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Warum ein Baustopp auf den Autobahnen droht

Ab 1. Januar 2021 soll der Bund allein für Bau und Betrieb der Autobahnen zuständig sein. Doch die Reform stockt. Bundesländer und Baugewerbe schlagen Alarm.

Bundesländern wie etwa Thüringen fehlen die Kapazitäten, Aufträge in Eigenregie durchzuführen. Foto: dpa
Bundesländern wie etwa Thüringen fehlen die Kapazitäten, Aufträge in Eigenregie durchzuführen. Foto: dpa

Die Bundesländer drängen den Bund, endlich eine wegweisende Entscheidung zur Neuaufstellung der Autobahnverwaltung zu treffen. „Wenn der Bund jetzt nicht entschlossen handelt, werden im kommenden Jahr etliche Projekte im Fernstraßenbau auf Eis liegen“, sagte der Amtschef des Verkehrsministeriums in Baden-Württemberg, Uwe Lahl, dem Handelsblatt. „Mit Entschlusskraft können wir es noch schaffen, ohne sie wird die Reform Ende des Jahres scheitern“, warnte er.

Anlass für den Warnruf ist die Zentralisierung der Autobahnverwaltung. Ab 1. Januar 2021 soll allein der Bund für den Bau und Betrieb der Autobahnen zuständig sein und nicht mehr die Länder in dessen Auftrag. Die Zeit dafür ist so knapp, dass es intern heißt, wichtig sei, dass am Tag eins der Autofahrer nichts merke – also zumindest der Straßendienst funktioniere. Obendrein belasten die Gesellschaft interne Skandale.

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„Diese Reform ist wie ein Radwechsel bei voller Fahrt“, erklärte Lahl. So sei weder der Übergang der Beschäftigten von den Ländern zum Bund bislang erfolgreich abgeschlossen. Ebenso sei „das Rückgrat“ der neuen Bundesgesellschaft noch nicht integriert: die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und bau GmbH (Deges).

Sie beschäftigt Experten für das Planungs- und Projektgeschäft. „Die Experten der Deges sind für den Erfolg der Autobahn GmbH entscheidend, weil deren Erfahrung dort bislang nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung steht“, sagte Lahl.

Einst gegründet, um die Verkehrsprojekte in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung auf den Weg zu bringen, arbeitet die Deges längst für zwölf Bundesländer. So plant und baut sie auch Bundes- und Landesstraßen. Der Bund ist ebenfalls an ihr beteiligt und soll eigentlich die Anteile der Länder übernehmen.

Allerdings würde der Bund dann auch die Projekte bei Bundes- und Landesstraßen fortführen müssen, die derzeit die Deges im Auftrag der Länder umsetzt. Dies ist verfassungsrechtlich nicht vorgesehen, weshalb das Bundesfinanzministerium bereits vor mehr als einem Jahr gewarnt und um Klärung gebeten hat und ebenso kürzlich der Bundesrechnungshof die Verschmelzung mit der Autobahn GmbH ohne vorherige Änderungen ablehnte. Bis heute hat das zuständige Bundesverkehrsministerium keine Lösung vorgelegt.

Mitarbeiter haben bereits gekündigt

Doch nicht nur die laufenden Projekte im Wert von gut 23 Milliarden Euro der Deges sind in Gefahr. Angesichts der Unsicherheiten haben bereits Mitarbeiter gekündigt und sind zu anderen Ingenieurbüros gewechselt. Die Nachfrage nach diesen Fachkräften ist immens.

Nach Informationen des Handelsblatts sieht es ebenso düster für den ersten Etat der Autobahn GmbH aus. So sollen 2021 für den Autobahnneu- und ausbau nur knapp fünf Milliarden Euro zur Verfügung stehen, wie es in Regierungskreisen hieß. Dem gegenüber stehen aktuelle Planungen für Projekte im Wert von gut sechs Milliarden Euro.

Aufgrund der Differenz werde die Autobahn GmbH im neuen Jahr direkt einen Vergabestopp verhängen müssen, hieß es. Es gelte wieder das alte Motto: Bauen nach Kassenlage.

Über die Etatpläne des Bundes muss freilich noch der Deutsche Bundestag beraten und entscheiden. Über die Probleme bei der Reform der Auftragsverwaltung diskutiert indes angesichts des Zeitdrucks das Bundesverkehrsministerium unter Hochdruck auf Staatssekretärsebene mit den Ländern.

So kursiert der Vorschlag, die Deges könne ihre Aufträge für Bundes- und Landesstraßenprojekte wieder an die Bundesländer zurückgeben und demnach nur noch Autobahnen in den Auftragsbüchern verzeichnen. Dies räume die verfassungs- und vergaberechtlichen Probleme aus.

Doch fehlen Bundesländern wie etwa Thüringen, die Kapazitäten, Aufträge in Eigenregie durchzuführen. Sie pochen daher darauf, dass die Projekte fortgeführt werden. „Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft geht davon aus, dass die Autobahn GmbH des Bundes nach der Verschmelzung mit der Deges die zwischen dem Freistaat Thüringen und der Deges abgeschlossenen Verträge erfüllt“, hieß es auf Anfrage.

Länder wie Baden-Württemberg lehnen es aus anderen Gründen ab, laufende Projekte wieder zurückzunehmen. „Wir stehen kurz vor dem Abschluss des Ausbaus der B31 am Bodensee. Wenn wir jetzt wieder die Verantwortung übernehmen, dann müssten wir ohne die Expertise der Deges das Projekt abnehmen und die Schlussrechnungen stellen“, erklärte Lahl.

Länder wollen weiter Einfluss auf Infrastrukturplanung nehmen

Die Alternative wäre, dass die Bundesländer auch die Verantwortung für die Bundesstraßen auf die neue Bundesgesellschaft übertragen. Dies allerdings haben die Länder bislang mehrheitlich abgelehnt, um weiter Einfluss auf die Infrastrukturplanung im eigenen Land nehmen zu können.

Ministerialleiter Lahl wirbt daher für einen Kompromiss: „Die derzeit beauftragten Projekte an die Mischverwaltung Deges sollten alle von ihr abgeschlossen und zugleich keine neuen Aufträge der Länder mehr angenommen werden“, sagte Lahl. „Über diese Brücke muss das Bundesfinanzministerium gehen können.“

Andernfalls gäbe es zum Jahresende ein Chaos. „Das Risiko ist viel zu groß“, warnte Lahl. „Ich erwarte, dass in den Aufsichtsratssitzungen im August sowohl bei der Autobahn GmbH wie bei der Deges die nötigen Entscheidungen getroffen werden.“

Die Situation alarmiert inzwischen auch das Baugewerbe. „Wir befürchten, dass die Auftragsvergabe erheblich ins Stocken gerät“, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, Felix Pakleppa. Sollte die Deges die Aufträge zurückgeben und sollten sie von den Ländern neu ausgeschrieben werden, wäre dass „für die im Straßenbau tätigen Unternehmen eine Hiobsbotschaft“.

Ohnehin seien die Auftragserteilungen aufgrund der Coronakrise schon zurückgegangen. Laut Baugewerbe können die Aufträge der öffentlichen Hand den Einbruch nicht kompensieren. Im Gegenteil: Im Straßenbau lägen die Aufträge mit einem Minus von 5,5 Prozent „wieder erheblich unter dem Niveau des Vorjahres. Im gesamten bisherigen Jahresverlauf fehlen hier im Vergleich zum Vorjahr gut acht Prozent.“

Pakleppa fordert daher Bund und Länder auf, sich schnell auf „eine konstruktive Lösung zur künftigen Aufgabenverteilung und Planungsverantwortung zu verständigen“. Die Unternehmen hätten im Vertrauen auf den vom Bund initiierten Investitionshochlauf ihre Kapazitäten aufgebaut. „Nun müssen die entsprechenden Aufträge endlich auf den Markt kommen. Auch beim Aufbau der Autobahn GmbH darf Corona nicht Ausrede für fehlende Aufträge sein.“