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„Der Anfang vom Ende bei VW“

„Der Kunde hat immer Recht.“ Dieser Satz stammt von Harry Gordon Selfridge, dem Gründer der gleichnamigen britischen Kaufhauskette, und hat sich ein gutes Jahrhundert als Faustformel im Kundenumgang gehalten. VW-Chef ließ in einem Interview mit der Frankfurter Sonntagszeitung durchblicken, dass er von dieser Plattitüde offenbar wenig hält Die Quittung für diese Haltung wurde ihm umgehend über die sozialen Medien zugestellt.

In dem Interview nahm der 63-Jährige zu dem Vorwurf Stellung, die deutsche Autoindustrie habe die Elektromobilität verschlafen. Müller sprach in dem Interview von einem „paradoxen Phänomen“, das er noch nicht ganz verstanden habe: „Am Angebot mangelt es nicht, sondern an der Nachfrage: Auf der einen Seite denken und handeln viele Deutsche im Alltag grün, wenn es aber um E-Mobilität geht, haben wir als Verbraucher spitze Finger.“ Was viele Leser so interpretierten: Nicht sondern der Kunde ist doch daran schuld, dass der Konzern so wenig E-Autos verkauft.

In den sozialen Medien kamen diese Aussagen wenig überraschend nicht gut an. Die Grünen-Politikern Rente Künast reagiert umgehend und schrieb auf Twitter: „Echt frech. Keine bezahlbare E-Autos, keine Ladestationen, aber Nicht-Käufer kritisieren.“ Und der Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Jochen Flasbarth, twitterte: „Schummelsoftware statt Zukunftsinvestitionen und dann Verbraucherbeschimpfung. Dreistigkeit von VW-Chef Müller verschlägt einem die Sprache.“

Auch außerhalb der Politik stießen Müllers Aussagen auf Unverständnis. „Kunden-Bashing ist keine gute Idee“, twitterte Michael B., der zudem feststellte: „Müller wird langsam zur Belastung für den Konzern.“ Denn wie Tina A. bei Facebook zu Recht fragte: „Seit wann gewinnt man als Unternehmen in der Krise mit Kunden-Bashing Kunden zurück?“ Marco M. fragte deshalb: „Kunden kritisieren? Noch grün hinter den Ohren? Auf der letzten Bank der Manager-Schule gepennt?“ Wie das VW-Management von Menschen im Netz gesehen wird, fasste der Tweet von Lorenz M. zusammen: „1) Kunden betrügen 2) Mitarbeiter entlassen 3) Kunden beleidigen 4) Boni kassieren.“

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Was die Nutzer besonders wütend macht

Viele weitere Nutzer schimpften und legten den Finger schonungslos in die Wunden, die bei VW beim Entwicklungsstand der E-Autos offenliegen – zum Beispiel die hohen Preise: So kostet bei der Kleinstwagen „e-up“ als E-Auto knapp 27.000 Euro. „Wie sollen mehr E-Autos verkauft werden, wenn es sich kein Otto-Normalbürger mehr mit Arbeit leisten kann?“, fragt Ute A. auf Facebook. Daniel L. empfahl deshalb den Blick auf die Konkurrenz: „Toyota/Lexus und auch Nissan bieten seit Jahren bezahlbare Hybridantriebe und Plug-In-Fahrzeuge für den Verbraucher an.“

Auch die geringe Reichweite der E-Autos von VW sorgte für Spott. So stellte Hans P. auf Facebook fest: „Was soll ich mit einem E-Golf, der im Sommer ca. 160 Kilometer und im Winter ca. 100 Kilometer schafft? […] Zum Brötchen holen brauche ich kein Auto.“ Jürgen M. riet: „Herr Müller sollte dementsprechend seine Ingenieure in die Pflicht nehmen und die Produkte nicht am Markt vorbei produzieren lassen.“

Auch zu der Ungleichbehandlung der europäischen und der amerikanischen Kunden im Abgasskandal äußerte sich Müller im Interview. Man könne die Situationen „nicht über einen Kamm scheren“, sagte Müller. „Auf der einen Seite kritisieren viele die amerikanische Gesetzgebung in anderen Zusammenhängen, siehe TTIP. Wenn es aber darum geht, selbst Vorteile daraus zu ziehen, scheint das amerikanische Recht auf einmal der richtige Weg zu sein.“ Die Stiftung für Klimaschutz nannte das auf Twitter einen „kläglichen Versuch“, die Bevorzugung der US-Kunden zu begründen. Vereinzelt riefen Facebook-Nutzer deshalb sogar zu einem VW-Boykott auf.

Vielfach machten sich die User aber auch Sorgen darum, wie nachhaltig das Müller Interview VW schaden wird. Frank E. schrieb schon auf Facebook: „Der Anfang vom Ende bei VW... perfekt von Herrn Müller initiiert. Adieu!“

KONTEXT

Untersuchungen

...bei der Abgasbehandlung zogen weltweit Untersuchungen von Behörden nach sich. Ähnlich wie das deutsche Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) gingen die Behörden in Frankreich und Großbritannien vor. Die Regierung in Paris stellte bei eigenen Nachmessungen an 86 Modellen deutliche Abweichungen und Normverstöße fest.

Weitere Betrugssoftware...

...konnte die eingerichtete Kommission allerdings nicht nachweisen - auch wenn sie mangels ausreichender Informationen mancher Anbieter nicht ausschließen wollte, dass es sie gibt. Die französischen Autohersteller legten daraufhin ähnlich wie in Deutschland Pläne vor, um die Emissionswerte zu verbessern.

Auch das britische Verkehrsministerium...

...fand bei der Nachmessung von knapp 40 verschiedenen Automodellen keine Hinweise auf betrügerische Manipulationen wie bei VW. Jedoch lagen die Stickoxid-Werte im realen Straßenbetrieb um ein Vielfaches über den Prüfstandswerten.

In den Vereinigten Staaten...

...durchleuchtete die Umweltbehörde EPA die Branche, konnte aber nach eigenen Angaben bislang nur bei Volkswagen Fehlverhalten feststellen. Neben den Wolfsburgern nahmen die Aufseher bislang nur Daimler besonders unter die Lupe. Im April forderte das Justizministerium nach Klagen von US-Anwälten die Stuttgarter auf, das Zustandekommen der offiziellen Abgaswerte in den USA intern und unter Einbeziehung der Behörden zu untersuchen - noch ohne Ergebnis.

Südkorea...

...hatte im November nach dem Bekanntwerden der Abgas-Affäre bei VW ebenfalls verschärfte Untersuchungen an Diesel-Modellen von weiteren Unternehmen angekündigt. Abgesehen von Volkswagen warf die Regierung in Seoul auch Nissan die Manipulation von Abgaswerten vor.

In Japan...

...ordneten Behörden ähnliche Nachtests an. Neben Mitsubishi räumte auch Suzuki Motor ein, eine nicht zulässige Testmethode angewandt zu haben. Betroffen waren 26 Modelle.

In Russland...

...wurden Unterlagen über Abgaswerte von Daimler angefordert. Die Aufsichtsbehörden stellten aber keine Verstöße fest.

In den Niederlanden...

...wollte die Regierung Mitte 2016 über Schadstofftests informieren. Zuvor hatte das Umweltinstitut TNO im Auftrag der Regierung schon Emissionstests bei verschiedenen Modellen durchgeführt. In dem Bericht kam man zu dem Schluss, dass die Stickoxid-Werte auf der Straße vielfach höher waren als im Labor. Die Untersuchung zog bislang jedoch keine Konsequenzen nach sich.

In Italien...

...bekam Volkswagen von der Wettbewerbsbehörde eine Millionenstrafe aufgebrummt. Bei anderen Herstellern hätten Tests dagegen keine Hinweise auf Vorrichtungen zur Manipulation ergeben - auch nicht bei Fiat, hieß es aus dem Verkehrsministerium im Juni. Bei Nachtests des deutschen KBA war Fiat zuvor herausgestochen. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sieht nun die EU-Kommission am Zug, Nachmessungen bei den Modellen durchzusetzen.