf Twitter mit: “Alexej Nawalnys Vergiftung ist vollkommen verwerflich.” Ullyot verwies darauf, dass Russland das Nervengift Nowitschok in der Vergangenheit eingesetzt habe.

Ullyot kündigte an, die USA würden mit Verbündeten und der internationalen Gemeinschaft zusammenarbeiten, um die Verantwortlichen in Russland zur Rechenschaft zu ziehen - “wohin auch immer die Beweise führen”. Die Russen hätten das Recht, ihre Ansichten friedlich und ohne Angst vor Vergeltung zu äußern.

Nawalny, der am 20. August auf einem Flug in seiner Heimat plötzlich ins Koma gefallen war und zunächst in Omsk untersucht wurde, wird auf Drängen seiner Familie in der Charité behandelt. Die deutschen Ärzte gingen nach einer Auswertung von klinischen Befunden bereits davon aus, dass er vergiftet wurde. Die russische Regierung hatte die Einschätzung als vorschnell bezeichnet.

Die Charité teilte am Mittwoch mit, der Gesundheitszustand von Nawalny sei weiter ernst. Die Symptomatik der nachgewiesenen Vergiftung sei zwar zunehmend rückläufig. Nawalny werde aber weiterhin auf einer Intensivstation behandelt und künstlich beatmet. Mit einem längeren Krankheitsverlauf sei zu rechnen. Langzeitfolgen der schweren Vergiftung seien weiterhin nicht auszuschließen.

Russland kritisiert deutsches Vorgehen

Russland hat das Vorgehen Deutschlands bei den Ermittlungen scharf kritisiert. “Laute öffentliche Erklärungen werden bevorzugt”, teilte das Außenministerium in Moskau russischen Agenturen zufolge am Mittwoch mit. “Die vorhandenen gesetzlichen Mechanismen zur Zusammenarbeit werden völlig vernachlässigt.” Auch der Kreml äußerte sich zu dem Fall. Putins Sprecher, Dmitri Peskow, betonte jedoch, dass Moskau auf die Erklärung aus Berlin zum jetzigen Zeitpunkt nicht “qualifiziert reagieren” könne. Russland sei bereit zu einer Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden, bekräftigte er.

Die Generalstaatsanwaltschaft in Moskau habe bereits eine offizielle Anfrage geschickt, diese sei jedoch nicht beantwortet worden. Auch die Ärzte in Moskau und Omsk hätten einen Austausch von Daten angeboten. Auch darauf gab es Peskows Darstellung nach keine Reaktion. “Wenn das wahre Ziel noch immer eine gründliche Untersuchung durch die Strafverfolgung unter Teilnahme medizinischer Organisationen ist, worauf wir entschieden bestehen, dann rufen wir unsere Partner zu einer vollen Zusammenarbeit und zum Informationsaustausch auf”, teilte auch das Außenministerium mit.

Nawalny wird unter hohen Sicherheitsvorkehrungen in der Charité behandelt (Bild: Abdulhamid Hosbas/Anadolu Agency via Getty Images)
Nawalny wird unter hohen Sicherheitsvorkehrungen in der Charité behandelt (Bild: Abdulhamid Hosbas/Anadolu Agency via Getty Images)

Das Umfeld von Nawalny fühlt sich in seiner Überzeugung bestätigt, dass der Befehl für den mutmaßlichen Giftanschlag von oberster Stelle gekommen sei. “Wer Nawalny im Jahr 2020 mit Nowitschok vergiftet, kann auch gleich ein Autogramm am Tatort zurücklassen”, schrieb Nawalnys Vertrauter Leonid Wolkow auf Twitter und veröffentlichte dabei die Unterschrift Putins.

Beziehungen bereits schwer belastet

Die sehr schnelle und klare Reaktion der Bundesregierung zunächst ohne die engsten Verbündeten zeigt, wie entschlossen sie ist, Russland Grenzen aufzuzeigen. Das hat mit einer Vorgeschichte zu tun. Vor einem Jahr stürzte der Mord an einem Tschetschenen mit georgischer Staatsbürgerschaft in der Nähe des Berliner Regierungsviertels die deutsch-russischen Beziehungen in eine Krise. Die Bundesanwaltschaft erhob Mitte Juni Anklage gegen den mutmaßlichen Täter, der in Untersuchungshaft sitzt. Sie geht davon aus, dass er mehr als einen Monat vor der Tat von “staatlichen Stellen der Zentralregierung der Russischen Föderation” beauftragt wurde. Der Prozess soll am 7. Oktober beginnen.

Daneben ist die Bundesregierung zutiefst verärgert über einen weiteren Fall, mit dem sich die Bundesanwaltschaft derzeit befasst: die bisher größte Cyber-Attacke auf den Bundestag im Mai 2015. Rechner in zahlreichen Abgeordnetenbüros waren damals mit Spionagesoftware infiziert worden, darunter auch Computer im Bundestagsbüro der Kanzlerin. Die Karlsruher Ermittlungsbehörde hat einen internationalen Haftbefehl gegen einen jungen russischen Hacker erwirkt. Ihm wird geheimdienstliche Agententätigkeit und das Ausspähen von Daten vorgeworfen. Merkel hat auch diesen Angriff als “ungeheuerlichen” Vorgang bezeichnet.

Video: Nawalny-Getreue lassen sich nicht einschüchtern