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Big Brother auf dem Vormarsch

Im Kampf gegen Schwerstkriminalität und Terror setzen die Sicherheitsbehörden verstärkt auf digitale Fahndungsinstrumente. Der Einsatz von Gesichtserkennungssoftware boomt regelrecht. Datenschützer reagieren besorgt.

Für Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ist die Sache klar. „Der technische Fortschritt darf bei unseren Sicherheitsbehörden nicht Halt machen. Gute Polizeiarbeit braucht mehr als Personal und Befugnisse. Sie braucht auch gute Ausrüstung und intelligente Technik“, sagte der Minister kürzlich zum Start des Pilotprojekts „Sicherheitsbahnhof Berlin Südkreuz“. Bis mindestens Januar testet dort die Bundespolizei Systeme zur automatisierten Gesichtserkennung.

Da werden Erinnerungen an George Orwells berühmten Überwachungsroman „1984“ und sein darin beschriebenes „Big brother is watching you“ wach. Gerade beim Thema Videoüberwachung und Gesichtserkennung fällt schnell der Name des 1950 gestorbenen Schriftstellers. Und in Berlin bekommt man derzeit eine gewissen Ahnung davon, was technisch in dieser Hinsicht geht.

Eine spezielle Software greift am Bahnhof Südkreuz auf bereits vorhandene Videotechnik zu. Die Anwendung gleicht dann in bestimmten Testbereichen Gesichter von Personen mit einer eigens für die Erprobung erstellten Datenbank aus Lichtbildern Freiwilliger ab. Mit dem Probelauf in Berlin soll herausgefunden werden, ob Überwachungskameras und Computer die Gesichter von Fahrgästen automatisch erkennen können. Ministerium, Bundespolizei und Bundeskriminalamt erhoffen sich damit auch neue Erkenntnisse zur Abwehr möglicher Terrorakte. Mit der Technik soll es demnach möglich werden, Straftaten und Gefahren im Vorfeld zu verhindern. Soweit die Theorie.

In der Praxis gibt es jetzt schon massive Bedenken von Datenschützern gegen digitale Fahndungsinstrumente. Dahinter steht die Sorge, dass die Sicherheitsbehörden all das, was technisch möglich ist, auch einsetzen werden, ohne dass der Gesetzgeber etwaige Risiken angemessen bewertet und dafür ein passendes Regelwerk beschlossen hat. Wie grenzenlos die digitalen Möglichkeiten der Fahnder sein können, zeigt das bereits heute Machbare.

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So setzt das Bundeskriminalamt (BKA) schon seit zehn Jahren die Software „Face-Vacs“ der Firma Cognitec aus Dresden zu Bildervergleichen ein, um Straftäter dingfest zu machen oder Kinderpornografie im Internet aufzuspüren. Die Bundespolizei sowie die Landeskriminalämter können über Schnittstellen auf das Gesichtserkennungssystem (GES) zugreifen. Die Software erlaubt die automatisierte Suche im großen digitalen Datenbestand des polizeilichen Informationssystems Inpol. Im Mai 2016 waren dort laut Angaben der Bundesregierung rund 4.863.000 Fotos von 3.340.330 Menschen gespeichert.

Das enorme Datenvolumen macht die Datenbank offenbar zu einer begehrten Informationsquelle. Jedenfalls hat die Nutzung der Gesichtserkennung durch das BKA in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervorgeht. Die Antwort liegt dem Handelsblatt vor.

Im Jahr 2016 hat das BKA demnach insgesamt 23.064 Recherchen im zentralen Gesichtserkennungssystem (GES) durchgeführt. Die Anzahl der GES-Recherchen sei somit gegenüber dem Jahr 2015 um 37,5 Prozent (16.773) angestiegen, heißt es in der Antwort. Für dieses Jahr rechnet die Bundesregierung damit, dass das BKA noch stärker von dem Gesichtserkennungssystem Gebrauch macht. „Auf Grundlage der Zahlen aus dem ersten Halbjahr 2017 (16.164 GES-Recherchen) ist mit einem weiteren Anstieg der Zahlen – auch im Jahr 2017 – zu rechnen.“

Die Recherche läuft nach einem komplexen Verfahren ab. Damit der Computer gesuchte Menschen erkennen kann, wird ein sogenannter Merkmalsdatensatz (Template) anhand besonderer Merkmale im Gesicht wie zum Beispiel Wangenknochen, Augenhöhlen, Seitenpartie des Mundes berechnet. Der Abgleich mit dem Template anderer Bilder führt dann, wie es das BKA einmal erklärt hat, zu einer nach Identitätswahrscheinlichkeit gestaffelten Trefferliste.

Doch so ganz traut das BKA der Technik aber nicht. Denn geschulte Experten nehmen bei der Gesichtserkennung eine zentrale Rolle ein. Sie nehmen die Ergebnisse der Software noch einmal in Augenschein. Eine Verifizierung erfolgt mittels eines 1:1-Lichtbildvergleichs der infrage kommenden Lichtbilder durch sogenannte Lichtbildsachverständige. Das heißt, jedes einzelne Bild der Trefferliste wird manuell mit der Suchaufnahme abgeglichen.

Datenschützer beruhigt die Prozedur keineswegs. Und auch in der Politik ist man besorgt – vor allem wegen der gestiegenen Zugriffe auf die Gesichtserkennungssoftware.


Kritik von Opposition und Datenschützern

„Dass, was technisch möglich ist, wird auch ausufernd von den Sicherheitsbehörden eingesetzt“, sagte der stellvertretende Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag, Jan Korte, dem Handelsblatt. Und obwohl die Überwachung hierzulande schon auf einem „anhaltend hohen Niveau“ stattfinde, sei zu befürchten, dass sich das angesichts der diversen kürzlich beschlossenen Überwachungsgesetze noch weiter verschärfen werde. „Schon jetzt“, so Korte, „zeichnet sich eine drastische Zunahme von automatisierten Bildabgleichen ab, die nach der kürzlich erfolgten Befugnis zum Aufbau unkontrollierbarer Bilddatenbanken bei den Geheimdiensten ins bodenlose wachsen könnte.“

Die neuen Zahlen zur Nutzung von Gesichtserkennungssoftware durch das BKA alarmieren auch Datenschützer. „Der Anstieg zeigt: Es besteht die Gefahr, dass der biometrische Abgleich von biometrischen Gesichtsmerkmalen schleichend zum Standardverfahren polizeilicher Arbeit wird, ohne dass der Gesetzgeber den Umgang mit dieser Technologie auch nur ansatzweise näher ausgestaltet hätte“, sagte der Hamburger Datenschutz-Beauftragte Johannes Caspar dem Handelsblatt. „Allein das technisch Machbare und die Erleichterung der Polizeiarbeit rechtfertigen einen ungeregelten Einsatz derartig grundrechtlich invasiver Technologien nicht.“

Caspar sieht im Einsatz von Gesichtserkennungssystemen zwar grundsätzlich eine „hilfreiche Maßnahme“, die polizeiliche Ermittlungsarbeit erleichtern und vereinfachen könne. Dies erkläre womöglich auch die steigenden Zugriffszahlen. „Wer könnte ernsthaft gegen die Nutzung von Gesichtserkennungssoftware zur Bekämpfung der Kinderpornographie sein?“ Allerdings sagte Caspar auch, dass sich in der Praxis der Einsatz gerade der Gesichtserkennungstechnologe weit weniger eindeutig gestalte. „Es fehlen häufig am Bestimmtheitsgrundsatz ausgerichtete Eingriffsermächtigungen sowie Vorgaben, die den Bereich von Anlasstaten eingrenzen und Mindestanforderungen an die Verlässlichkeit der Technik vorgeben“, sagte er.

Aus Sicht der Datenschutzbeauftragten des Landes Schleswig-Holstein, Marit Hansen, wäre vor allem ein „umfassender Einsatz der automatisierten Gesichtserkennung problematisch“. Nach geltendem Recht dürfe die Polizei zwar Bildmaterial von Straftaten mit ihren Datenbanken von verurteilten Tätern oder Fahndungsfotos abgleichen. „Aber die weitergehenden Ideen und praktischen Versuche, biometrische Fahndungssysteme mit Videoüberwachung zu koppeln und die Gesichter der vorbeigehenden Menschen zu scannen, sind unverhältnismäßig und nicht vom jetzigen Recht erlaubt“, sagte Hansen dem Handelsblatt. „Damit wäre es nämlich nicht mehr möglich, dass sich unverdächtige Menschen im öffentlichen Raum unerkannt bewegen.“ Mit Gesichtserkennung könnten vielmehr „ihre Aufenthaltsorte oder ihr Weg mitgespeichert werden oder die Personen aus einer Menge herausgepickt werden“.

Hansen spielt damit auf das Pilotprojekt Gesichtserkennung am Berliner Bahnhof Südkreuz an. Den Modellversuch der biometrischen Videoüberwachung sieht auch der Hamburger Datenschützer Caspar kritisch. Vor allem, wenn Passanten betroffen sind, die nicht ausdrücklich eine Einwilligung zu den Aufnahmen erteilt haben. Die Annahme, es bedürfe lediglich eines Hinweises, um sie im Rahmen des Pilotbetriebs rechtmäßig zu erfassen, sei mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht vereinbar, sagte Caspar.

Und er gibt außerdem zu bedenken, dass die „beliebige Auswertung von Bilddateien aus allen erdenklichen Quellen, insbesondere aus den zahllosen Videoüberwachungsanlagen zur Aufklärung auch von Bagatelldelikten nicht mit EU-Richtlinie für den Bereich von Justiz und Inneres vereinbar“ sei. „Danach muss die Verarbeitung biometrischer Daten zur eindeutigen Identifizierung von natürlichen Personen unbedingt erforderlich sein und bedarf geeigneter Garantien für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen“, erläuterte Caspar. Daher seien nicht nur transparente und rechtsstaatliche Verfahren notwendig, sondern auch „klare gesetzliche Regelungen, die eine effiziente Kontrolle in derartig sensiblen datenschutzrechtlichen Bereichen ermöglichen“.


900 Bahnhöfe werden mit über 6000 Videokameras überwacht

Das dürfte kein einfaches Unterfangen sein, zumal die Regeln, nach denen die Polizei in Deutschland arbeitet, schon jetzt keine unverhältnismäßigen Eingriffe zulassen. „Aber was unverhältnismäßig bedeutet, wird von Datenschützern oft anders interpretiert als von Ermittlungsbehörden“, sagte die Datenschützerin Hansen. Sehr kritisch sieht die Expertin denn auch die von der Großen Koalition jüngst beschlossene Änderung des Personalausweisgesetzes, mit der die Zugriffsrechte der Sicherheitsbehörden auf Ausweisbilder stark erweitert wurde.

Zwar betone auch dieses Gesetz, so Hansen, dass eine bundesweite Datenbank der biometrischen Merkmale nicht errichtet werde. „Aber das Risiko einer Rasterung der Bevölkerung bei Kopplung mit Videotechnik besteht auch bei dezentralen Abrufmöglichkeiten, zumal bisher unklar ist, wie lange die Bilder bei den abrufenden Behörden gespeichert bleiben“, warnte die Expertin.

Für bedenklich hält Hansen auch angebliche Pläne des Bundesverkehrsministeriums, Gesichtsverhüllungen im Fahrzeug zu untersagen. Hintergrund dafür ist, dass immer häufiger die Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten automatisiert erfolgt und ein verdecktes Gesicht die Verfolgung erschwert. „Sind das die Mosaiksteine einer überwachten Gesellschaft?“, fragte die Datenschützerin.

Entscheidend dürfte am Ende wohl sein, ob die digitalen Fahndungsmöglichkeiten tatsächlich einen Mehrwert für die Kriminalitätsbekämpfung und also auch für die Sicherheit der Bürger bringen. Mit absoluter Gewissheit lässt sich das nicht sagen. Denn ob etwa die durch das BKA derzeit praktizierte Gesichtserkennung Erkenntnissen erbrachte, die „wesentlich“ zur Aufklärung von Straftaten beigetragen hat, kann die Bundesregierung nicht sagen. Hierzu lägen keine statistischen Zahlen vor, heißt es in der Antwort auf die Linken-Anfrage. Zugleich betont die Regierung jedoch, „dass nur aufgrund des Bildabgleiches frühzeitig erkennbar wird, ob der in Form des kinderpornografischen Bildmaterials dokumentierte sexuelle Missbrauch eines Kindes bereits strafrechtlich verfolgt bzw. aufgeklärt, respektive Täter und Opfer identifiziert wurden“.

Dessen ungeachtet arbeiten die Sicherheitsbehörden weiter an der Verbesserung der Verfahren zur Gesichtserkennung – wie nicht nur das Pilotprojekt im Berliner Bahnhof Südkreuz zeigt. Erst vor wenigen Monaten hat das BKA die Software „Examiner“ getestet. Die Anwendung, die ebenfalls von der Dresdner Firma Cognitec kommt, wurde laut BKA von der Abteilung Polizeilicher Staatsschutz im Bereich internationaler islamistischer Extremismus und Terrorismus im, wie es im Fachjargon heißt, „Probewirkbetrieb“ eingesetzt. Das System gleicht automatisch Gesichter, die per Videoüberwachung erfasst werden, mit Aufnahmen in Datenbanken ab. Ob erfolgreich oder nicht, lässt sich noch nicht sagen. Die Auswertung der Ergebnisse sei noch nicht abgeschlossen, erklärte das BKA auf Anfrage.

Klar scheint jedoch heute schon, dass für die Sicherheitsbehörden diese Art von digitaler Fahndung immer wichtiger werden dürfte. Big Brother ist längst auf dem Vormarsch. So baut etwa Deutsche Bahn in Zusammenarbeit mit dem Bundesinnenministerium und der Bundespolizei ihre Videoanlagen kontinuierlich aus. Derzeit werden Ministeriumsangaben zufolge etwa 900 Bahnhöfe mit über 6.000 Videokameras überwacht. In rund 50 großen Bahnhöfen werden die Videobilder live ausgewertet. Auch die Bundespolizei kann diese Bilder verfolgen. Zugriff auf die aufgezeichneten Videodaten hätten aber „allein die Strafverfolgungsbehörden sowie die Bundespolizei“, betont das Ministerium.

Innenminister de Maizière sieht indes großes Potenzial in den Videomaßnahmen. „Intelligent mit Systemen zur Gesichtserkennung verknüpft, können sie in Zukunft auch ein effektives Fahndungsmittel sein“, sagte er Anfang des Jahres im Bundestag. Und er fügte hinzu: „Wir arbeiten zurzeit daran, noch ist es Zukunftsmusik, aber es ist etwas, was wichtig ist und hilft.“

KONTEXT

Wie die innere Sicherheit gestärkt werden kann

Hintergrund

In seinem Buch "Allein unter Feinden" beschreibt der Jurist und Politik-Ressortleiter beim "Handelsblatt", Thomas Sigmund, warum sich die Deutschen zunehmend unsicher fühlen. Und er listet 15 Vorschläge für ein "Ende der inneren Unsicherheit auf".

Quelle: "Allein unter Feinden? Was der Staat für unsere Sicherheit tut - und was nicht" von Thomas Sigmund.

Quelle: "Allein unter Feinden? Was der Staat für unsere Sicherheit tut - und was nicht" von Thomas Sigmund.

Mehr Videoüberwachung

Jedem Täter muss klar sein, dass die Wahrscheinlichkeit, von der Polizei per Videoaufzeichnung überführt und später abgeurteilt zu werden, sehr hoch ist. Wir brauchen eine verstärkte Videoüberwachung - nicht nur auf Bahnhöfen und öffentlichen Plätzen, sondern auch in Einkaufszentren und bei großen Veranstaltungen.

Einheitliche, moderne IT-Systeme

Die Sicherheitsbehörden, allen voran Polizei und Verfassungsschutz, brauchen schnellstmöglich ein bundesweit einheitliches IT-System, um ihre Fälle konsequent zu bearbeiten. Daten müssen über Ländergrenzen, das gilt in der Kooperation der Bundesländer ebenso wie für die europaweite länderübergreifende Zusammenarbeit, abgeglichen werden können. Neben der adäquaten technischen Ausstattung braucht es auch ganz praktische Hilfen, etwa bei der Schutzausrüstung.

Mehr Konsequenz, höhere Bußgelder

Es braucht keine weiteren Runden Tische im Kampf gegen den Hass in den sozialen Medien. Nötig ist vielmehr, das Telemediengesetz um weitere konkrete Maßnahmen zu ergänzen - und es auch durchzusetzen. Der Staat sollte umgehend empfindliche Bußgelder verhängen, wenn Internetkonzerne ihren Verpflichtungen zum Entfernen rechtswidriger Einträge nicht nachkommen.

Bessere Grenzkontrollen, härteres Durchgreifen, Prognosesoftware

Viele Täter kommen aus Rumänien, Serbien, Polen und Georgien. Stoppen kann man sie nur, indem man wirksame Grenzkontrollen durchführt. Die Grenze und ihr wirksamer Schutz sind ein Teil der rechtsstaatlichen Sicherheitsverantwortung. Das heißt nicht, dass das Schengen-Abkommen ausgesetzt werden muss. Schengen garantiert Freizügigkeit für den rechtstreuen Bürger. Aber Schengen hat nicht die Aufgabe, Freizügigkeit für Kriminelle sicherzustellen. Außerdem muss die Polizei bundesweit die Prognosesoftware "Precobs" einsetzen können, die in der Schweiz und in Teilen Deutschlands bereits erfolgreich angewandt wird.

Prognosesoftware "Precobs"

Keine Nachsicht mehr bei Vandalismus

Es muss nicht unbedingt die Null-Toleranz-Politik aus New York als Blaupause in Deutschland angewandt werden. Doch wenn es um Strafzettel, GEZ-Gebühren oder verspätet abgegebene Steuererklärungen geht, wird auch keine Nachsicht geübt. Mit der gleichen Konsequenz muss man sich auch einen Staat wünschen, der gegen die Flut an Schmierereien und Vandalismus in deutschen Städten angeht. Verordnungen dafür gibt es bereits, sie müssen nur angewandt werden.

Masterplan gegen Internetkriminalität und Cyberkrieger

Der Staat ist den neuen Bedrohungen nicht gewachsen. Die staatlichen Behörden brauchen dringend hoch qualifizierte IT-Mitarbeiter. Wenn die Bezahlung im öffentlichen Dienst ein Abwerben aus der Wirtschaft nicht möglich macht, müssen verstärkt Kooperationen mit den Unternehmen eingegangen werden. Solche Zusammenschlüsse des Staates mit Firmen gibt es bereits, beispielsweise um gegen Geldwäsche, Wirtschaftskriminalität oder internationalen Terrorismus vorzugehen. Darauf lässt sich aufbauen. Und es braucht einen Masterplan, der die richtigen strategischen Akzente und ihre praktische Umsetzung konsequent zusammenführt.

Maßnahmen gegen Hassprediger

Wenn wir den liberalen Rechtsstaat neu ausrichten wollen, um ihn besser zu schützen, müssen wir den Verfassungsschutz stärken. Vor allem aber braucht es einen Ausbau der Präventionsprogramme. Denn junge Menschen sind von den Hasspredigern zu erreichen und der Staat muss der Radikalisierungsgefahr etwas entgegensetzen. Die Integration der jungen Menschen muss oberste Priorität haben, wenn wir nicht in absehbarer Zeit eine unkontrollierbare Anzahl von potenziellen IS-Attentätern bei uns haben wollen. Wenn nur der Ansatz eines Beweises vorliegt, heißt es: Kriminelle ausländische Hassprediger ausweisen, deren Moscheen schließen.

Mehr Präsenz der Polizei, bessere Bezahlung

Die Polizei muss präsenter auf den Straßen sein. Die Bürger sollen sehen, dass Ermittlungs- und Fahndungsdruck erhöht sind. Da es aber Jahre dauern wird, bis die versprochenen neuen Polizeikräfte wirklich eingestellt und ausgebildet sind, brauchen wir eine spürbare Entlastung der Polizei von bürokratischen Aufgaben und solchen, die auch von privaten Sicherheitsdiensten übernommen werden können. Schärfere Gesetze braucht es nicht, die vorhandenen müssen nur besser umgesetzt werden. Was es aber braucht, ist eine Aufwertung - auch finanziell - des Polizeiberufes, damit dieser auch für junge Menschen attraktiv ist.

Härtere Strafen gegen den erodierenden Respekt vor Polizisten

Die Justiz muss den Vorwurf von Polizeigewerkschaftern ernst nehmen, sie verfolge Attacken gegen Staatsbedienstete entweder gar nicht oder viel zu lasch. Deshalb würden viele Angriffe erst gar nicht angezeigt oder würden, wenn doch mal ein Fall vor Gericht landete, als Kavaliersdelikte behandelt. Die Gerichte müssen den Strafrahmen der Gesetze bis zur Neige ausschöpfen. Die bestehenden Paragrafen - angefangen von Beleidigung, Nötigung, Körperverletzung bis hin zum Totschlag bieten ausreichende Strafmaße. Aber die Strafe muss auf dem Fuß folgen. Durch langwierige Verfahren oder kleine Geldbußen verpufft jeder abschreckende Effekt.

Schnelleres Abschieben von Gefährdern

Bund und Länder bekommen die Abschiebungen nicht hin. Daher muss das Kanzleramt das Thema zur Chefsache erklären. Leere Ankündigungen steigern nicht das Vertrauen in den Rechtsstaat, sie untergraben es. Der Staat erscheint schwach, obwohl hier die Bürger laut den Umfragen mehrheitlich Stärke erwarten. Die Länder müssen ausreichend Platz für die Abschiebehaft oder den Ausreisegewahrsam zur Verfügung stellen. Wichtig ist auch eine engere Kooperation zwischen den Landeskriminalämtern und den Ausländerbehörden, die näher dran sind. Die Zuständigkeit für straffällig gewordene Ausländer sollte von der Ausländerbehörde auf die Polizei übergehen. Dann wäre schon viel gewonnen. Der Bund muss am Ende das Recht zur Abschiebung haben.

Europäisches Anti-Terror-Zentrum

Die Biografien der Terroristen zeigen ihre weltweite Vernetzung. Also brauchen wir ein einheitliches europäisches Abwehrzentrum, in dem Daten aus allen EU-Ländern zusammengeführt sind. Der Schlüssel zum Erfolg liegt im Informationsaustausch. Die Forderungen nach einer neuen föderalen Sicherheitsarchitektur mit mehr Kompetenzen für den Bund sind berechtigt. Doch der Wunsch von Bundesinnenminister Thomas de Maizière nach einer Zusammenlegung der Landesämter für Verfassungsschutz ist in der Praxis nicht umsetzbar. Die Länder machen da nicht mit.

Schnell bessere Grenzsicherung der EU

Die gemeinsame Polizeibehörde Frontex ist zwar mit neuen Mitarbeitern und auch mit finanziellen Mitteln gestärkt worden, doch die Zustände in Griechenland und Italien, in denen nach wie vor Tausende Flüchtlinge unkontrolliert anlanden, sind nicht zu tolerieren. Deutschland, aber auch andere Länder wie Österreich, kann sich nicht darauf verlassen, dass das EU-Türkei-Abkommen hält und die Balkanroute geschlossen bleibt. Es bleibt deshalb keine andere Wahl, als auch darüber nachzudenken, die Bundespolizei zur Grenzsicherung einzusetzen. Die Politik braucht einen wirksamen Plan, wie eine solche Aufgabe überhaupt zu bewältigen wäre und welche Ressourcen dafür nötig sind.

Ehrliche Kommunikation

Die Populisten wollen uns glauben machen, wir könnten zurück in eine nationale Welt des 19. Jahrhunderts. Die Wahrheit aber ist: Wir befinden uns in einer globalisierten Welt im 21. Jahrhundert. Da spielen Bedrohungen wie Cyberangriffe, Terror und Wirtschaftsspionage eine überragende Rolle. Das darf kein Geheimnis sein, es muss den Menschen offen gesagt werden. Die deutschen Nachrichtendienste sind im Kampf gegen Terror vor allem auf Informationen aus den USA angewiesen. Sollte es ein nächstes "Handy-Gate" der Kanzlerin oder Ähnliches geben, gehört dies auch zur Wahrheit, die erzählt werden muss.

Gegen Vollverschleierung

Heute bedrohen uns islamistische Krieger, die unsere christlich-abendländischen Werte im Visier haben und unser liberales Gesellschaftsmodell zerstören wollen. Die Politik sollte sich bei der Entscheidung um ein Verschleierungsverbot der Realität stellen: Viele Bürger bringen kaum Verständnis dafür auf, dass sich Frauen mit Burka oder Nikab in staatlichen Gebäuden, im öffentlichen Nahverkehr, Schulen und in Krankenhäusern zeigen.

Für ein modernes Zuwanderungsgesetz

Es ist an der Zeit, dass die deutsche Politik ihre Denkblockaden überwindet. Deren Argumentation, zuerst die Asylpolitik abarbeiten zu wollen und sich dann um alles andere zu kümmern, wirkt wie aus der Zeit gefallen. Der internationale Wettbewerb um hochqualifizierte Arbeitskräfte wartet nicht darauf, dass die Parteien die nordafrikanischen Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklären oder nach einem langen Verfahren abgelehnte Asylbewerber schneller abschieben. Die besten Talente der Welt suchen ihr Glück in der Zwischenzeit anderswo.

KONTEXT

Die Kriminalstatistik im Detail

Straftaten insgesamt

In Deutschland wurden 6,37 Millionen Straftaten registriert. Dies sind 0,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit ereigneten sich 7800 Fälle pro 100.000 Einwohner. Die Aufklärungsquote lag mit 56,2 Prozent etwa auf dem Niveau des Vorjahres.

Täter

Es wurden 2,36 Millionen Tatverdächtige ermittelt. Bei den deutschen Tatverdächtigen wurde ein Rückgang um 3,4 Prozent und bei den nichtdeutschen Verdächtigen ein Anstieg um 4,6 Prozent festgestellt. Der Anteil von Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit erhöhte sich damit auf mehr als 40 Prozent.

Gewalt

Die registrierten Gewaltverbrechen stiegen um 6,7 Prozent auf insgesamt 193.542 Fälle. Zugenommen hat vor allem die gefährliche und schwere Körperverletzung um 9,9 Prozent auf mehr als 140.000 Taten. Fälle von Mord und Totschlag sowie Tötung auf Verlangen legten um 14,3 Prozent auf 2418 Fälle zu, wobei der Anteil der Versuche mit fast 73 Prozent überwiegt. Raubdelikte gingen um 3,7 Prozent auf 43.000 Fälle zurück. Bei Vergewaltigung und sexueller Nötigung wiederum gab es einen Anstieg um 12,8 Prozent auf 7919 Fälle.

Diebstahl

Dominierend waren wie in den Vorjahren die Diebstahlsdelikte, die einen Anteil von 37,3 Prozent an der Gesamtkriminalität haben. Im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl aber um 4,4 Prozent auf 2,37 Millionen Fälle. Unter anderem wurden weniger Autos und Fahrräder entwendet.

Einbrüche

Die Zahl der Wohnungseinbrüche, die zu den Diebstählen zählen, ging zum ersten Mal seit vielen Jahren zurück, und zwar um 9,5 Prozent auf 151.265 Fälle. Bei fast 67.000 Fällen handelte es sich um Versuche. Nur in zwei Bundesländern kam es häufiger zu Einbrüchen: in Sachen und in Sachsen-Anhalt.

Straßenkriminalität

Dieser Bereich macht mit 1,32 Millionen Fällen rund 20,7 Prozent der gesamten Kriminalität aus. Hier gibt es einen Rückgang um 0,9 Prozent auf 12.204 Fälle. So nahmen Taschendiebstähle um zwei Prozent auf fast 165.000 ab.

Betrug

Betrugsfälle sanken um sieben Prozent auf 899.000 Fälle. Deutlich ab nahmen der Überweisungsbetrug mit einem Minus von 24 Prozent und der Tankbetrug mit einem Rückgang um 10,2 Prozent.

Taten gegen die persönliche Freiheit

Die Zahl der Straftaten in diesem Bereich stieg um 3,9 Prozent auf 199.250 Fälle. Mehr als die Hälfte betrafen Bedrohungen, die ebenso wie Nötigungen um mehr als fünf Prozent zunahmen.

Drogen

7,1 Prozent mehr Rauschgiftdelikte wurden registriert. Insgesamt waren es fast 302.600 Fälle.

Wirtschaftskriminalität

In diesem Bereich gibt es einen Rückgang um 5,6 Prozent auf 57.546 Fälle.

Computer und Internet

Im Bereich der Computerkriminalität wurden 107.751 Fälle erfasst. Dies ist eine Zunahme um fast 38.000 Fälle, die zum Teil auf Änderungen der Statistik zurückgeht. Darin einbegriffen ist die Cyberkriminalität im engeren Sinne, deren Fälle sich von 45.793 auf 82.649 fast verdoppelten. Höhere Zahlen gibt es etwa beim Ausspähen und Abfangen von Daten (plus 10,5 Prozent). Zudem gab es 25 Prozent mehr Computersabotage-Taten. Insgesamt bezogen sich 253.000 Straftaten auf das Internet (plus 3,6 Prozent).

Zuwanderer

Die Zahl tatverdächtiger Zuwanderer stieg um 52,7 Prozent auf 174.438. Dazu zählt die Kriminalstatistik Asylbewerber, Menschen mit Duldung, Kontingent- und Bürgerkriegsflüchtlinge oder Personen mit unerlaubtem Aufenthalt, nicht aber anerkannte Flüchtlinge. Bei Taschendiebstählen stellen Zuwanderer einen Anteil von 35 Prozent aller Tatverdächtigen, bei Ladendiebstählen 16,8 Prozent, bei Raubdelikten 14,3 Prozent, bei Vergewaltigung und sexueller Nötigung sowie gefährlicher und schwerer Körperverletzung je 14,9 Prozent.

Politisch motivierte Kriminalität

Politisch motivierte Straftaten erreichten mit mehr als 41.500 Verbrechen einen Höchststand erreicht. Es handelt sich um einen Anstieg um 6,6 Prozent. Die Zahl der Straftaten mit rechter Motivation nahm um 2,6 Prozent auf 23.555 zu, während linksmotivierte Taten um 2,2 Prozent auf 9389 Fälle zurückgingen. Einen drastischen Anstieg gab es bei der politisch motivierten Ausländerkriminalität. Sie nahm um 66,5 Prozent auf 3372 Fälle zu.