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Streit um Bonus-Meilen: Vielflieger klagt auf Barauszahlung

Sind Bonusmeilen elektronisches Geld? Eine neue Klage bedroht Lufthansas Prämiensystem. Hat sie Erfolg, könnte sie viele große Bonusprogramme auf den Kopf stellen.

Vielflieger müsste man sein, zumindest wenn es nach der Homepage der Lufthansa geht. „Wir laden Sie ein, täglich auf vielfältige Weise in der Luft und am Boden wertvolle Prämienmeilen zu sammeln und in attraktive Prämien einzulösen“, heißt es bei „Miles and More“.

Die Liste der Partner ist lang: Meilen einlösen oder sammeln kann man unter anderem bei Autovermietungen wie Sixt, Hertz und Europcar, der Tankstellenkette Shell, Hotels von Hilton, Accor und Best Western, beim Versicherer Zurich sowie in den Onlineshops von Saturn, O2 und Apple. Entstanden ist ein eigenes Zahlungsuniversum, in dem nicht Euro oder Dollar regieren, sondern Lufthansa-Meilen.

So weit, so gut. Es gibt nur ein Problem: Wer seine Meilen nicht binnen 36 Monaten ausgibt und keine Lufthansa-Kreditkarte mit einem entsprechenden Premiumstatus hat, der verliert sein virtuelles Vermögen. Schließlich ist der Garant für dieses Universum keine Zentralbank, sondern ein Privatunternehmen – die Airline mit dem Kranich.

Was bedeutet das für ihr Meilenprogramm? Geht es nach einigen Juristen, könnte es sich dabei um mehr als Marketing handeln: um elektronisches Geld oder E-Geld. Das Zahlungsdienste-Aufsichtsgesetz (ZAG) versteht darunter einen „elektronisch gespeicherten monetären Wert in Form einer Forderung an den Emittenten“, der gegen Geldzahlung ausgestellt wird, um Zahlungen zu tätigen, und auch von Externen angenommen wird.

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Gilt das auch für Flugmeilen? Dieser Auffassung ist der Berliner Verbraucheranwalt Istvan Cocron, der mit seiner Kanzlei CLLB am Donnerstag Klage wegen „Miles and More“ einreichen will. Seine Forderung: Bonusmeilen sollen wieder ausgezahlt werden können, also in Euro rückerstattet werden.

Im konkreten Fall fordert ein Vielflieger mehr als 21.000 Euro für seine 715.000 Prämienmeilen. Hat die Klage Erfolg, könnte sie viele große Prämienprogramme auf den Kopf stellen. „Wir haben gar kein Problem mit Bonusprogrammen an sich“, stellt Cocron gegenüber dem Handelsblatt klar.

„Wir fordern jedoch, dass die Meilen auch in Euro zurückgetauscht werden sollen. Unserer Ansicht nach erfüllen sie die gesetzlichen Anforderungen von E-Geld.“ In der Klageschrift an das Landgericht Frankfurt, die dem Handelsblatt vorliegt, führen die Anwälte sechs Gründe für diese Einstufung auf.

Erstens wiesen die Meilen einen monetären Wert auf. Auf der Homepage des „Lufthansa World Shop“ heißt es unverblümt: „Machen Sie mehr aus Ihren Meilen und nehmen Sie sie mit auf Einkaufstour“ bei Partnern vor Ort oder im Web.

„Suchen Sie sich einfach aus, was Ihnen gefällt, und multiplizieren Sie den Preis in Euro mit 330. Schon haben Sie die Meilenzahl (...), die Sie benötigen, um Ihre Wunschprämie zu erwerben.“ Zweitens seien die Meilen elektronisch gespeichert, auf dem Onlinekonto des Kunden.

Drittens beinhalteten sie eine Forderung gegenüber dem Emittenten, da mit ihnen für Flugreisen, aber auch für viele andere Produkte bezahlt werden kann. Viertens würden Meilen gegen Zahlung eines Geldbetrags ausgestellt. Dass damit, fünftens, Zahlungsvorgänge durchgeführt werden, ergebe sich schon aus den Preisangaben der Lufthansa-Partner, die neben dem Euro- jeweils auch einen Meilenpreis ausweisen.

Sechstens würden sie von zahlreichen Online- wie Offlineshops angenommen; die Liste auf der Lufthansa-Homepage spricht aus Sicht der Anwälte Bände.

„Das ist der größte Unterschied zum Kundenbindungsprogramm meiner Kaffeebude, bei dem ich einen Stempel pro Besuch erhalte“, erklärt Cocron. Selbst wenn das Stempelbuch elektronisch geführt würde: „Die dort erhaltenen Stempel kann ich ausschließlich für Kaffee einlösen. Mit ‚Miles and More‘ kann ich auf der ganzen Welt einkaufen.“

Einer der Ersten, die sich mit dem Zusammenhang von Kundenbindungsprogrammen und E-Geld beschäftigt haben, ist Rechtsprofessor Axel Kokemoor von der Hochschule Fulda. Bereits 2003 schrieb er zur Frage, ob Werteinheiten, die durch Rabattsysteme gewährt werden, als elektronisches Geld anzusehen sind: „Um elektronisches Geld handelt es sich nur, wenn Werteinheiten ‚gegen Entgegennahme eines Geldbetrags‘ (...) ausgegeben wurden“ – und zwar „unmittelbar“.

Das könnte die heikelste Frage sein, die das Landgericht Frankfurt zu beantworten hat. Stellt der Kauf eines Produkts, der mit der Ausgabe von Meilen einhergeht, einen unmittelbaren Umtausch von Euro in Meilen dar? 2013 hatte das Oberlandesgericht Köln das in einem anders gelagerten Fall noch verneint, nachdem die Vorinstanz im Sinne des Kunden entschieden hatte. Zu einer höchstrichterlichen Klärung vor dem Bundesgerichtshof kam es nicht, da sich die Streitparteien außergerichtlich einigten.

Der Jurist Christian Appelt bejaht die Frage aber in einem Beitrag für die Neue Juristische Wochenschrift 2016: „Erwirbt ein Händler die Bonuspunkte zentral bei einem Punkteemittenten und reicht sie dann an die Kunden weiter, liegt in jedem Fall E-Geld vor, egal ob der Händler selbst die Punkte gegen Entgelt oder unentgeltlich weiterreicht.“

Kauft zum Beispiel ein Autovermieter Meilen von der Lufthansa, dann liegt laut dieser Sicht in jedem Fall ein direkter Umtausch vor. „Jeder Kunde der Autovermietung bezahlt die Meilen, die er erhält, über den normalen Mietpreis mit, ob er es will oder nicht. Die Autovermietung bekommt diese ja nicht von der Lufthansa geschenkt“, argumentiert Cocron. Dann müsse auch eine Rückzahlung möglich sein.

Für Zahlungsrechtspionier Kokemoor ist die Sache weniger eindeutig. „Die Frage ist unter anderem, zu welchem Zweck die Partner ihre Meilen eingekauft haben. Der Kauf müsste getätigt worden sein, um mit den Meilen Zahlungsvorgänge durchzuführen, und nicht in erster Linie, um die Kundenbindung zu erhöhen“, sagt er dem Handelsblatt.

Lufthansa bleibt gelassen

„Wenn Sie ein Bonussystem mit einem Partner betreiben und dafür zum Beispiel Lizenzgebühren nehmen, fließt natürlich auch Geld, ohne dass es zu einem unmittelbar auf Zahlungszwecke zielenden Umtausch von Euro in Meilen kommt.“

Die Lufthansa sieht der Klage offiziell gelassen entgegen. Bonusmeilen stellten kein E-Geld im Sinne des ZAG dar, man stehe dazu auch in Kontakt mit der Finanzaufsicht Bafin, erklärt ein Sprecher. „Meilen im Rahmen des Miles-and-More-Programms werden nicht gegen die Zahlung eines Geldbetrags ausgestellt.

Vielmehr zahlen die Kunden einen bestimmten Preis für Flüge oder andere Leistungen, und sie erhalten (wenn als Teilnehmer gewünscht) on top (kostenlos) Meilen.“ Höhe und Wert der einzulösenden Meilen variierten je nach Programmpartner und Angebot. Ein Kauf von Meilen sei „nicht möglich“, erklärt der Konzern.

Das war nicht immer so. Noch bis 2014 konnten Kunden die Meilen auch direkt kaufen, dann wurde diese Option abgestellt: eine Reaktion auf die Befürchtung, das Prämienprogramm könnte als E-Geld eingestuft werden. Die Bafin erklärt: Bonusprogramme, bei denen Kunden für Punkte nichts zahlen müssen, seien generell nicht erlaubnispflichtig.

„Sobald aber Punkte zugekauft werden können, mit denen bei Dritten bezahlt werden kann, ist der Tatbestand des E-Geldes grundsätzlich erfüllt.“ Die Lufthansa sieht aktuell „keinen Anlass, Rückstellungen für Auszahlungen in Betracht zu ziehen“, heißt es: „Für die ausgegebenen Meilen bilden wir entsprechend den bilanzrechtlichen Vorgaben bis zur Einlösung der Meilen Rückstellungen.“

Der Fall wird inzwischen auch politisch beäugt. Der FDP-Bundestagsabgeordnete und Finanzexperte Frank Schäffler warnt gegenüber dem Handelsblatt davor, die Regeln des ZAG zu exzessiv anzuwenden. „Die Regulierung von E-Geld darf nicht dazu führen, dass deren Anwendung gar nicht mehr in Deutschland stattfindet. Innovationen müssen auch künftig möglich sein.“

Egal, wie die aktuelle Klage ausgeht, Verbraucherschützer raten Kunden von Bonusprogrammen zu einem genauen Studium der Teilnahmebedingungen. „Bonusprogramme dienen der Kundenbindung, verteuern aber teilweise die Käufe. Der Verbraucher muss sich auf die Bedingungen des ausgebenden Unternehmens einlassen“, warnt Peter Lassek von der Verbraucherzentrale Hessen.

„Der Emittent bestimmt den Wert der Bonusmeilen.“ Wie groß die Macht der Anbieter ist, zeigt ein Fall, der bereits 2011 für Klagen gegen die Lufthansa gesorgt hat: Damals veränderte die Kranich-Airline die Bedingungen ihres Bonusprogramms so, dass Teilnehmer plötzlich 15 bis 20 Prozent mehr Meilen für Erste-Klasse- und Business-Class-Flüge eintauschen mussten.

Das angesammelte Prämienvermögen war auf einen Schlag weniger wert – Vielfliegerstatus hin oder her.