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Bestsellerautor Tom Holland: „Joe Biden wird angeschlagen beginnen“

Der britische Historiker beschreibt in seinen Büchern Imperien und Epochenbrüche. Im Handelsblatt-Gespräch deutet er die US-Wahl im historischen Kontext.

Mit seinen zahlreichen Büchern über disruptive Ereignisse hat sich der britische Bestsellerautor Tom Holland in die vorderen Ränge der Historiker geschrieben. Seiner Meinung nach hätten die Demokraten Joe Biden zwar als Politiker der Mitte sowie des Washingtoner Establishments ins Rennen geschickt und mit ihm eine Rückkehr zur Normalität angeboten. Allerdings: Die US-amerikanische Wählerschaft habe Biden kein klares Mandat für seine Präsidentschaft erteilt. Er werde von einem beträchtlichen Teil der Amerikaner als illegitim angesehen. So äußert sich der Schriftsteller im Handelsblatt-Interview.

Die Polarisierung des Landes führt Holland auf die Spannungen zwischen Profiteuren und Verlierern der Globalisierung zurück. Durch die sozialen Medien würden die Konflikte verstärkt. Akademiker und Journalisten, die die Politik erklären, könnten sich nicht mit denjenigen identifizieren, an denen die Vorteile der Globalisierung spurlos vorbeigegangen sind, meint Holland, der Donald Trump mit dem römischen Kaiser Nero vergleicht. Beide hätten sich als Schauspieler auf der Bühne verstanden und die Politik in ein Melodrama verwandelt, in dem sie die Stars sind.

Das vollständige Interview lesen Sie hier:

Was erwarten Sie von Joe Biden als Präsident?
Es ist das Maß für Trumps bösartiges Charisma, dass sein Schatten dunkel sogar über einem siegreichen Biden liegen wird. Die Demokraten hatten mit ihrer Stimme für einen Politiker der Mitte, einen Atlantiker, einen Mann des Washingtoner Establishments Amerika – und auch der Welt – eine Rückkehr zur Normalität angeboten; aber diese Aussicht hat sich nun in Rauch aufgelöst. Biden wird seine Amtszeit angeschlagen beginnen; und schlimmer noch, als ein Präsident, der von einem beträchtlichen Teil der amerikanischen Wählerschaft als illegitim angesehen wird. Die amerikanischen Wähler haben zwar Trump persönlich eindeutig abgelehnt, aber sie scheinen es auch abgelehnt zu haben, den Demokraten so etwas wie ein entscheidendes Mandat zu erteilen.

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Sie spielen auf die Kräfteverhältnisse im Senat an?
Unter der Annahme, dass es den Republikanern gelingt, mindestens einen ihrer Senatssitze in Georgia zu halten, wird Biden in einem ziemlich konstanten Geist des Kompromisses regieren müssen. Er wird auch ständig über die Schulter schauen und einige alarmierende Trends bei den Bürgern beobachten: die massiven Verluste der Demokraten im Repräsentantenhaus, die Aussicht, dass es den Republikanern 2022 noch besser geht, und die unerwarteten Gewinne, die Trump bei Minderheiten erzielt hat.

Wie wird sich Biden von Trump distanzieren?
Ganz einfach: indem er sich so verhält, wie sich US-Präsidenten traditionell verhalten haben. Er wird nicht in den frühen Morgenstunden in Großbuchstaben twittern; er wird keine Kämpfe mit Mitgliedern seiner eigenen Regierung auslösen; er wird nicht auf Kosten der traditionellen Verbündeten der USA um Autokraten werben. An die Stelle von Chaos wird ein Gefühl von Anstand treten; an die Stelle von Störung ein Gefühl der Schläfrigkeit.

Warum hat die gesellschaftliche Spaltung in den USA so zugenommen?
Die aktuelle Polarisierung führe ich auf die Spannungen zwischen Profiteuren und Verlierern der Globalisierung zurück. Wobei die Spannungen, die dadurch entstehen, durch die sozialen Medien verstärkt werden. Sie geben Leuten eine Stimme, die sie sonst nicht hätten. Dadurch erhalten sie die Chance, ihre Unzufriedenheit laut zu äußern.

Fraglich, ob das hilft.
Eigentlich sollten sich Akademiker oder Journalisten über die ungleiche Verteilung der Globalisierungserfolge Sorgen machen. Aber sie haben von ebendieser Globalisierung sowohl ökonomisch als auch kulturell profitiert und unterstützen sie deshalb. Das führt zu einem Paradox: Ausgerechnet diejenigen, die die Politik erklären, können sich nicht mit denjenigen identifizieren, an denen die Vorteile der Globalisierung spurlos vorbeigegangen sind.

Welche Rolle spielt das im politischen Alltag?
Journalisten und Akademiker gehen überwiegend davon aus, dass Trumps Anhänger vor allem weiße Männer sind und dass sich Frauen und Minderheiten von ihm abgewandt haben. Das stimmt offenbar nicht. Denn die Einzigen, die weniger zahlreich als vor vier Jahren für Trump gestimmt haben, sind weiße Männer. Das Paradigma, mit dem man bisher das Phänomen Trump erklärt hat, muss deshalb neu überdacht werden. Es ist falsch.

Sie haben sicher einen besseren Ansatz.
Offenbar ist die fast exhibitionistische Zurschaustellung Trumps, selbst wenn sie ins Komische geht, potenter als nüchterne Analysen. Dazu gehört auch seine Verachtung von Klischees, die außen- und sicherheitspolitische Experten verbreiten. Trump hat mit der traditionellen Politik und derjenigen der Republikaner gebrochen und trampelt auf der Elite herum. Dass er damit bei vielen gut ankommt, begreifen liberale Kreise nicht.

Die USA werden derzeit oft mit dem Römischen Reich verglichen. Welcher Römer kommt Trump am nächsten?
Am ehesten Nero. Er hat sich als Schauspieler auf der Bühne verstanden, genauso wie Trump. Auch er hat die Politik in ein Melodrama verwandelt, in dem er der Star ist. Die Fiktion, das zeigen Nero und Trump, kann dramatischer sein als die langweilige Wirklichkeit. Bei Trump kommt hinzu, dass er ein Geschäftsmann ist, der im Unterhaltungsbusiness berühmt geworden war. Die Matrix Politik-Business-TV-Show ist für die Elite schockierend.

Und wie sehen Sie da Joe Biden?
Natürlich als totalen Gegensatz zu Trump. Wobei mir nicht klar ist, ob er seine zur Schau getragene Nüchternheit nur spielt, um sich von Trump abzugrenzen.

Mit wem in der römischen Geschichte würden Sie Biden vergleichen?
Alle Parallelen zwischen der Gegenwart und der antiken Vergangenheit sind tendenziös – aber ich würde Biden mit dem Kaiser Nerva vergleichen. Der wurde ohne großen Enthusiasmus an die Macht gebracht nach der Ermordung von Domitian, einem neurotischen, oft brutalen Autokraten, der von der senatorischen Elite weithin verabscheut wurde. Nerva war bereits in seinen Sechzigern, als er an die Macht kam, und regierte nur knapp zwei Jahre. Sein Nachfolger Trajan wurde von den Römern als „der beste aller Kaiser“ gefeiert. Ein positives Omen für Kamala Harris vielleicht!