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Warum Beschimpfungen der AfD nur helfen

Mit Provokationen befeuert die AfD ihren Aufschwung. Die restlichen Parteien reagieren mit Beschimpfungen. Schlauer wäre es, sich auf die eigenen Inhalte zu konzentrieren – zum Beispiel in der Wirtschaftspolitik.

Eineinhalb Wochen vor der Wahl ist unter einigen Politikern ein neuer Wettkampf ausgebrochen: Wer beschimpft die AfD am härtesten? Den Aufschlag machte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Er rückte Alice Weidel in die Nähe der Reichsbürger und bezeichnete die AfD als „Lügenpartei“. Kurze Zeit später legte sein Parteikollege Joachim Hermann nach. In einem Welt-Interview warnte er, in der AfD seien „Wölfe unterwegs“. SPD-Vize Ralf Stegner nannte Björn Höcke schließlich einen Nazi.

Scheuer, Hermann und Stegner reagierten mit ihren Beschimpfungen auf die jüngsten Provokationen der AfD. Auf Alexander Gaulands „Entsorgen“-Zitat, das er beim stramm nationalen Kyffhäusertreffen nochmals bekräftigte. Auf die angebliche Mail Alice Weidels, die rassistische und demokratiefeindliche Thesen enthält. Auf Björn Höckes Raunen von einer „kulturellen Kernschmelze“ durch Zuwanderung, von der er bei einem Auftritt in Berlin am Wochenende sprach.

Natürlich: Solche Äußerungen sind schwer zu ertragen. Aber wer auf sie mit Beschimpfungen reagiert, verfehlt sein Ziel. Scheuer, Hermann und Stegner wollten die AfD attackieren – und tappten in die Falle, die ihnen die rechtspopulistische Partei gestellt hatte.

Denn der kollektive Aufschrei und die Beschimpfungen sind Teil ihrer Provokations-Strategie. Nicht wenige AfD-Wähler bejubeln die Pöbeleien von Gauland, Höcke und Meuthen. Andere billigen sie. Manchen gehen sie zu weit. Was die AfD-Anhänger eint, ist der gemeinsame Glaube an ein „Meinungskartell“, an eine „Berliner Elite“. Jede Beschimpfung nährt diesen Glauben. Wie ein Flummi prallen die Angriffe ab – und schlagen mit voller Wucht zurück.

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Viel effektiver wäre für SPD und Union eine Doppelstrategie: die AfD inhaltlich stellen und den eigenen Markenkern stärker betonen.

Wie gut die inhaltliche Auseinandersetzung funktioniert, machten Sonia Mikich und Christian Nitsche beim TV-Fünfkampf vor. Was die AfD in Sachen Digitalisierung vorhabe, wollten sie von Alice Weidel wissen. Die Spitzenkandidatin stockte, bis auf allgemeine Floskeln fiel ihr nichts ein. Auch auf eine Frage zur Mietpreisbremse wich sie aus – und lieferte die bekannte AfD-Anklage gegen die EZB ab.

Noch wichtiger ist der zweite Punkt. Das TV Duell zwischen Angela Merkel und Martin Schulz war der vorläufige Höhepunkt der Harmonisierung zwischen SPD und Union. Weitgehende Einigkeit in der Flüchtlingspolitik, große Übereinstimmung beim Thema Donald Trump, kaum Konflikte in der Sozialpolitik. Großkoalitionäre Harmonie statt leidenschaftlichem Streit. Auch das befeuert den Glauben der AfD-Anhänger an eine vereinheitlichte Politik, zu der nur die AfD einen vermeintlichen Gegenentwurf bietet.

Statt auf Beschimpfungen sollten sich SPD und Union daher lieber auf ihre eigenen Programme konzentrieren – und die Unterschiede zwischen sich wieder stärker herauskristallisieren. Ein guter Anfang dafür wäre die Wirtschaftspolitik. In ihren Programmen streiten Union und SPD über eine Investitionspflicht für den Staat und über Steuererhöhungen für Spitzenverdiener. Im Wahlkampf aber kommen diese Themen bislang kaum vor. An radikalere Forderungen trauen sich beide Parteien erst gar nicht heran. So schreckt die SPD vor einer Vermögenssteuer genauso zurück wie die Union vor stärkeren Steuersenkungen.

Auch in der Migrations- und Flüchtlingspolitik unterscheiden sich die Forderungen der Volksparteien kaum. Die AfD-Spitzenkandidaten Alice Weidel und Alexander Gauland dürften sich über solche Harmonie freuen. Sie macht es ihnen nur noch leichter, bis zur Bundestagswahl weiter zu provozieren – und ihre Erzählung vom einsamen Kampf der AfD gegen alle anderen zu festigen.

KONTEXT

Die Gesichter der AfD

Frauke Petry

Geboren in Dresden, promovierte Chemikerin und Unternehmerin, Bundesvorsitzende der AfD. Mutter von vier Kindern, liiert mit dem AfD-Landeschef von Nordrhein-Westfalen, Marcus Pretzell: Das ist Frauke Petry. Sie gilt als pragmatisch und ehrgeizig. Auch wenn sie verbal gerne Gas gibt – inhaltlich steht Petry eher in der Mitte der Partei.

Björn Hocke und Alexander Gauland

Björn Höcke (45) und Alexander Gauland (76) haben im November 2015 gemeinsam „Fünf Grundsätze für Deutschland“ veröffentlicht. Darin wettern sie gegen die „multikulturelle Gesellschaft“ und behaupten, „die politische Korrektheit liegt wie Mehltau auf unserem Land“.

Jörg Meuthen

Meuthen ist geboren in Essen, promovierter Volkswirt, seit 1996 Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Kehl (Baden-Württemberg), Bundesvorsitzender der AfD, war Spitzenkandidat seiner Partei bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg und ist seit Mai 2016 Landtagsabgeordneter; er ist verheiratet und hat fünf Kinder. Meuthen gehört zu den wenigen prominenten Vertretern des liberalen Flügels, die nach dem Abgang von Bernd Lucke in der AfD geblieben sind.

Beatrix von Storch

Sie ist geboren in Lübeck, Jurastudium in Heidelberg und Lausanne (Schweiz), Rechtsanwältin, stellvertretende Bundesvorsitzende und AfD-Landesvorsitzende in Berlin, seit 2014 im EU-Parlament, verheiratet. Gilt als ultrakonservativ.

Marcus Pretzell

Marcus Pretzell (43) ist geboren in Rinteln (Niedersachsen), Jurastudium in Heidelberg, Rechtsanwalt und Projektentwickler, seit 2014 Vorsitzender der AfD in Nordrhein-Westfalen, Vater von vier Kindern, seit 2016 verheiratet mit Frauke Petry. Der Europaabgeordnete hat die AfD als „Pegida-Partei“ bezeichnet. Parteifreunde rechnen ihn aber nicht zum rechtsnationalen Flügel.